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„Ährensache“

Wegen Kündigung: Berliner Bioladen kämpft ums Überleben

Anfang Januar wird dem Berliner Bioladen „Ährensache“ gekündigt. Von einem Tag auf den anderen. Wie eine Petition die Kiez-Institution retten soll und was das Gewerbe-Mietrecht damit zu tun hat.

„Ich war schockiert und ausgeknockt!“ Wenn Ute Quintilius vom 5. Januar 2022 erzählt, merkt man, wie sie die Geschichte mitnimmt. An jenem Mittwoch kurz nach dem Jahreswechsel bringt ein Bote die Schock-Nachricht in Quintilius kleinen Bio-Laden „Ährensache“ in Berlin-Schöneberg. Die Kündigung zu Ende März. „Ohne Begründung. Ein Einzeiler. Fertig aus.“

Der Vermieter wohnt in Sydney, ein Privatmann. Vertreten wird er von einer Berliner Hausverwaltung. Als Quintilius über eine Anwältin nach den Gründen für die Kündigung fragt, ob man z.B. noch über eine neue Miete verhandeln könne, kommt nur die Antwort „kein Spielraum“.

Seitdem steht der Kiez-Laden vor dem Aus. Und damit 25 Jahre Bio-Tradition, aufgebaut von Ute Quintiulius und ihrem Mann. „Wir sind damals son bisschen reingestolpert. Gutes Essen hatte immer schon eine große Bedeutung in meiner Familie, meine Großeltern waren Landwirte. Meine Mutter backt mit 90 ihr Brot immer noch selbst.“ Nachdem die studierte Biologin keine Lust mehr hatte, sich von einem Projekt-Job zum nächsten zu hangeln, entsteht „diese Laden-Idee“. Es ergibt sich die Chance und ihr Mann Richard Schuler steigt mit ein. Tochter Moll und ihre Freundinnen und Freunde wachsen mit dem Geschäft als zweites Zuhause auf.

Helle Holzregale, eine frische Gemüse-Ecke, die Käsetheke, jeden Morgen frisches Brot und der kühle Getränke-Keller schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Getragen wird „Ährensache“ von einer Einkaufsgemeinschaft. Rund 300 zahlende Mitglieder sorgen für eine stabile Geschäftsbasis und profitieren im Gegenzug von günstigeren Preisen. Auch bei ihnen sitzt der Schock tief.

„Das ist eine Katastrophe“, findet Rolf, der seit über zehn Jahren im Kiez wohnt. „Es ist ja einer der wenigen Läden, die zu keiner Kette gehören. Hier um die Ecke hat es auch einen Buchladen getroffen – der steht immer noch leer.“

Malika Khalid ist „einfach nur traurig“. Sie kommt häufig in den Laden, weil sie die Auswahl und die Qualität schätzt. „Das ist hier viel netter als im Supermarkt. Davon lebt ja so ein Kiez auch.“ Jonas, der die Lastenfahrräder vor dem Geschäft betreut, stört vor allem die Art und Weise der Kommunikation mit dem Vermieter „das ist so entmenschlicht“.

Wie groß die Empörung, aber auch die Unterstützung ist, zeigt der Erfolg einer Online-Petition mit dem Namen „Rettet die Berliner Kiezläden“ – ins Leben gerufen von einer treuen „Ährensache“-Kundin. Bisher haben über 4.000 Menschen unterschrieben. „Das ist Wahnsinn, damit haben wir nie gerechnet“, sagt Ute Quintilius. Die digitale Unterschriften-Liste soll auch den Druck auf den Vermieter erhöhen. „Wir haben die Petition auch zu ihm nach Australien geschickt. Damit er ein Gefühl bekommt, was Kiez-Leben bedeutet.“

Renate Künast hat sich eingeschaltet

Außerdem soll so die Politik drauf aufmerksam gemacht werden. Mit Erfolg: Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann und Grünen-Urgestein Renate Künast unterstützen Quintilius und haben ihrerseits einen Brief an den Vermieter geschickt.

Ein Problem ist der geringe Schutz bei Gewerbemieten. Denn: auch wenn ein Laden so lange im Kiez verwurzelt ist wie „Ährensache“, kann er innerhalb von einem halben Jahr gekündigt werden. Ohne speziellen Grund. „Deshalb muss das Gewerbe-Mietrecht dringend geändert werden“, findet Ute Quintilius. „Um die kleinen Läden zu schützen.“

Wie geht’s nun weiter in Schöneberg? „Die große Hoffnung ist, dass wir bleiben können. Aber wir schauen uns auch nach Alternativen um, was allerdings echt schwierig ist hier im Kiez.“ Denn: Gewerbe-Immobilien in Schöneberg sind rar gesät – oder extrem teuer.

Fest steht für Quintilius, dass der Termin Ende März nicht rechtmäßig ist. „Wir pochen auf die gesetzliche Sechsmonats-Frist, das wäre dann Ende Juni. Das haben wir auch nochmal in einem Brief formuliert.“

Eine Antwort darauf gibt es bislang nicht.

Zahlen – Daten – Fakten

Inhaber: Ute Quintilius / Richard Schuler

Adresse: Apostel-Paulus-Straße 40, Berlin

Öffnungszeiten: Mo-Fr 7:30-19 Uhr / Sa 7:30 - 13:30

Eröffnung: 1997

Verkaufsfläche: 120qm

Mitarbeiter: 2

Produktzahl: ca. 4.000

Großhändler: Terra Naturkost + viele Bauern aus dem Umland

Webseite: aehrensache-berlin.de

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