Lidl bietet in seinen deutschlandweit rund 3.200 Filialen Produkte von Bioland-Bauern an. Keine einmalige Aktion, sondern eine langfristige Zusammenarbeit, wie beide Kooperationspartner mitteilen.
Die ersten Produkte – Äpfel, Kresse und Gartenkräuter mit Bioland-Logo – sollen ab November in allen Filialen von Lidl Deutschland verfügbar sein. Ab Januar 2019 würden rund ein Viertel der Produkte der Lidl-Eigenmarke BioOrganic auf Bioland-Standard umgestellt. Darunter fast alle Molkereiprodukte, sowie Weizenmehl, Dinkelmehl und Kartoffeln. "Wir wollen unser Bio-Sortiment gemeinsam mit Bioland schrittweise erweitern und Bio-Produkte dort, wo es möglich ist, auf den hohen Bioland-Standard heben", sagt Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland.
Wie Kaufland, das gerade mit Demeter im Gespräch über eine mögliche Partnerschaft ist, gehört Lidl zur Unternehmensgruppe Schwarz. Im Geschäftsjahr 2017 hat Lidl Deutschland einen Umsatz von 21,4 Mrd. Euro erwirtschaftet.
Bioland sieht Lidl als glaubwürdigen Partner
Dem Entschluss für die Zusammenarbeit seien intensive Gespräche über anderthalb Jahre vorausgegangen, teilt Gerald Wehde, Pressesprecher bei Bioland, mit. Gemeinsam verfolge man zwei Ziele: Hochwertige, heimische Bio-Produkte auf breiter Basis in die Gesellschaft bringen, und sich langfristig für eine nachhaltigen Land- und Lebensmittelwirtschaft einsetzen.
Lidl habe dem Verband glaubwürdig verdeutlicht, wie ernst es dem Unternehmen mit seiner nachhaltigen Sortimentsentwicklung ist, so Wehde. Bioland-Präsident Plagge sagt dazu: „Für uns, unsere Mitglieder und Partner ist entscheidend, dass wir den strengen Bioland-Standard und unsere Prinzipien ohne Kompromisse umsetzen können und dass unsere sozialen und ethischen Werte berücksichtigt werden."
Verbandsbio aus der Nische holen
"Wir wollen hochwertige Bio-Produkte aus der Nische holen und Millionen von Verbrauchern den Zugang ermöglichen. Mit einem erweiterten Bioland-Angebot bieten wir unseren Kunden die Wahlmöglichkeit, mehr hochwertiges heimisches Bio zu kaufen", erläutert Bock. Wehde sieht dabei auch eine Chance für den Fachhandel: „Wenn wir Gelegenheitskäufer von Bio an die höherwertige Bioland-Ware heranführen, machen wir sie vielleicht zu Mehrkäufern. Das führt zu einer Rückkopplung, von der der Fachhandel wieder profitiert.“
Um eine ausreichende Versorgung mit Bioland-Rohstoffen zu gewährleisten, soll mehr Landwirten die Umstellung auf Bioland-Kriterien ermöglicht werden. Bock: "Für Landwirte ist die Kooperation eine Chance, ihre Betriebe zukunftsfähig weiterzuentwickeln und fair vergütet zu werden. Gemeinsam mit Bioland können wir über eine gesteigerte Nachfrage weitere Betriebe zur Umstellung auf den ökologischen Landbau motivieren."
Kritik aus der Bio-Branche
Patrik Mueller, Ökoland GmbH Nord, sagte bio-markt.info: "Die Anbauverbände müssen sehr aufpassen, dass Sie nicht als Öko-Feigenblätter für Discountriesen fungieren, Bioland bei Lidl ist eine Zäsur. Die Machtverhältnisse sind sehr ungleich und im ersten Schritt werden vor allem die Discounter vom positiven Image der Verbände profitieren und mit wenigen Artikeln das gesamte Sortiment ethisch aufwerten und von Ihrer historischen Verantwortung für viele Missstände in der konventionellen Landwirtschaft ablenken, die vor allem durch den ständigen Preisdruck entstanden sind. Eine faire Banane und ein Bio-Apfel machen aus einem Saulus noch keinen Paulus. Langfristig braucht der Öko-Anbau aber natürlich mehr Verkaufsstätten und der Wandel des konventionellen Handels ist ein wichtiges Ziel, wenn die Verbände da einen Hebel finden, ist es gut. Der Bio-Fachhandel muss nun noch intensiver in Sortimentsvielfalt, Qualität, Nachhaltigkeit und Service investieren, um die bestehende Kundschaft zu binden und neue Kundinnen und Kunden aus dem konventionellen Handel zu gewinnen."
