Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Markt & Branche

AbL: Streit um Neuland-Fleisch bei Aldi

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), einer der drei Trägervereine bei Neuland, ist derzeit gespalten: Es geht um den Verkauf von Schweinefleisch mit Neuland-Siegel bei Discounter Aldi.
  • Ausgesuchte Aldi-Filialen haben Schweinefleisch mit dem Tierschutz-Logo von Neuland im Sortiment.
  • Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) als einer der drei Trägervereine von Neuland ist in dieser Frage gespalten.
  • Eine Hälfte des Bundesvorstands fürchtet einen Glaubwürdigkeitsverlust.
  • Die andere Hälfte betont die Chance für weitere Bauernhöfe, ihre Tiere artgerechter zu halten.
  • Einzelne fordern den Austritt der AbL bei Neuland.

Der Neuland-Verband verkauft seit Ende August testweise in einigen Filialen von Aldi Nord und Aldi Süd Schweinefleisch mit seinem Neuland-Siegel für besonders tiergerechte Haltung. Über diese Kooperation streitet sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), einer der drei Trägerverbände von Neuland. Die anderen beiden sind der Deutsche Tierschutzbund und der Umweltverband BUND.

Bisher gab es Neuland-Feisch vor allem in Metzgereien und wenigen Vollsortimentern. Der Verkauf unter der Aldi-Dachmarke Fair [&] Gut stelle keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zum bestehenden Kerngeschäft dar, argumentierte der Verein. Denn der Testlauf starte „ausschließlich in Regionen, in denen bisher keine, bzw. nur vereinzelt Neuland-Ware erhältlich war.“ Für einen Zeitraum von fünf Jahren zahle Aldi faire Preise an die beteiligten Neuland-Bauern. Geschlachtet und verarbeitet werden die Neuland-Schweine von Tönnies, Deutschlands größtem Schlachtkonzern.

Fair [&] Gut: Aldi kooperiert mit Neuland und Fairfarm

Aldi Nord und Aldi Süd bieten ab Ende August unter der Eigenmarke Fair [&] Gut Schweinefrischfleisch der Standardgeber Neuland und Fairfarm an.

Lesen Sie mehr

[nbsp]

[nbsp]

Partnerschaft mit Aldi führe zu Glaubwürdigkeitsverlust

Die Monatszeitung Unabhängige Bauernstimme berichtete im September von der Kooperation und den unterschiedlichen Reaktionen darauf. „Für die einen ist es der Pakt mit dem Teufel, für die anderen ein geradezu notwendiger Schritt, um das Versinken von Neuland in der Bedeutungslosigkeit zu verhindern“, stand in der Einleitung.

Eher als Pakt mit dem Teufel werten die Kooperation die Hälfte der acht Bundesvorstände der AbL sowie fünf Mitglieder von Landesvorständen. In einem Leserbrief an die Bauernstimme verwiesen sie auf die Leih- und Werksvertragsarbeit bei Tönnies, unerträgliche Arbeitsbedingungen, geringe Löhne und Verfahren wegen Verstößen gegen Mindestlohn und Sozialversicherung. Tönnies exportiere etwa die Hälfte des in Deutschland geschlachteten Fleisches und wolle selbst in Russland riesige Agrar-, Tierhaltungs- und Schlachtbetriebe errichten. Ein solcher Partner führe zu einem Glaubwürdigkeitsverlust, heißt es in dem Leserbrief, über den auch die taz berichtete.

[nbsp]

Neuland-Fleisch bei Aldi: Kooperation sorgt für Zoff https://t.co/tt4rgVD4Vp

— taz.de: Schlagzeilen (@taz_news) 8. Oktober 2018

Quelle: Twitter

Zwar loben die Kritiker den von Neuland mit Aldi ausgehandelten Fünfjahresvertrag, befürchten aber, dass die daraus resultierende Ausweitung der Produktionskapazitäten zu einer Abhängigkeit von Aldi und vergleichbaren Strukturen führen könnten. Neuland forciere mit dieser Kooperation den Strukturwandel in Handel und Verarbeitung, wie er sich „nicht zuletzt in der Biobranche seit Jahren beobachten“ lasse. Eigentümergeführte Bioläden „verschwinden, obwohl gerade sie für viele kleinere und mittlere bäuerliche Betriebe wichtiger Abnehmer“ seien.

Neuland-Programm müsse weiter verbeitet werden

Die Kritik an Aldi und Tönnies sei richtig, heißt es in einer vom AbL-Bundesvorstand einstimmig verabschiedeten Erklärung in der Bauernstimme. Man müsse aber auch das Neuland-Programm weiter verbreiten und mehr bäuerlichen Betrieben damit eine wirtschaftliche Perspektive eröffnen. Über viele Jahre sei das kaum relevant gewesen, weil es kaum landwirtschaftliche Betriebe gab, die sich für eine Umstellung auf Neuland interessiert haben“, sagte der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz der Bauernstimme: „In den letzten ein, zwei Jahren hat sich das aber geändert. Viele Schweinehalter merken, dass sie an ihrer Tierhaltung etwas ändern müssen angesichts der gesellschaftlichen Debatte.“

Update am 10.10.: Der AbL-Geschäftsführer wies darauf hin, dass die Erklärung nicht "von der anderen Hälfte des Bundesvorstandes" stamme, sondern einstimmig verabschiedet worden sei.

Hugo Gödde, langjähriger Geschäftsführer der Neuland-Vermarktungsgesellschaft, argumentierte in der Bauernstimme, dass ein Veränderungsprozess stattfinde und der LEH zu einer treibenden Kraft in Sachen Marktdifferenzierung werde, gesellschaftliche Anforderungen erfüllen wolle und dafür auch bereit sei, anders zu verhandeln und abzuschließen. „Aldi ist auf uns zugekommen, sie wollten die Pioniere artgerechter Tierhaltung“, sagte Gödde. Sie haben sie auch bekommen, da die Debatte in der AbL an den längst unterschriebenen Verträgen nichts mehr ändern wird.

„Neuland und die AbL drängen auf die
Ausweitung der eigenen Tierwohl-Nische,
in der Hoffnung auf mehr Absatz."

AbL-Mitglied Eckehard Niemann

Das niedersächsische AbL-Mitglied Eckehard Niemann forderte deshalb in seinem in der alternativen Agrarszene bekannten Newsletter Agrar-Hinweise, die AbL solle ihre Trägerschaft bei Neuland aufgeben. Er begründete das damit, dass Neuland – und die darin vertretenen AbL-Funktionäre – kein Interesse daran hätten, die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Schweinemast insgesamt zu verbessern. „Neuland und die AbL drängen auf die Ausweitung der eigenen Tierwohl-Nische, in der Hoffnung auf mehr Absatz (evt. bis zu 10-20% Marktanteil). Eine Politik für die anderen 80 bis 90 Prozent der deutschen Schweinehalter geschweige denn für die Schweinehalter in der EU ist offensichtlich kein Thema“, wetterte Niemann.

Kommentare

Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.

Auch interessant: