Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Kundenbindung

Mit Bonusprogrammen bei der Kundschaft punkten

Rabattsysteme und Kundenkarten sind in Deutschland sehr beliebt. Doch funktionieren diese Programme auch im Fachhandel? Es kommt darauf an – wie die Nachfrage bei verschiedenen Bio-Händlern zeigt.

Immer mehr Händler nutzen Bonusprogramme, um ihre Kunden länger an sich und ihr Geschäft zu binden. Das kann sich für beide Seiten lohnen. Diesbezüglich tickt der Naturkostfachhandel jedoch etwas anders. Neben Schnäppchen und höheren Umsätzen geht es hier häufig – auf Kunden- und Händlerseite – auch darum, einen Mehrwert zu schaffen.

„Gewinnchance 100 %“ heißt es in der Einführungskampagne der Lidl-Plus-App, bei der das Discountunternehmen keinen relevanten Werbekanal auslässt. Mit dem neuen App-basierten Kundenbindungsprogramm will Lidl die Konsumenten stärker an die Marke binden und den Dialog mit den Kunden auf eine neue Ebene bringen. Neben exklusiven Preisvorteilen bietet die App unter anderem Rabattsammler sowie digitale Kassenbons, Rubbellose und Prospekte.

Der Start scheint erfolgreich zu sein – bereits in den ersten Wochen haben laut dem Wirtschaftsmagazin Horizont mehr als eine halbe Million Kunden das Programm auf ihr Handy geladen. Die App sei Lidls wichtigstes Marketingprojekt des Jahres – denn die Argumente gegenüber den Kunden werden immer austauschbarer. Das ist nicht nur bei den Discountern der Fall.

Auch Bio-Kunden mögen Schnäppchen

Ein Bonusprogramm, das exklusive Angebote und Schnäppchen verspricht, könnte zum entscheidenden Argument für die Verbraucher werden und das auch nach den Pandemiezeiten. Gilt das auch für die Bio-Branche? „Ja!“, ist Unternehmensberater Klaus Braun überzeugt.

„Bonusprogramme funktionieren auch im Fachhandel und zwar aus einem ganz banalen Grund – sie befriedigen unsere Urinstinkte als Jäger und Sammler. Ein Schnäppchen nimmt man auch als Bio-Kunde gerne mit“, schmunzelt er. Es gäbe hier ebenfalls überzeugte Verweigerer, sowohl bei den Händlern als auch bei den Kunden, aber diese seien nicht ausschlaggebend. „Wenn man darüber hinaus auch noch das Gefühl hat, was Gutes zu tun, umso besser.“

Wie sehen das die Händler? Auf Anfrage zum Thema Kundenbindungsprogramme wollten LPG Biomarkt, Basic und Vollcorner Bio keine Angaben machen. Spiegelt diese Ablehnung die ganze Bio-Branche wider? Sieht man um sich herum eher Konkurrenten statt Mitbewerber und Kooperationspartner? Zum Glück nicht.

Alnatura zufrieden mit Payback-System

Alnatura berichtet über die Erfahrungen mit dem Payback-Programm, für das sich das Unternehmen bereits 2012 entschieden hat. Man sei mit der Entwicklung sehr zufrieden. Eingeführt wurde es auf Wunsch der Kundinnen und Kunden und es würde durchaus zur Kundenbindung beitragen, bestätigt Constanze Klengel aus der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „Mit Payback haben wir außerdem die Möglichkeit, mehr Menschen für Bio-Lebensmittel zu interessieren, auch diejenigen, die bisher weniger Wert auf nachhaltig erzeugte Produkte gelegt haben.“

Mittlerweile feiert Payback sein 20-jähriges Bestehen und ist in elf Ländern weltweit präsent. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Loyalty Partner GmbH, diese wiederum ist Teil der American Express-Gruppe. Allein in Deutschland nutzen mehr als 31 Millionen Kunden das Bonusprogramm, davon zehn Millionen die App, Tendenz steigend.

