Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Messe-Rückblick

Biofach und Vivaness 2023: Alles wie früher?

Es war die erste reguläre Messe nach Corona und überall herrschte Wiedersehensfreude, die Veranstaltungen waren sehr gut besucht. Auch wenn die Anzahl von Ausstellenden und Besuchenden zeigt: Noch ist nicht alles wieder so wie vor der Pandemie.

Auf den ersten Blick schien es, als wäre nichts gewesen: Kaum jemand trug eine Maske, viele umarmten sich zur Begrüßung, es wurde geredet, probiert und gelacht. Also alles wieder wie früher auf der ersten regulären Biofach nach der Pandemie?

Auf den zweiten Blick fiel auf, dass sich doch etwas verändert hatte. Die Gänge waren breiter – so wie schon bei der Sommer-Messe im vergangenen Jahr. Einige der großen Hersteller fehlten, wie etwa Allos und Rapunzel, oder hatten, wie Sonnentor, ihre Stände erheblich verkleinert. „Das sieht aus, wie bei 90 Grad gewaschen“, beschrieb es eine Besucherin. Die offiziellen Zahlen bestätigen denn auch den subjektiven Eindruck: Mit 2.765 Ausstellern waren diesmal rund 1.000 Hersteller weniger vertreten als 2020, der letzten Messe vor dem Ausbruch der Pandemie.

Die Gründe dafür waren unterschiedlich, für viele war aber die wirtschaftliche Situation ausschlaggebend. Denn fast die gesamte Branche hat mit enorm gestiegenen Kosten zu kämpfen, die nicht eins zu eins an die Kunden weitergegeben werden können. Und die Präsenz auf der Biofach ist nun mal mit einem hohen
finanziellen Aufwand verbunden – zumal die Kosten für Logistik und Transport ordentlich angezogen haben. Und bei dünner Personaldecke ist eine knappe Woche Messe zusätzlich eine Herausforderung.

Natürlich war die derzeitige Krise überall ein Thema, nicht zuletzt bei der Vorstellung der aktuellsten Branchenzahlen. Dennoch herrschte auf der Messe eine sehr gute Stimmung und oft war zu hören, dass man gerade in Zeiten wie diesen endlich zusammenhalten müsse.

Biofach 2023 in Zahlen

Besuchende: 36.000 aus 135 Ländern
(2022: 14.000; 2020: 47.000)

Ausstellende: 2.765 aus 95 Ländern
(2022: 2.276; 2020: 3.792)

Gut besuchte Veranstaltungen

Vorträge und Diskussionsrunden zu unterschiedlichsten Themen sorgten für eine lebendige Messe mitviel inhaltlichem Austausch. Hier einige Highlights:

Das Marktgespräch der BioHandel Akademie fand zum ersten Mal im Rahmen der Biofach – und nach längerem erstmals auch wieder in Präsenz – statt. Dass das Thema „30 Prozent Bio im Handel bis 2030 – aber wie?“ viele umtreibt, zeigte die große Resonanz an Besuchern. Auf dem Podium gingen die Vorsitzenden der drei großen Anbauverbände Jan Plagge (Bioland), Alexander Gerber (Demeter) und Steffen Reese (Naturland) der Frage nach, wie die gesellschaftspolitische Forderung nach 30 Prozent Bio im Handel bis 2030 erreicht werden kann.

Anschließend präsentierte Frank Quiring vom Rheingold Forschungsinstitut die Ergebnisse einer Befragung von Bio-Kunden im LEH und im Fachhandel. Denn neben den Angeboten des Handels und den unterstützenden Maßnahmen der Anbauverbände ist das Wissen um die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden beim Bio-Einkauf von zentraler Bedeutung. Eine Zusammenfassung der Veranstaltung steht als Podcast auf
biohandel.de bereit.

