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Herstellerporträt

„Abfall“ ist bei der Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei ein Fremdwort

Seit über 80 Jahren ist die schwäbische Kelterei Bauern und Händlern ein verlässlicher Partner. Neben einem soliden Sortiment für den Fachhandel setzt das Unternehmen vor allem auf nachhaltige Herstellungsstrategien.

Was er heute beruflich machen würde, wenn er nicht Geschäftsführer der Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei wäre? Diese Frage hat sich Thomas Maier offensichtlich noch nie gestellt. „Da müsste ich erst einmal nachdenken“, sagt der 61-Jährige und lächelt beinahe entschuldigend.

An Alternativen hat es bestimmt nicht gemangelt. Doch wenn Maier von dem über 80 Jahre alten Familienunternehmen spricht, das er zusammen mit seinem Bruder führt, wird schnell klar, dass er beruflich genau da ist, wo er sein möchte. Das gilt auch für die Region, in der das Unternehmen seine Heimat hat und mit der es eng verwurzelt ist: Die Fruchtsaftkelterei liegt im schwäbischen Remstal, einem Wein- und Obstbaugebiet mit sanften Hügeln, Weinbergen und Streuobstwiesen.

Jedes Jahr im Herbst sieht man auf den Straßen viele Trecker mit Anhängern voll geernteter Früchte. Ein großer Teil von ihnen ist auf dem Weg zu Beutelsbacher, denn die Kelterei hat rund 200 Remstäler Apfelbauern unter Vertrag. Zwar zahle man vor allem in schlechten Obstjahren einen höheren Preis, wenn man sich vertraglich binde. „Uns ist es aber wichtig, den Bauern Sicherheit zu bieten“, so der Beutelsbacher-Chef.

Uns ist es wichtig, den Bauern Sicherheit zu bieten.

Thomas Maier Geschäftsführer Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei

Das Unternehmen berät und unterstützt Landwirte bei der Umstellung auf Bio. „Rund 50 Prozent der Bauern des Remstals konnten wir schon von den Vorteilen der ökologischen Landwirtschaft überzeugen“, erzählt Maier. Zu einem kleinen Teil arbeite man auch als Lohnmosterei, wenn konventionelle Äpfel von Streuobstwiesen angeliefert werden. „Da es inzwischen nur noch sehr wenige Keltereien gibt, sehen wir uns auch hier in der Verantwortung für die Region.“

Frische Produktion fast ohne Abfall

Aus erntefrischem Obst und Gemüse Direktsäfte herzustellen, das ist die Spezialität von Beutelsbacher. Daneben haben die Remstäler eine Vielzahl an Mehrfruchtsäften, Cocktails, Schorlen und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke im Sortiment. Essige, Dicksäfte und Fruchtmark runden das Angebot ab.

„Abfall“ ist bei dem schwäbischen Familienunternehmen quasi ein Fremdwort. So werden etwa die Fruchtreste, die beim Saftpressen entstehen, gesammelt. Landwirte können sie später als Futterbestandteil oder zur Bodenverbesserung einsetzten. Auch das Abwasser sammelt Beutelsbacher in großen Edelstahltanks vor dem Keltereigebäude. Da es leicht zucker- und säurehaltig ist, sind die örtlichen Wasserwerke dankbare Abnehmer. „Vor allem an Montagen, wenn viel gewaschen wird und das Abwasser recht basisch ist, wird es mit unseren säuerlichen Wasserresten ausgeglichen“, erklärt Thomas Maier.

Neben einer möglichst schonenden Verarbeitung der Früchte legt man besonderen Augenmerk auf die Abfüllung in die Flaschen, damit die Aromen nicht verloren gehen. Durch Pasteurisieren wird der Saft ohne Konservierungsstoffe haltbar gemacht.

Mehrweg von Anfang an

Nicht „to go“ heißt bei Beutelsbacher deshalb die Devise, sondern „bring back“. Bundesweit hat das Unternehmen eine der höchsten Mehrweg-Quoten, erzählt Maier. Auch die Verschlüsse und Etiketten recyceln die Remstäler. Selbst die Lauge, mit der die Flaschen gewaschen und die Etiketten abgelöst werden, bereitet man auf und verwendet sie mehrfach wieder.