Bio-Fachhandel zieht eigene Bonus-Programme vor

So populär Payback mit seinen 680 Partnern im konventionellen Handel auch sein mag, so wenig Anklang findet die Karte im Bio-Fachhandel. Dieser greift lieber zu anderen Modellen, oder (noch) zu gar keinem. Die Dennree-Gruppe hat sich für ein eigenes Bonusprogramm entschieden. „Während eines temporären Wechsels zu Payback wurde uns klar, dass ein externes Multipartner-Programm nicht zum Naturkostfachhandel passt“, begründet Lukas Nossol, Leitung Marketing und Unternehmenskommunikation, diese Entscheidung.

Ein externes Multipartner-Programm passt nicht zum Fachhandel.

Lukas Nossol, Dennree

Stattdessen bietet Dennree seit 2008 zwei Kundenkarten-Systeme an – die Biomarkt-Card und die Mein Denn’s-Kundenkarte. Hauptziel sei es, die Märkte im Dialog mit den Kunden zu unterstützen. „Unsere Kunden können stets mit Wünschen, Kritik oder Anregungen an uns herantreten und wir können ihnen andersrum zielgerichtet Informationen zukommen lassen“, so Nossol.

Den Weg eines eigenen Kartensystems hat 2017 auch die Bio Company beschritten. Die Kunden können dabei frei wählen, ob sie die Karte personalisieren möchten oder nicht. Wenn sie das tun, gibt es einen Bonus von 50 Extra-Punkten sowie weitere Angebote per E-Mail, etwa zu Geburtstagen. Ansonsten ist die Karte auch ohne Personalisierung nutzbar.

Eigenes Kartensystem für kleine Händler teuer

„Wer sich für ein eigenes Kartensystem entscheidet, der muss digital affin und sich vor allem über die Kosten bewusst sein,“ warnt Unternehmensberater Braun. „Als Händler muss man sich darüber hinaus im Klaren sein, dass es einen großen Unterschied macht, ob man seinen Stammkunden ein oder sogar vier Prozent Rabatt gewährt.“ Im letzten Fall seien bei einem Umsatz von mehreren Millionen Euro schnell Rabatte in fünfstelliger Höhe fällig, was den Ertrag deutlich reduziert. Für die meisten Einzelhändler sei so ein Unterfangen deshalb schlicht und einfach nicht tragbar.

Wiederum ganz analog funktionieren anonymisierte Treue-, Stempel- oder Aufkleberkarten, wie sie zum Beispiel von Erdkorn oder Vollcorner genutzt werden. Eine andere Möglichkeit ist, sich einem Vorlieferanten anzuschließen. Dann hat man das Organisatorische, inklusive Datenschutz, außer Haus und zahlt nur eine Lizenzgebühr.

So eine Dienstleistung bietet beispielsweise Mankido an – einzelne Bio-Händler und Reformhäuser haben sich dafür entschieden. Mankido ist ein Kundenbindungs- und Marketingsystem für lokale Geschäfte, das man als Händler nach den eigenen Wünschen personalisieren und bei dem man die Prämien selbst festlegen kann.

Oekobonus – System mit neuem Ansatz

Dass „konventionelle“ Systeme zum inhabergeführten Naturkostladen passen, kann sich Christoph Gerhard von Bio Category Management jedoch nicht vorstellen. „Hier sind immer noch Individualität und Kreativität gefragt“, sagt er. Oekobonus, ein neues Kundenprogramm für Nachhaltigkeit, scheint eine Brücke zu schlagen, indem es diese Anforderungen erfüllt.

Denn hier geht es zwar auch um „Bees“, also um Punkte sammeln und Rabatte erhalten, aber nicht nur. Es bietet Teilnehmern und Partnern die Möglichkeit, einen gemeinsamen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zu leisten – und das branchenübergreifend.

Über das Sammeln der Oekobees können Kunden etwa an regionale Projekte spenden.

Bei der Gründung der Genossenschaft im September 2018 haben sich die Partner Superbiomarkt, Ebl-Naturkost, Bio Hotels, Waschbär und die GLS Bank zum Ziel gesetzt, zusammen mit ihren Kunden und Gästen eine Wertegemeinschaft zu bilden, die mit ihrem umwelt- und ressourcenschonenden Lebensstil einen nachhaltigen Unterschied macht. Ihr Motto: „Gemeinsam für eine bessere Welt“.