Kampagne für Fachhandel bekommt Verstärkung

Die Werte-Kampagne „Der Sinn der Sache“, die 2018 von der Spielberger Mühle entwickelt wurde, hat Verstärkung bekommen: Anlässlich der Biofach gaben die Geschäftsführenden der drei Bio-Pioniere Judith Moog (Bio Planète), Friedemann Vogt (Molkereigenossenschaft Hohenlohe) und Volkmar Spielberger (Spielberger Mühle) ihre Zusammenarbeit bekannt. Mit „Der Sinn der Sache“ möchten sie dem Fachhandel eine Alternative zu Preisaktionen bieten. „Weg vom Preismarketing, hin zum Inhaltsmarketing“, beschrieb Volkmar Spielberger das Konzept.

Rund 420 Läden in Deutschland, Österreich und Südtirol beteiligen sich laut Spielberger bereits an der Kampagne. Profitieren sollen Hersteller und Händler gleichermaßen. So lohne es sich für den Fachhandel, auch weiterhin auf Herstellermarken zu setzen. Hierfür machte Spielberger folgende Rechnung auf: Mit einem Kilogramm Dinkelmehl der Spielberger Mühle verdiene der Händler 88 Cent – mit der gleichen Menge einer Handelsmarke nur 14 bis 18 Cent. Wie schlagkräftig die „Der Sinn der Sache“-Kampagne ist, zeigte sich im vergangenen Jahr: Bei einer Spendenaktion konnten bis Dezember rund 60.000 Euro für Bio-Höfe in der Ukraine gesammelt werden.

Wie ticken die Fachkräfte von morgen?

Einem Thema, dass viele Unternehmen derzeit umtreibt, widmete sich die Veranstaltung zur Generation Z: Mitarbeitende zu finden und zu halten – das ist eine der großen Herausforderungen, vor denen viele Bio-Unternehmen derzeit stehen. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie die jungen, nachfolgenden Generationen „ticken“. Allen voran die Generation Z, also die jungen Menschen, die je nach Definition, zwischen Mitte der 1990er- und den 2010er-Jahren geboren wurden, und von denen viele jetzt einen Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsplatz suchen.

Laut Michaela Rosenberger, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Kugler und Rosenberger, steht diese Generation den Pionieren der Bio-Branche näher als die Generationen vor ihr. Die Zukunft unseres Planeten etwa, der Klimaschutz und gesunde Ernährung seien ihnen überaus wichtig, sagte die Beraterin bei einem Vortrag auf der Messe in Nürnberg.

Darüber hinaus sind für die Generation Z laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC aber auch folgende Eigenschaften kennzeichnend: Technologie-affin und immer online, ungeduldig und fordernd. Das macht es Rosenberger zufolge nicht ganz einfach, sie in bestehende Abläufe zu integrieren.

So wünschten sich Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z gelebte Unternehmenswerte, Spaß bei der Arbeit und nette Kollegen. Großen Wert legen sie Michaela Rosenberger zufolge aber auch auf eine sichere, unbefristete Arbeitsstelle, eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatem und geregelte Arbeitszeiten.
Eine hohe Anspruchshaltung also, dem Unternehmensberaterin Rosenberger zufolge aber auch viel Positives gegenübersteht: So seien die „jungen Wilden“ kreativ, digital versiert, „hoch motiviert, wenn sie einen Sinn in der Tätigkeit sehen, und dem Unternehmen verbunden, bei dem sie Spaß haben“, so Rosenberger.

Naturkosmetik: Von Sexvergnügen bis Babypflege

Nach Jahren des Wachstums ging der Umsatz mit Naturkosmetik im Krisenjahr 2022 um 3,5 Prozent zurück. Viele Hersteller ließen sich davon aber nicht entmutigen: 222 von ihnen präsentierten sich auf der Vivaness in Nürnberg, nach dem Zusammenrücken im Sommer wieder in der eigenen Halle 3C. „Von den Pionieren und weiteren bekannten Marken, die im Sommer nicht dabei waren, sind einige zurückgekommen“, freute sich Barbara Böck, Marketingleiterin des Messeduos

