Mit ihren 40 Jahren ist die Kaiser Bio-Bäckerei ein Pionier der Branche – und überaus erfolgreich. Ein Gespräch[nbsp]mit Geschäftsführer Volker Schmidt-Sköries über Filialkonzepte, „gute Gründe“, die man als Ladner bieten muss und die Positionierung als sozial-ethische Marke.
bio-markt.info: Derzeit betreibt Kaiser 17 eigene Verkaufsstellen in Rhein-Main. Jede ist anders. Warum?
Schmidt-Sköries: Für uns hat jeder Laden eine eigene Identität. Sie setzt sich aus dem zusammen, was der Standort hergibt, aus der Architektur des Raumes und aus dem, was wir als Unternehmen mitbringen. Wir wollen, dass unsere Läden beseelte Räume sind, in denen sich die Kunden wohlfühlen. Einen Laden professionell einzurichten, ist die Grundvoraussetzung, das ist unternehmerisch banal. Die Aufgabe ist es, ihn liebevoll zu gestalten. Ganz zentral ist allerdings auch das Team, die Menschen, die darin arbeiten. Da möchten wir in Zukunft weiter daran arbeiten und ein anderes Konzept fahren.
bio-markt.info: In welche Richtung soll das gehen?
Schmidt-Sköries: Wir wollen mehr Kompetenzen und Verantwortung in die Hände der Laden-Teams geben, damit die Identifikation noch größer wird. Letztlich müssen wir eine Antwort auf die zentrale Frage haben, warum die Kunden in diesen Laden gehen sollen – und zum Beispiel nicht in den Biosupermarkt nebenan, der auch unsere Produkte führt. Welchen guten Grund gibt es dafür? Wie und worin unterscheiden wir uns? Was macht aus Sicht der Kunden den Unterschied aus? Wenn wir diese Fragen beantworten, kommen die Leute. Wenn wir an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigehen, funktioniert es nicht.
bio-markt.info:[nbsp]Welchen „guten Grund“ gibt Kaiser seinen Kunden, nicht bei einem anderen Bäcker einzukaufen?
Schmidt-Sköries: Die Kunden müssen begeistert sein. Gut sein allein reicht nicht. Der Unterschied muss erlebt werden und die Erwartungen der Kunden müssen deutlich übertroffen werden. Das gilt für die Produkte, aber ebenso für den Service: Wenn ein Kunde überdurchschnittlich aufmerksam, freundlich und kompetent beraten und bedient wird, redet er darüber. Und dazu braucht man Teams, die begeistert sind.
bio-markt.info:[nbsp]Kaiser geht es wirtschaftlich gut, Zuwächse zwischen sechs und acht Prozent sind in den vergangenen Jahren die Regel. Anders in den 90ern. Da stand das Unternehmen vor der Insolvenz. Wie kam es dazu?
Schmidt-Sköries: Wir hatten neu gebaut, mit entsprechenden Investitionen und waren sozusagen von der Hinterhofbackstube auf die grüne Wiese gezogen. Das war nicht ohne. Auch, weil wir nicht gleich so produktiv gearbeitet haben, wie wir uns das vorgestellt hatten. Zudem wollten wir mit einem Partner ein Franchise-Konzept aufbauen. Das ist nicht gelungen. Zu den unternehmerischen Fehlentscheidungen kam die „Geiz-ist-geil“-Mentalität außen. Plötzlich war es auch für Leute mit Bildung und für Besserverdienende schick, bei Aldi einzukaufen. Bio war nicht mehr so „in“.
bio-markt.info:[nbsp]Wie ist es Ihnen gelungen, die Krise zu überwinden bzw. das Ruder herumzureißen?
Schmidt-Sköries: Zum einen arbeite ich schon immer auch als Unternehmensberater und habe aus dieser Tätigkeit in den 90er Jahren einen Großteil der Verluste ausgeglichen. Dass es nicht zur Insolvenz gekommen ist, lag schließlich auch an äußeren Faktoren wie der BSE-Krise, die wieder mehr Kunden in die Läden brachte. Gleichzeitig haben wir aber auch den Blick aufs Unternehmen und die Unternehmensführung geändert. Gerade in Krisen ist die Fähigkeit wichtig, das eigene Selbstbild zu überprüfen und sich auf die veränderten Marktsituationen einzulassen. Man muss bereit sein, sich und seine Haltung zum Unternehmen zu verändern.
bio-markt.info:[nbsp]Haben Sie dafür Beispiele?
