Die Inflation hat zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung im Naturkosteinzelhandel geführt. Ladenschließungen aufgrund starker Umsatzverluste sind die Folge. Jüngstes Beispiel ist Biomammut: Drei der fünf Läden müssen schließen, zwei werden vom Großhändler Bodan übernommen. Was ein Novum für das Unternehmen aus Überlingen am Bodensee ist, gehört für Großhändler Kornkraft Naturkost im norddeutschen Großenkneten bereits seit Jahren zum laufenden Geschäft: Die Übernahme von Bioläden, um die Einzelhandelsstruktur zu erhalten. Im Interview mit BioHandel erklärt Kornkraft-Geschäftsführerin Sabine Möller-Schritt, warum es auch für regionale Großhändler sinnvoll sein kann, Läden zu übernehmen, um sie durch die Krise zu bringen.
Sabine Möller-Schritt, welche Erfahrung hat Kornkraft mit der Übernahme von Läden gemacht?
Eigentlich sehr gute. Es ging für uns immer darum, Standorte für Bio zu erhalten, gerade in kleineren Orten.
War es möglich, die Läden wirtschaftlich erfolgreich zu führen und zu entwickeln?
Ja, das ist uns bisher gut gelungen, wir sind aber in fast allen Fällen auf größere Flächen umgezogen.
Aktuell betreibt Kornkraft fünf Läden. Könnten weitere Geschäfte dazukommen, die in der derzeitigen Krise (Krieg/Inflation) wegen gesunkener Umsätze ans Aufgeben denken?
Ich denke, dass das weiterhin eine Möglichkeit ist, die Fachhandelsstruktur zu unterstützen. Gerade jetzt ist es ja wichtig, den Bio-Fachhandel zu stärken und gut durch die Krise zu kommen. Da können wir als Großhandel auch vorher gut auf andere Weise unterstützen.
„Jeder weiß, dass es nicht einfach ist, in Orten um die 5.000 bis 10.000 Einwohner einen gut gehenden Bioladen zu etablieren.“
Sichert Kornkraft mit dem Kauf von Läden auch die eigene Existenz? Hilfe zur Selbsthilfe, sozusagen?
Das spielt für uns keine Rolle. Jeder weiß, dass es nicht einfach ist, in Orten um die 5.000 bis 10.000 Einwohner einen gut gehenden Bioladen zu etablieren. Uns helfen unsere eigenen Läden allerdings dabei, sehr nah an den Bedürfnissen und Herausforderungen des Einzelhandels zu agieren und es stärkt unsere Beratungsfähigkeit.
Werden abgewanderte Fachhandelskunden nach der Krise wieder in die Bioläden zurückkehren?
Ja unbedingt, die politischen Zielsetzungen mit 30 Prozent Bio bis 2030 wird einen relevanten und merkbaren Schub für die Bio-Nachfrage geben. Wir sind uns doch einig, dass wir auf dem Weg zu einer kompletten Umstellung der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft sind. Wenn sich die Themen Inflation und Krieg wieder abschwächen, wird es natürlich wieder um Themen wie Plastikvermeidung, CO2 einsparen und Artenvielfalt gehen – und dafür benötigen wir den Bio-Anbau und regionale Vermarktung. Auch eine kleinteilige Ladenstruktur wird eine Zukunft haben.
Was kann die Branche tun, um Kunden zurückzugewinnen?
Da gibt es natürlich viele Ansatzpunkte. Wir sehen es als eine zentrale Aufgabe von uns, dem Fachhandel gute und wettbewerbsfähige Preise zu bieten – durch gemeinsamen Einkauf der regionalen Großhändler und die Preiseinstiegsmarke Green. Darüber hinaus haben wir als Großhandel gerade ein Zwölf-Schritte-Programm zur Unterstützung des Facheinzelhandels aufgelegt.
„Es geht auch darum, starke Forderungen an die Politik zu richten.“
Was beinhaltet dieses Programm im Wesentlichen?
Dieses Programm umfasst eigentlich alle Punkte, die den Erfolg eines Ladens ausmachen können. Schritt 1 unserer Folge hat sich mit konkreten Tipps rund ums Energiesparen beschäftigt, Schritt 2 befasst sich mit dem Thema erfolgreiche Ladengestaltung und Präsentation. Diese Serie wird jetzt über das Jahr weitergeführt und beinhaltet auch konkrete Unterstützung vor Ort.
Auch unser Seminarprogramm bietet im ersten Halbjahr zwei Schwerpunkte, die in diesem Jahr zur Zukunftssicherung des Bio-Ladens beitragen können. Ein Schwerpunkt mit jeweils vier aufeinanderfolgenden Seminaren beschäftigt sich mit Controlling, Preisfindung und Wirtschaftlichkeit. Ein zweiter mit den Themen aktiv verkaufen, Kundenbindung und Personalführung.
Welche Maßnahmen gibt es darüber hinaus?
Es geht auch darum, starke Forderungen an die Politik zu richten. Wir fordern auf allen Ebenen: Null Prozent Mehrwertsteuer für alle Bio-Produkte! Förderung des Bio-Verbrauchs in allen staatlichen Einflussbereichen! Stärkung des Bio-Fachhandels mit Verkaufsunterstützung und Projekten! Und Investitionshilfen für selbstständige Fachhändler*innen sowie Überbrückungshilfen bei finanziellen Engpässen.
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