Elke Röder, Geschäftsführerin des Bio-Dachverbands BNN, schreibt in ihrem Gastkommentar auf bio-markt.info: "Ein Discounter, der sich wirklich und langfristig für die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Land- und Lebensmittelwirtschaft[nbsp]einsetzen möchte, müsste sich doch zu allererst den Problemen, die 95 Prozent[nbsp]seines Sortiments verursachen, widmen. Geht es also um Wahrhaftigkeit oder Verdrängung?"
Martin Häusling, Europaabgeordneter der Grünen, sieht die Vereinbarung zwischen Bioland und Lidl als große Entäuschung "für all diejenigen, die den Biomarkt mit aufgebaut haben wie Bio-Großhändler und Bio-Läden." AWeiter sagte er bio-markt.info: "Man begibt damit in die Hand eines internationalen Lebensmittel-Multi und damit natürlich in Abhängigkeiten. Zunächst lockt eine größere Vermarkungchance, aber langfristig begibt man sich voraussichtlich in eine Preisspirale, die nach unten führt."
Bioland-Imker Michael Grolm äußerte sich in der taz: „Ich hätte nichts dagegen, Lidl zu enteignen, aber im Moment ist Lidl halt überall.“ Grolm hatte dem Artikel zufolge in der Vergangenheit seinem Verband vorgeworfen, sich zu stark agrarindustriellen Betrieben zu öffnen. Allerdings räumt er gegenüber der taz-Redaktion ein: „Die Kooperation wird ermöglichen, dass mehr Bauern auf Bio umstellen.“ Zumindest die derzeitigen Vertragsbedingungen seien gut für die Landwirte.
Bioland stellt Fair-Play-Regeln auf
Die Befürchtung, die Marke Bioland könne verramscht werden, steht für den Verband nicht zur Debatte. Die Verhandlungen mit Lidl verliefen partnerschaftlich, so Wehde. Durch die vertraglich geregelte Zusammenarbeit könne Bioland im Interesse von Erzeugern den Markt mitgestalten und für faire Bedingungen für Erzeuger und Hersteller sorgen.
Der Angst, die Kooperation könnte den eigenen Mitgliedern das Geschäft wegnehmen, setzt Bioland die Chance entgegen, Neukunden zu gewinnen und auf andere Vertriebswege aufmerksam zu machen. Jan Plagge: „Unserer Erzeuger und Herstellerbetriebe erhalten so neue und dauerhaft sichere Absatzmöglichkeiten, zudem schützt jedes verkaufte Bioland-Erzeugnis das Tierwohl, die Umwelt und das Klima. Nur mit einer gesteigerten Nachfrage können weitere Bauern auf ökologischen Landbau umstellen.“
Als Discounter gehört Lidl für viele in der Bio-Branche zu „den Bösen“. Bioland habe Lidl als Partner mit einer ernsthaften Nachhaltigkeitsstrategie kennengelernt, so Wehde. Unterstrichen würde die Ernsthaftigkeit von Lidl durch die Akzeptanz der von Bioland vorgegebenen Fairplay-Regeln als Absicherung für Erzeuger, Hersteller und Zulieferer und einer Ombudsstelle, bei der Verstöße gemeldet werden können.
Verstöße können bei Ombudsstelle gemeldet werden
Die Ombudsstelle will Bioland für alle Vertragspartner umsetzen. Das Modell ist bisher einzigartig auf dem Markt und funktioniert laut Bioland so:
Ist ein Lieferant der Meinung, der Händler hält sich nicht an die Fair-Play-Regeln, kann er sich an eine unabhängige Ombudsstelle wenden, die Bioland eigens dafür eingerichtet hat. Lieferant und Händler haben nun die Möglichkeit ein freiwilliges, anonymes Schlichtungsverfahren zu gehen. Verläuft das ohne Erfolg, kann der Lieferant ein Beschwerdeverfahren in die Wege leiten. Die Ombudsstelle ermittelt dann, ob der Händler gegen die Fair-Play-Regeln verstoßen hat. Ändert sich nichts an dessen Verhalten, kann Bioland auf Grundlage der Entscheidung der Ombudsstelle den Händler sanktionieren - zum Beispiel in Form von angemessenen Geldstrafen über Abmahnungen bis hin zur Kündigung des Vertrags. Andererseits kann sich auch der Händler gegen diese Maßnahmen seitens Bioland mit rechtlichen Schritten wehren.
Plagge: "So werden die Lieferbeziehungen langfristig und nach klaren Fair-Play Regeln gestaltet, die kleinen und mittleren Betriebsstrukturen eine Zukunft in der Biolandwirtschaft und Lebensmittelherstellung bieten.“
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