Sind die Flaschen abgefüllt und mit Etiketten versehen, werden sie in Kästen auf Paletten gepackt und dann im voll automatischen Hochregallager verstaut. In dem 32 Meter hohen und 70 Meter langen Lager haben circa 4.500 Paletten Platz, in der Summe etwa zwei Millionen Flaschen.

Während ein Großteil von ihnen hierzulande oder im europäischen Ausland ihre Kunden findet, hat ein kleiner Teil einen weiten Weg vor sich. Hongkong steht etwa auf einem Karton. „Es gibt dort seit Mitte der 90er Jahre einen Naturkost-Filialisten, den wir regelmäßig beliefern“, erzählt Maier.

Dass es ihre Säfte einmal in die große weite Welt schaffen würden, hätten sich Maiers Großvater Christian und dessen Bruder Wilhelm sicher nicht träumen lassen, als sie 1936 eine Fruchtsaftkelterei gründeten. Dem ursprünglichen Unternehmenssitz, Beutelsbach, verdankt sie ihren Namen. Bald schon stieg Christians Sohn Helmut ins Unternehmen mit ein, der es später übernahm und schon 1951 damit begann, Fruchtsäfte aus biologisch-dynamischem Anbau zu produzieren.

Wie zu Anfang der Unternehmensgeschichte wird das Unternehmen seit Anfang der 90er Jahre von zwei Maier-Brüdern geführt. Beide haben einschlägige Ausbildungen und ergänzen sich perfekt: Während Thomas auf seine Berufsausbildung zum Fruchtsafttechniker ein Studium der technisch orientierten Betriebswirtschaft aufsattelte, bringt Matthias eine landwirtschaftliche Ausbildung und ein Studium der Lebensmitteltechnologie mit in das Unternehmen ein.

Mehr Umsatz dank Standortwechsel und Zwei-Marken-Strategie

Das Tandem hat Erfolg. Und so ist es kein Wunder, dass die ursprüngliche Betriebsstätte bald zu klein wird. 2000 zieht das Unternehmen deshalb ins benachbarte Weinstadt, „eine organisatorische Mammutaufgabe“, erinnert sich Thomas Maier, der für Vertrieb und Marketing zuständig ist, während Bruder Matthias die Bereiche Qualitätssicherung und Einkauf verantwortet.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Der neue Standort bietet mehr Platz und das im Weinstädter Industriegebiet gelegene Areal hat auch eine gute Verkehrsanbindung. Der Umzug hat sich auch finanziell gelohnt. „Seitdem konnten wir unseren Umsatz alle 10 Jahre verdoppeln“, sagt Thomas Maier.

Zum Erfolg beigetragen hat sicher auch die Zwei-Marken-Strategie, die das Unternehmen konsequent verfolgt. Seit 1994 bieten die Remstäler neben der Marke Beutelsbacher auch rund 50 verschiedene Säfte und Cocktails unter der Marke Eos an. Während diese auch im konventionellen LEH zu haben ist, sind die circa 100 Beutelsbacher-Produkte dem Fachhandel und einzelnen Tegut-Märkten vorbehalten. „Unsere Zwei-Marken-Strategie bedeutet für uns zwar mehr Aufwand, weil wir von den Etiketten bis zum Marketing und Vertrieb vieles doppelt machen müssen“, so Maier. „Aber wir wollen Beutelsbacher dem Fachhandel vorbehalten.“

Andere Wege als Demeter

Das gilt nicht zuletzt für die Demeter-Produkte, die heute rund 55 Prozent des Beutelsbacher-Sortiments ausmachen. Zwar kann Maier, der bis vor drei Jahren selbst langjähriger Vorstand und später Aufsichtsratsmitglied des Verbandes war, nachvollziehen, wieso sich Demeter dem konventionellen LEH geöffnet hat. Er selbst hätte es aber anders gemacht „und wir als Firma gehen auch einen anderen Weg“. Sprich: Die Beutelsbacher-Demeter-Produkte wird es auch künftig nur im Biofach- und Reformhandel geben.

