- Kritik 1: „Bruderhahnaufzucht ist Ressourcenverschwendung.“
- Kritik 2: „Bruderhahnaufzucht lohnt sich nicht. Sie macht die Eier zu teuer. Es gibt keinen Markt für das Fleisch.“
- Kritik 3: „Auf vielen Eierpackungen steht ,mit Bruderhahnaufzucht', aber wo sind denn all diese Hähne? Wahrscheinlich werden sie gar nicht aufgezogen, sondern im Ausland als Küken getötet.“
- Über 350.000 Bruderhähne in zehn Jahren
Die Brudertier Initiative Deutschland (BID) betont, dass die Aufzucht von Bruderhähnen für die Gestaltung einer zukunftsfähigen ökologischen Geflügelzucht und -haltung unabdingbar sei. „Für den Übergang bis zu einer vollständigen Umstellung auf ökologisch gezüchtete Zweinutzungshühner ist die Bruderhahnaufzucht die einzige Alternative zum Kükentöten“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Der Verein, zu dessen Gründungsmitgliedern der Bauckhof Klein Süstedt, Naturkost Elkershausen, Naturkost Erfurt und Naturkost Nord gehören, fordert die Bio-Branche und Verbraucher auf, diesen Prozess tatkräftig zu unterstützen. Dafür wird die BID nach eigenen Angaben in der öffentlichen Debatte von manchen Akteuren stark kritisiert.
Hintergrund
- Als Lebensmittel verwendete Hühner-Eier stammen überwiegend von
Hühnern, die auf eine bestmögliche Legeleistung gezüchtet sind, sogenannte „Legerassen“. Das Hühnerfleisch stammt hauptsächlich von „Mastrassen“.
Männliche Hühnerküken der Legerassen wurden in der Vergangenheit
fast alle am ersten Lebenstag getötet („Eintagsküken“), weil sie
langsamer und weniger Fleisch ansetzen als Hühner der Mastrassen und
keine Eier legen. Dies betraf laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Deutschland zuletzt etwa 40 Millionen Küken jährlich.
- Das Kükentöten-Verbot (§ 4c TierschG) trat im Januar 2022 in Kraft. Daraus folgt: Entweder müssen die Hähne aufgezogen und als „Bruderhähne“ vermarktet werden oder männliche Embryonen müssen bereits im Brutei erkannt und aussortiert werden. Da sich die meisten Bioverbände BISLANG gegen eine Geschlechtsbestimmung im Ei aussprechen, müssen die meisten geschlüpften Hähne im Verbands-Bio-Bereich aufgezogen werden. Das Ausbrüten sogenannter „Zweinutzungshühner“ ist die dritte Alternative. So werden Hühnerrassen bezeichnet, die gleichsam zur Eier- und Fleischerzeugung bestimmt sind und einen züchterischen Ausgleich zwischen Lege- und Mastleistung darstellen.
- Ab Januar 2024 soll eine Geschlechtsbestimmung im Hühner-Ei verpflichtend vor dem siebten Bebrütungstag stattfinden. Das sieht ein Passus im Tierschutzgesetz vor, der im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Grundlage dafür war der wissenschaftliche Erkenntnisstand, wonach der Hühnerembryo vor dem siebten Bebrütungstag noch nicht in der Lage sei, Schmerzen zu empfinden. Im Frühjahr revidierte das BMEL mit dem Verweis auf eine selbst in Auftrag gegebene Studie seine Annahme: Offenbar setzt das Schmerzempfinden erst später ein. Das Gesetz wird womöglich geändert.
Aufgrund des Kriegs in der Ukraine sind Energie- und Futterkosten extrem gestiegen, die Inflationsraten sind hoch und die Bio-Branche kämpft wegen der aktuell großen Preissensibilität der Verbraucher mit einer Absatzkrise. Insbesondere die Nachfrage nach Premium-Bio-Eiern sei eingebrochen und erhole sich nur langsam, so die BID.
In diesem Umfeld stelle die Bruderhahnaufzucht eine zusätzliche Belastung der Erzeugerbetriebe dar, weil sie viel Futter erfordert und zu erhöhten Eierpreisen führt. In einem Positionspapier greift die BID die Kritik am Bruderhahn-Konzept auf und stellt dieser ihre Argumente entgegen.