BioFach/Vivaness. „Wobei unsere Messe ja generell von der Vielfalt lebt. Und für Vielfalt sorgen neben den bekannten Marken auch ganz stark die jungen Unternehmen und die Trends, die es auf der Vivaness zu entdecken gibt.“

So war denn auch der Neuheiten-Stand mit 80 Produkten wieder gut gefüllt. Die Jury der Vivaness machte folgende Beauty-Trends aus „Self Empowerment“ und „Natural Skinifaction“, „Less is More“ sowie „Baby & Kids“. Beim Erstgenannten geht es um Selbstfürsorge mit Produkten, die die Stimmung verbessern und der Gesundheit dienen, auch der sexuellen Befriedigung. Die französische Marke Goliate beispielsweise hat dazu ein zertifiziertes Intimgel entwickelt.

„Natural Skinifaction“ meint ganzheitliche Haarpflege, bei der auch die Kopfhaut mit einbezogen wird. Nährende Haarmasken etwa waren auf der Vivaness von Cultivator's (Indien), N&B Natural is Better (Italien) und Alvend (Frankreich) zu sehen. Mit SU Haircare und Withoutme UG gehören auch zwei deutsche Start-ups in diese Rubrik.

Der Trend zum Minimalismus, „Less in More“ betitel, verspricht, den täglichen Pflegeaufwand zu reduzieren, mit wenigen, unkomplizierten Produkten. Hier fiel die junge Marke Nakt aus Darmstadt ins Auge, mit nachhaltigen Abschminktüchern, die allein mit Wasser funktionieren, sowie mit fester Pflege. Seife und Deocreme aus wenigen Zutaten bietet Ich bin Pur aus Wien, dazu Seifenflocken zur Herstellung von Flüssigseife.

Sanfte und sichere Kosmetik schon für die Kleinsten ist ebenfalls in den Fokus gerückt. Jolu und Das Boep haben ihr entsprechendes Sortiment erweitert. Neu am Markt ist Naturalsophy aus Frankfurt mit Bio-Babycreme und Körperöl, die sich für Kind und Mutter empfehlen.

Unter „Unexpected Heroes“ schließlich fasste die Jury Produkte zusammen, die keinem größeren Trend zugeordnet werden können, deren Kreativität und Marktpotenzial sie jedoch überzeugten. Ein Beispiel dafür sind die Lip Flower-Lippenstifte von Bio Make-up aus Obst, Gemüse, Blüten und Kräutern, in Lebensmittelqualität.

Die Innovationskraft der jungen Marken ist es denn auch, die Trendforscherin Mirja Eckert (The New) optimistisch stimmt, dass „die Erfolgsstory der Naturkosmetik sicher weiter geht“. Dies und die Tatsache, dass das zweite Halbjahr 2022 schon wieder mehr Umsatz und Naturkosmetik-Kunden brachte, als
das erste.

Was wollen Bio-Konsumenten?

In Zeiten zurückhaltender Kaufbereitschaft stellt sich mehr denn je die Frage: Wer sind meine Kunden und was wollen sie? Eine Idee davon, wer wie viel im Bio-Laden einkauft und warum, lieferte eine Befragung von mehr als 7.500 Leserinnen und Lesern des Kundenmagazins Schrot&Korn, das wie der BioHandel im bio verlag erscheint. Knapp die Hälfte (43 Prozent) gab an, mehr als dreiviertel der Lebensmittel in Bio-Qualität zu kaufen. Immerhin jede vierte befragte Person gab an, 75 Prozent des Bio-Einkaufs im Fachhandel zu machen. Allerdings ist diese Tendenz rückläufig: 2018 waren es hier noch 33 Prozent. Das stärkste Argument für den Einkauf im Naturkostladen ist für 77 Prozent der Befragten, dass dort alle Produkte bio sind. Für 76 Prozent ist es die Qualität und 66 Prozent schätzen das Nachhaltigkeits-Engagement der Läden. Die gute Beratung ist hingegen nur für 25 Prozent ein Grund, im Bioladen einzukaufen.

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