Superbiomarkt, Ebl-Naturkost sowie einige Bio Hotels bieten Oekobonus bereits aktiv an. Waschbär und die GLS Bank wollen später folgen, mit weiteren Partnern werden Gespräche geführt. Neu mit dabei ist der Bio-Großhändler im Südwesten Rinklin Naturkost. Das bedeutet, dass alle Märkte, die im Rinklin-Einzugsgebiet sind, noch einfacher am Oekobonus-Programm teilnehmen können.

Ökologisch orientiertes Partnerprogramm

Bei Superbiomarkt gab es bereits in der Vergangenheit Überlegungen, eine Kundenkarte einzuführen. Da aber ein klassisches Bonusprogramm, bei dem es nur um Rabattgewährung geht, nie in Frage kam, ist die Geschäftsführung lange auf der Suche nach einer überzeugenden Alternative gewesen.

Mit der Gründung von Oekobonus ist sie fündig geworden. „Als erstes ökologisch orientiertes Partnerkartenprogramm in Deutschland ist Oekobonus auf einer genossenschaftlichen Basis mit engagierten und kompetenten Partnern entstanden, die alle ähnliche Werte und nachhaltige Geschäftsmodelle aufweisen“, begründet Superbiomarkt-Vorstand Michael Radau die Entscheidung, als Gründungspartner mit am Bord zu sein. Ähnlich lief es bei Ebl-Naturkost.

Die größte Hürde für eine eigene Kundenkarte stellte laut Inhaber und Geschäftsführer Gerhard Bickel der hohe Verwaltungsaufwand dar. „Umso größer ist die Freude, dass wir unser Oekobonus-Programm gemeinsam mit unseren Partnern realisieren konnten,“ sagt er. Besonders gut gefallen hat Ebl-Naturkost, dass man der Kundschaft einen echten Mehrwert bieten kann. Zum einen handelt es sich um ein Multipartner-Programm, zum anderen kann man eigene regionale Spendenprojekte anbieten.

Schritte zum Bonusprogramm

Was ist zu beachten?

  • Authentizität und Glaubwürdigkeit bewahren
  • Datenschutzrichtlinien mitdenken
  • Projektleitung nennen, die sich um die Umsetzung kümmert
  • Interne Abstimmung mit den einzelnen verantwortlichen Abteilungen, wie Einkauf, Buchhaltung, Marketing und Vertrieb

Gängige Modelle in der Bio-Branche

  • Stammkundenkarten mit Einkaufsrabatt
  • Punktesammelsysteme (auch in Kombination mit Rabatten)
  • Treuekarten mit Stempeln (nur analog)

Beratung und Unterstützung

  • Mitbewerberrecherche, Austausch mit Kollegen aus der Branche
  • Kundenumfrage
  • Beratung durch spezialisierte Agenturpartner
  • Bei der Oekobonus eG auf www.oekobonus.de

Alle Partner müssen ökologisch wirtschaften

Der größte Unterschied zu anderen Kundenbindungsprogrammen ist, dass bei Oekobonus alle Partner zu 100 Prozent ökologisch wirtschaften müssen. Daher können sich die Teilnehmer sicher sein, nicht nur nachhaltig zu konsumieren, sondern auch einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, wenn sie Bees sammeln.

„Wir wollen mehr hinter die Kulissen schauen und besonders die fördern, die bewusst mehr für die Region und die Umwelt leisten, um neben Lidl, Rewe und Co. eine Chance zu haben. Uns ist wichtig, nicht die Preisführer, sondern die Qualitätsführer abzubilden“, sagt Ludwig Gruber, Vorstand der Oekobonus eG.

Aus diesem Grund wählt Oekobonus Partner aus, die über die Bio-Zertifizierung hinaus engagiert sind. „Es ist uns ein Anliegen, Strukturen zu fördern, die kleinräumig sind, weil sonst Regionalität ad absurdum geführt wird. Für viele der Großen bedeutet regional Deutschland. Wir hingegen wollen auch kleine Unternehmen fördern, weil das viel mehr der ursprünglichen Idee des Fachhandels entspricht“, so Gruber.