Kritik 1: „Bruderhahnaufzucht ist Ressourcenverschwendung.“
BiD-Position: „Bruderhahn ist ein politisches Statement für eine ökologische Tierzucht“
Die Kritik setzt laut BID an der falschen Stelle an. Es sei richtig, dass die Bruderhähne im Verhältnis zum Fleisch, das sie erzeugen, mehr Futter benötigen als Masthähnchen. Die Idee, sie aufzuziehen anstatt sie als Eintagsküken sinnlos zu töten, sei aber nicht als besonders nachhaltiges Geschäftsmodell entstanden, sondern aus der ethischen Erwägung heraus, dass es falsch ist, ein Tier zu „produzieren“, das als wirtschaftlich nutzlos unmittelbar wieder getötet wird.
Die Bruderhahnaufzucht sei von vornherein als Übergangslösung gedacht gewesen, solange es noch keine wirtschaftlich nutzbaren und gleichzeitig auf die Grundsätze des Ökolandbaus zugeschnittenen Zweinutzungshühner gab. Das Zuchtziel Zweinutzung bedeute: Die Hennen legen genug Eier und die Hähne setzen genug Fleisch an, um wirtschaftlich nutzbar zu sein, gleichzeitig werden hochleistungsbedingte Krankheiten vermieden.
Kritik 2: „Bruderhahnaufzucht lohnt sich nicht. Sie macht die Eier zu teuer. Es gibt keinen Markt für das Fleisch.“
BID-Position: „Eier und Fleisch gehören zusammen“
„Wenn das Aufziehen von Bruderhähnen aus ethischen und politischen Gründen wichtig ist“, so die BID „müssen wir Wege finden, wie dies für Betriebe wirtschaftlich machbar ist.“ Der Verein entwickle funktionierende Konzepte für die Refinanzierung der Mehrkosten. Die Aufzuchtkosten der Hähne, die sich nicht vollständig über die Fleischvermarktung decken lassen, werden über einen Aufpreis auf die Eier kompensiert. So finanzieren die Hennen das Futter der Hähne mit.
Die Vermarkung des Bruderhahn-Fleischs beschreibt die BID als herausfordernde Aufgabe: Die Qualität der Bruderhähne sei vielen Verbrauchenden noch wenig bekannt, weswegen sie das gewohnte Fleisch von Masthähnchen bevorzugen. Und: Legehennenhalter, die eigentlich auf den Verkauf von Eiern spezialisiert sind, haben oft noch keine funktionierenden Vertriebsstrukturen für Bruderhahn-Fleischprodukte. Die BID unterstütze die Betriebe dabei und appelliert an den Bio-Fachhandel, sich verstärkt für die Vermarktung des Hahnenfleisches einzusetzen.
Kritik 3: „Auf vielen Eierpackungen steht ,mit Bruderhahnaufzucht', aber wo sind denn all diese Hähne? Wahrscheinlich werden sie gar nicht aufgezogen, sondern im Ausland als Küken getötet.“
BID-Position: „Bruderhahn-Siegel ist eine Garantie für die ökologische Aufzucht der Hähne“
Die BID fordert Verbraucherinnen und Verbraucher auf, genau hinschauen und im Zweifel kritisch nachzufragen. Transparenz und klare Vorgaben bei der Aufzucht, Schlachtung und Vermarktung der Hähne seien unerlässlich. Deswegen sei bei BID-Betrieben die Wertschöpfungskette der Bruderhähne nachvollziehbar.
Als Garantie sei das BID-Bruderhahn-Siegel entwickelt worden, das nur Betriebe, Eier- und Fleischprodukte tragen dürfen, die sämtliche Kriterien der BID erfüllen. Dies werde von den Ökokontrollstellen im Rahmen der Ökokontrolle geprüft und durch einen unabhängigen Zertifizierer zertifiziert, so der Verein.
Um das Siegel nutzen zu dürfen, muss ein Betrieb nachweisen,
- wo er die Küken gekauft hat,
- ob, wie in der BID-Siegelordnung vorgeschrieben, zu jeder Henne ein Hahn mindestens 14 Wochen lang aufgezogen wurde, und zwar auf einem Bioland- oder Demeter-Betrieb,
- wo die Schlachtung stattgefunden hat,
- und wie und wo das Fleisch anschließend vermarktet wird.
Über 350.000 Bruderhähne in zehn Jahren
Laut BID wurden in den vergangenen zehn Jahren über 350.000 Bruderhähne unter den oben genannten Voraussetzungen aufgezogen, geschlachtet und als Lebensmittel vermarktet wurden. Dies sei durch den Verkauf von mehr als 87,5 Millionen Eiern mit BID-Bruderhahn-Siegel möglich gemacht worden. (juk)
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