Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Bio-Gebäck-Hersteller Sommer

„Wir arbeiten noch zwei Wochen im Dreischichtbetrieb“

Bei der Biback Zwiebackfabrik Sommer drehen sich die Produktionsbänder in diesen Tagen fast ohne Unterbrechung.

Das Unternehmen mit rund 90 Mitarbeitern, das seit 1998 den Naturkostfachhandel versorgt und seit 2003 gemäß den Demeter-Richtlinien produziert, hat seit gut einer Woche auf Dreischichtbetrieb umgestellt. Auch die Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen mit, dass Sommer die deutlich erhöhte Nachfrage nach Bio-Zwieback bedienen kann.

„Im Moment sieht es für uns eher gut aus“, sagt Geschäftsführer Dietrich Praum, der das Unternehmen in fünfter Generation führt. Er schließt jedoch nicht aus, dass es nach dem Hoch schon bald zum Absatzeinbruch kommen könnte. Dennoch hält der die Bio-Branche insgesamt auch langfristig für einen möglichen Gewinner dieser Krise. bio-markt.info erreicht den 51-Jährigen telefonisch nicht im Home Office, sondern in seinem Büro am Firmensitz in Neu-Anspach.

BioHandel: Herr Praum, wie sieht aktuell ihr Arbeitstag aus?

Dietrich Praum: Ich arbeite ganz normal. Was natürlich nicht stattfindet sind Außer-Haus-Termine und Inhouse-Termine mit Externen.

Gibt es bei Ihnen auch Home Office?

Home Office machen wir rollierend je nach Bereich, wie es gerade passt. Außerdem sind unsere Arbeitszeiten so aufeinander abgestimmt, dass manche sehr früh kommen und die anderen entsprechend spät. So dass sich die Kollegen körperlich möglichst wenig begegnen.

Für die Mitarbeiter in der Herstellung gilt das freilich nicht. Wie stark ist ihre Produktion derzeit ausgelastet?

Im Moment laufen wir auf 100 Prozent. Allerdings können wir nicht alle Bestellungen vollumfänglich ausliefern, weil wir uns auf den Zwieback konzentrieren. Das heißt, wir haben andere Produktionsbereiche ein bisschen heruntergefahren und Mitarbeiter von dort der Zwiebacklinie zugeordnet. Da ist derzeit der größte Bedarf.

Warum gerade hier?

Das ist wie Nudeln oder Reis ein ideales Produkt, weil es ohne Qualitätsverlust lange aufbewahrt werden kann.

Bei welchen Lebensmitteln haben Sie die Produktion zurückgefahren?

Reduziert wurden unter anderem der Minizwieback und auch die glutenfreien Gebäcke sind derzeit nicht voll lieferbar.

Gibt es Engpässe bei der Rohstoffbelieferung?

Die Vorlaufzeiten bei den Mehlen haben sich deutlich erhöht. Bei unserem Hauptbackgetreide Dinkel hatten wir ohnehin schon eine leichte Knappheit nach der letzten Ernte, weil es so trocken war und die Ausbeute geringer. Aber noch ist die Versorgung sichergestellt.

Wie hat sich Ihre Zwieback-Produktion verändert?

In der Zeit vor Corona hatten wir bei der Zwieback-Produktion einen Zweischichtbetrieb. Jetzt sind wir seit einer Woche im Dreischichtbetrieb. Zwei weitere Wochen sind geplant. Insgesamt haben wir die Arbeitszeit beim Zwieback um 50 Prozent erhöht.

Anm. d. Red.: Im Normalbetrieb fangen die ersten Bäcker bei Sommer um zwei Uhr morgens mit der Arbeit an. Gegen neun Uhr werden sie von der zweiten Schicht abgelöst, die bis 17 Uhr arbeitet. Seit einer Woche übernimmt nun anschließend die zusätzliche dritte Schicht und produziert bis in die Nacht hinein. Unter normalen Bedingungen wird bei Sommer von Montag bis Freitag Bio-Zwieback und -Gebäck hergestellt. Aktuell laufen die Maschinen von Sonntagabend bis Freitagabend. Am Samstag werden die Maschinen gewartet und gegebenenfalls repariert.

Was bedeutet die Produktionsausweitung für Ihren Absatz?

Der liegt für März sicherlich um ein Drittel höher als im vergangenen Jahr. Und auch für die erste Hälfte im April liegen uns schon sehr hohe Bestellungen vor. Was nach Ostern passiert muss man mal sehen.

Haben Sie für die zusätzliche Schicht weitere Mitarbeiter eingestellt?

Wir arbeiten derzeit mit Aushilfen. Zum Beispiel helfen zwei meiner Kinder mit, die derzeit keine Uni haben. Kinder von anderen Kollegen sind ebenfalls eingesprungen.

Wie lange können Sie das aufrecht erhalten?

Wir werden den Dreischichtbetrieb noch die nächsten zwei Wochen beibehalten. Für alles, was darüber hinaus gehen sollte, müssten wir weitere Mitarbeiter fest einstellen, um die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen zu können. Denn auch die Produktionsbereiche, die wir derzeit vernachlässigen, müssen irgendwann wieder normal laufen. Ich gehe davon aus, dass sich der große Absatz bei haltbaren Nahrungsmitteln womöglich in ein bis zwei Wochen wieder auf Normalmaß reduziert.

Wie sehen Ihre Sicherheitsmaßnahmen gegen Corona-Infektionen in der Produktion aus?

Als Lebensmittelhersteller herrscht bei uns ohnehin schon ein hoher Hygienestandard. Wir haben unsere Mitarbeiter dazu angehalten, sich noch häufiger und gründlicher die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Wir stellen zudem Mundschutze bereit. Viele haben für sich und Kollegen auch welche genäht. Der Einsatz, den hier alle an den Tag legen, ist schon sehr groß.

Manche Supermarktketten und Discounter wollen ihrem Ladenpersonal einen Corona-Bonus zahlen. Haben Sie sich auch schon Gedanken über eine Belohnung für Ihre Mitarbeiter gemacht?

Praum: Natürlich habe ich mir darüber schon Gedanken gemacht. Um hier ins Detail zu gehen, ist es aber noch zu früh, weil wir ja noch nicht wissen, wie es weitergeht. Im Moment läuft es eher gut für uns. Aber unklar ist, wie es in zwei Monaten aussehen wird. Ob da vielleicht ein großes Loch kommt, weil die Leute erstmal ihren gehorteten Zwieback aufessen. Aber selbstverständlich werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerade so unheimlich viel Engagement zeigen und dazu beitragen, dass wir ganz gut lieferfähig sind, in irgendeiner Weise zusätzlich belohnt werden. Das ist ganz klar.

Anm. d. Red.: Aufgrund ihrer Systemrelevanz steht die Naturkostbranche in der Krise insgesamt gut da. Dass sie unter Druck geraten könnte, wenn es zu größeren wirtschaftlichen Verwerfungen kommen sollte und die Menschen aus finanzieller Not heraus verstärkt günstigeres Lebensmittel nachfragen, hält Praum zwar für plausibel. Er hält es aber genauso für denkbar, dass die aktuelle Situation auch langfristig für mehr Bio-Bewusstsein in der Bevölkerung sorgen könnte.

Praum: Vor der Coronakrise haben wir über die Erderwärmung und die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik diskutiert. Diese Probleme sind nach wie vor nicht gelöst, sondern aktuell nur aus dem Blickfeld geraten. Ich glaube, dass auch so eine zusätzliche Ausnahmesituation, wie wir sie aktuell haben, dazu führen kann, dass sich die Menschen noch bewusster mit der Natur und den Ressourcen auseinandersetzen. Und dass sie vielleicht gerade deshalb sagen: Wenn ich jetzt schon konsumiere, dann tue ich das möglichst naturnah, umwelt- und ressourcenschonend. Das führt zwangsläufig dazu, dass man sich auch über Bio-Produkte Gedanken machen muss.

Welche Lehren ziehen Sie für Ihr Unternehmen aus dieser Ausnahmesituation?

Wir haben glücklicherweise vieles richtig gemacht, weil wir von den wesentlichen Produkten, die man braucht, um den Hygienestandard aufrechtzuerhalten, ausreichend zur Verfügung hatten. Diesen Stand wollen wir weiterhin genauso hochhalten. Ansonsten ist es wichtig, dass man eine langfristig angelegte Beziehung zu Vorlieferanten hat. Damit man sich auch in solchen Situationen darauf verlassen kann, dass man bedient wird.

Prognosen sind aktuell noch schwieriger zu treffen als ohnehin schon. Dennoch die Frage: Wie wird Sommer am Ende des Jahres dastehen?

Wenn kein Einbruch kommt, haben wir definitiv am Jahresende ein Plus. Da wir uns aktuell auf Zwieback konzentrieren und andere Produktionsbereiche ein wenig darunter leiden, werden wir netto insgesamt aber sicherlich keinen Zuwachs von 30 Prozent haben wie aktuell beim Zwieback.

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