System mit mehreren Stufen

Mit einer Registrierung können die Teilnehmer bei vielen Partnern gleichzeitig Bees sammeln und so schneller ein größeres Guthaben aufbauen. Für die Partner liegen die Vorteile genauso auf der Hand, denn was die Kosten und Kapazitäten für die Einführung betrifft, erlaubt das System verschiedene Stufen der Nutzung.

So können kleine Unternehmen die Basisfunktionen anwenden. Bei der nächsten Anwendungsstufe werden den Kunden Angebote kommuniziert, die den Umsatz lenken. Die Programmpartner können das selbst per App und Newsletter vornehmen oder bei der Genossenschaft beauftragen. Hier fallen Einmalkosten für die Einrichtung der Marketingoberfläche an sowie Kosten für den Newsletterversand.

Bonusmodelle machen Kunden gläsern

Tiefgehender sind hingegen Kampagnen, die auf einfachen Selektionen beruhen. Das ist dann schon eher für Unternehmen, die Marketingverantwortliche haben. Extra-Kosten kommen keine weiteren dazu. Die höchste Stufe im Oekobonus-Marketing sind Kampagnen, in denen mehrere Parameter miteinander verknüpft werden, wie etwa Umsatz, Warengruppe, Häufigkeit, Geschlecht oder einzelne Artikel. Die Partner müssten dafür eine eigene Fachabteilung haben oder die Oekobonus-Genossenschaft beauftragen.

Wenn ich den Mehrwert darstellen kann, ist die Akzeptanz der Bio-Kunden zu erlangen.

Christoph Gerhard, Unternehmensberater

„Bei allen digitalisierten Bonussystemen machen sich die Kunden gläsern – sie haben also nicht nur Vorteile“, bringt Klaus Braun die Sache auf den Punkt. Dennoch sei die Skepsis laut Brancheninsider Christoph Gerhard nicht mehr so durchgängig vorhanden: „Wenn ich den Mehrwert – ideell oder ökonomisch – darstellen kann, ist die Akzeptanz der Bio-Kunden zu erlangen.“

Bonussysteme hin oder her – es gibt den einen Mehrwert, der im Fachhandel besonders heraussticht, betont Gerhard: „Durch das engere Verhältnis zwischen Kunde und Händler, Kundin und Händlerin gibt es viele Varianten von ,Bonus‘“. Wenn sich die Bio-Branche dabei auch noch zusammenschließt, können einzelne „Bio“-Kaninchen vor „konventionellen“ Schlangen um einiges mehr punkten. Die Gewinnchance dabei: 100 Prozent.

„So langsam entsteht die gewünschte Community“

Im Gespräch mit Michael Radau, Vorstand der Superbiomarkt AG, über die Möglichkeiten und Besonderheiten des neuen Oekobonus- Programms

Welchen Mehrwert bietet Oekobonus für Inhaber und Geschäftsführer?

Die Karte gibt uns die Möglichkeit, perspektivisch viel individueller auf Kunden einzugehen und das in die Sortiments- und Angebotsplanung einfließen zu lassen. Ein Veganer erhält dann kein Angebot über ein Rinderfilet mehr und der Biertrinker kein Weinangebot.

Über spezifizierte Einladungen zu Events kann ich zielgenaue Kundenbindung betreiben. Und ich biete die Chance, durch Spenden auf regionaler Ebene Gutes zu tun oder auch besondere Einkaufsvorteile gemeinsam mit Herstellern zu gewähren.

Was bietet Oekobonus, was andere Bonusprogramme nicht haben?

Als ökologisches Multipartner-Programm bietet es ökologisch orientierten Unternehmen die Möglichkeit, sich wechselseitig zu unterstützen und die eigenen Leistungen einer viel breiteren Gruppe von potenziellen Kunden zu offerieren. Und dies sehr zielgenau und ohne nur auf der Rabatt- ebene zu agieren.

Trägt die Karte zur Kundenbindung bei?

Unbedingt! So langsam entsteht die gewünschte Community.

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