Schmidt-Sköries: In den wirtschaftlich schwierigen 90er Jahren hatten wir einen starken Blick auf die Zahlen, d.h., einen Schwerpunkt auf dem Controlling. Das war zu der Zeit auch richtig und wichtig. Allerdings schaut man dann auch mit diesem Kontroll-Blick in das Unternehmen und sieht eher die Risiken und Fehler als die Möglichkeiten und Chancen. Als wieder mehr Kunden kamen, verlagerten wir den Schwerpunkt von der Kontrolle stärker in Richtung Vertrauen. Das habe ich selbst konkret erfahren: Nachdem die Banken mir kein Geld mehr gegeben hatten, unterstützten mich Menschen, die sagten, wir vertrauen dir, wir glauben an dich. Hier hast du Geld. Diese Erfahrung haben wir ins Unternehmen gegeben: Nehmen wir die Retouren. Wen man schlechte Zahlen hat und abends viele Retouren, dann liegt es nahe, das Sortiment zu kürzen, denn darin stecken ja Rohstoffe, Arbeitszeit, Energie und so weiter. Zudem ist es ethisch nicht vertretbar, Lebensmittel wegzuwerfen. Wenn man aber als Bäcker das Warensortiment sehr stark kürzt und um sechs Uhr meistens schon ausverkauft ist, obwohl der Laden noch bis sieben geöffnet hat, dann kommen die Leute nicht mehr. Denn die Kunden gehen selbstverständlich davon aus, dass sie einen Großteil der Produkte noch bis zum Ladenschluss bekommen. D.h., man braucht eine bestimmte Muss-Retoure, um Verkaufsbereitschaft zu signalisieren. Das ist ein wesentlicher Punkt für den Erfolg einer Bäckerei. Es reicht also nicht, allein auf die Zahlen zu schauen, auf die Kosten. Das muss man ausbalancieren: Denn wenn die Kunden ein, zweimal abends in die Bäckerei kommen und sie finden ihr Produkt nicht mehr vor, kommen sie nicht wieder.
bio-markt.info:[nbsp]Vorbestellen wäre eine Alternative …
Schmidt-Sköries: Ja, aber das machen die Kunden nicht. Convenience, im Sinne von Bequemlichkeit, ist auch für Bio-Kunden enorm wichtig. Das sieht man z.B. auch an der spärlichen Nachfrage nach Kaffeebechern zum Mitnehmen und Wiederbefüllen, die wir zum Einkaufspreis an die Kunden weitergeben. Es ist halt doch ein kleiner Extra-Aufwand, ihn zu waschen und mitzubringen. Den scheuen viele. Bequemlichkeit ist ein Hauptmotiv beim Einkaufen – auch bei Biokunden. Wir haben vor 25 Jahren eine Verbraucherbefragung gemacht und da war das Hauptargument für den Einkauf bei Kaiser: Liegt der auf dem Weg? Das hat natürlich Auswirkungen auf die Standortwahl: Wir sind da, wo die Leute einkaufen und wollen möglichst überall erreichbar sein.
bio-markt.info:[nbsp]Ihr Unternehmen will sich künftig stärker als sozial-ethische Marke positionieren. Was bedeutet das?
Schmidt-Sköries: Die neue Positionierung hat mehrere Aspekte. So wollen wir es künftig z.B. neben den Mitarbeitern auch unseren Partnern aus der Wertschöpfungskette von den Bauern über die Müller bis hin zu den Kunden ermöglichen, sich am Unternehmen zu beteiligen. Zudem vernetzen wir uns international mit Bäckereinen, um der wirtschaftlichen Globalisierung eine Globalisierung der Ideen und Werte entgegenzusetzen. So entwickeln wir zum Beispiel Rezepte international, oder stellen Produkte aus anderen Ländern vor und erzählen Geschichten dazu. Und künftig sollen unsere Mitarbeiter gegenseitig im Ausland Praktika machen können – auch, um den Bäckerberuf attraktiver zu gestalten.
bio-markt.info:[nbsp]Hat das Bäckerhandwerk Zukunft?
Schmidt-Sköries: In der Tat beschäftigen wir uns derzeit mit der Frage, wie im Rahmen der Digitalisierung der Bäckerberuf von morgen aussieht. Denn auf der einen Seite müssen die Waren in bestimmten Größenordnungen hergestellt werden. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, was es braucht, damit die Fertigung noch Handwerk ist. Letztlich geht es um die Frage der „Back-Ethik“. Hier sind wir gerade dabei, das für uns zu definieren.
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