„Demeter-Produkte brauchen Beratung“, ist Thomas Maier überzeugt. Das gilt nicht zuletzt für die Gemüsesäfte, die Beutelsbacher allesamt aus samenfestem Saatgut herstellt – ein Alleinstellungsmerkmal. Wie beim Obst stammt auch das Gros des Gemüses von Bauern, mit denen das Unternehmen eine jahrzehntelange Partnerschaft verbindet – und denen es so hilft, ihre Unabhängigkeit vor der Saatgutindustrie zu sichern.

Innovative Sortimentsentwicklung

Beutelsbacher ist Erzeugern wie Händlern also einerseits ein verlässlicher, solider Partner. Das bedeutet aber nicht, dass die Remstäler nicht auch immer wieder für eine Innovation gut wären. Ganz im Gegenteil: Oft waren sie die ersten, die ein Produkt auf den Markt brachten. So hatte das schwäbische Familienunternehmen etwa Ingwer-Produkte schon im Programm, lange bevor die Knolle in war, beim Demeter-Orangensaft war die Fruchtsaftkelterei ebenso die erste wie beim Kinder- und beim Apfel-Mango-Saft.

Letzteren hat Thomas Maier übrigens selbst kreiert und er ist nach wie vor sein Lieblingssaft. Wie die Orangen und Zitronen werden die Mangos und andere Südfrüchte in den Ernteländern gepresst und zur Weiterverarbeitung angeliefert. Das gilt auch für die Gemüsesorten, die in der Nähe der jeweiligen Bauern bei einem darauf spezialisierten Bio-Betrieb gepresst werden. „In einer arbeitsteiligen Gesellschaft macht es Sinn, dass jeder Produzent den Verarbeitungsschritt übernimmt, den er am besten kann“, ist Maier überzeugt.

Nachfolge ist gesichert

Sein Unternehmen ist dennoch mehr als ausgelastet: In der Keltersaison werden hier je bis zu zehn Tonnen Äpfel, Birnen oder Quitten pro Stunde gepresst. So erstaunt es nicht, dass die Maiers gerade dabei sind, die Erweiterung ihres Betriebs zu planen. Und auch was die Unternehmensführung angeht, ist der Blick in die Zukunft gerichtet: Mit zwei Söhnen von Thomas und Matthias Maier hat die vierte Generation bereits signalisiert, dass sie sich gut vorstellen kann, nach ihrem Studium Verantwortung im Unternehmen und für die Region zu übernehmen.

Drei Fragen an Thomas Maier

Blick in die Glaskugel: Wo steht Ihr Unternehmen in 10 Jahren?

Unser Unternehmen hat dann eine neue Geschäftsführung, wobei mein Bruder und ich sicher noch mitentscheiden.

Wo sehen Sie die Hauptherausforderungen für Ihr Unternehmen?

Neben der Digitalisierung sicherlich der Wandel im Markt. Als Familienbetrieb im Mainstream-Bio zu bestehen, wenn große Unternehmen mit entsprechenden Marketingbudgets in die Bio-Produktion einsteigen, ist eine große Herausforderung.

Welchen Stellenwert hat der Naturkost-Fachhandel für Sie?

Mit Beutelsbacher steht bei uns die Fachhandelsorientierung an erster Stelle. Ihm fühlen wir uns besonders verbunden. Mit der Marke Eos beliefern wir auch den allgemeinen Markt.

Zahlen – Daten – Fakten

  • 1936: gegründet von Christian und Wilhelm Maier
  • Standort: Weinstadt
  • Umsatz 2019: 20 Millionen (Beutelsbacher und Eos)
  • Mitarbeiter: ca. 80
  • Sortiment: Obst- und Gemüsesäfte, Erfrischungsgetränke, Essige
  • Marken: Beutelsbacher, Eos, Isis
  • Produkte: ca. 150
  • Exportanteil: ca. 15 Prozent
  • Geschäftsführung: Thomas und Matthias Maier
  • Website: www.beutelsbacher.de, www.eos-bio.de

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