Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Kooperationen

Gemeinsam mehr erreichen

Kooperationen sind eine Chance, dem Wettbewerbsdruck von LEH und Discountern zu begegnen. Entweder als Händlerverbund mit niedrigeren Preisen oder mit Partnern und attraktiven Zusatzangeboten. Neue und erprobte Ideen zeigen, was machbar ist.

Darf‘s ein bisschen mehr wert sein? Nicht brandneu, aber im Biohandel noch lange nicht ausgeschöpft, ist das Prinzip Kooperation. Berücksichtigt man ein paar Grundregeln, kann es einem Laden neuen Schwung bringen, oder gar das Überleben sichern. Wobei es nicht „die“ gute oder richtige Kooperation zum Nachahmen gibt. Einfach, weil ein Fachgeschäft individuell geführt wird und je nach Standort unterschiedliche Infrastrukturen und Kunden hat. Grundsätzlich gibt es zwei Varianten: Sich im Rahmen einer Verbundgruppe ins Preis-Rennen stürzen, um Kosten einsparen und Preise senken zu können.

Das Besondere verstärken

Oder vom bestehenden Angebot ausgehend gemeinsam mit Partnern das Besondere verstärken und auf Individualität und Extra-Service setzen.

Bauchgefühl mag leitend sein, ist aber als Koop-Motivation nicht ausreichend. Für beide Varianten sollte man im Vorfeld gründlich überlegen – und auch mit den Partnern klären –, was konkret die Kooperation bringen soll (mehr dazu siehe Interview mit Dr. Eric Meyer, sowie das Fünf-Schritte-Schema). Im Folgenden einige Themen- und Praxisbeispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Food-Start-ups

Der Biomarkt ist für Start-up Teams ebenso attraktiv wie für große Hersteller. Dabei sind die Ideen junger Gründer oft mit Herzblut und Idealismus entwickelt – auch die Verpackungen sind oft coole Hingucker. Beispiel Lycka oder Dörrwerk. Beim Kauf von Lycka-Produkten spendet der Kunde gleichzeitig Geld für Schulmahlzeiten in Burundi Die vier Dörrwerk-Gründer stellen durch Dörren Snacks aus vor dem Wegwerfen gerettetem Obst und Gemüse her.

Junge Hersteller wie diese kann man entweder über Gründer-Messen und Webseiten finden – oder man kooperiert mit Start-up-Scout Dirk Siemenowski. Unter foodie & friends (foodieandfriends.de) vertreibt der Spezialitätengroßhändler ihre Produkte, die oft im Großhandel nicht zu haben sind – auch weil frisch gestartete Unternehmer sich das noch gar nicht leisten können. Siemenowski liefert auch Geschichten und Aufstellmöglichkeiten – eine Verkostung kann man mit ihm zusammen ebenfalls organisieren.

Pop-up-Stores

Noch wenig genutzt ist die Idee des Pop-up-Store. Wie das aussehen kann, zeigt etwa die Berliner Bio Company in ihrer Filiale Yorckstraße. Seit zwei Jahren gibt es dort einen solchen, 28 Quadratmeter großen Blickpunkt. Hersteller oder NGOs können die Fläche mieten – mit Küchenzeile, die verdeckt werden kann, Internet und Strom. Die Belegung wechselt monatlich.

Allein durch den Wechsel bietet der Pop-up-Store immer Neues, oft Überraschendes. Ende April etwa wurde das Start-up Tlaxcalli vorgestellt. Laut Steckbrief auf der Website des Bio-Filialisten die „erste bio-zertifizierte Tortilleria Europas“ mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern. Das Besondere: Die Tortillas werden nach alter mexikanischer Tradition hergestellt. Der Mais dazu stammt von den brandenburgischen Höfen der Bio-Boden-Genossenschaft.

A und O solcher Kooperationen sind natürlich die Geschichten hinter den Produkten. Wenn den Kunden dann auch schmeckt, was sie mit allen Sinnen testen können, ist es eine gelungene Cross- Marketing-Aktion für beide Partner.

Veranstaltungen nutzen

Man kann die Idee auch selber nutzen – und durch einen mobilen Pop-up-Store (als Lastenrad oder Verkaufswagen etwa) bei Festen sowie regionalen Veranstaltungen den eigenen Laden bekannter machen.

Lebensmittel retten

Leider haben auch Bioläden das Problem, dass Lebensmittel übrigbleiben, die zwar noch essbar, aber nicht mehr verkäuflich sind. Damit trotzdem nichts verschwendet wird, kooperiert der Bioladen Naturkost Kornblume in Lingen mit der Foodsaver-Initiative von Studierenden vor Ort.

Laden-Mitinhaberin Nanni Brinker erzählt, wie es dazu kam: „Die Tafel ist zwar auch immer eine gute Anlaufstelle. Aber wir haben selber vier Kinder, die studiert haben – und ich weiß noch, wie glücklich die waren, wenn sie sich gute Lebensmittel mitnehmen konnten.“

Konzept muss passen

Die Foodsaver kommen zwei Mal die Woche, nehmen alles mit und packen es auf dem Campus in ein „Fairteiler Regal“. Nanni Brinker ist zufrieden mit dem Ablauf: „Sie haben extra einen Kühlschrank angeschafft, kommen mit einem Lastenrad – ein stimmiges Konzept, das gut zu uns passt.“

Hat man sich einmal nach außen geöffnet, bleibt es meist nicht bei einem Kooperationspartner. Das Inhaberpaar der Lingener Kornblume etwa kooperiert seit drei Jahren auch mit dem nahe gelegenen Christophorus-Werk. Menschen mit Handicap, die dort betreut werden, können bei den Brinkers Praktika machen oder werden ausgebildet. Es wurden auch schon Ausgebildete übernommen.

Der Betrieb entlohnt dann die Mitarbeiter, sie werden aber weiterhin durch das Christophorus-Werk betreut. Einmal in der Woche kommt der Betreuer, und ist dann Ansprechpartner für alle Beteiligten. Im Bioladen hängt sogar ein Zertifikat, das vom Werk für diese Kooperation ausgestellt wurde. In den Christophorus-Werkstätten lassen die Brinkers außerdem Geschenkkisten und Verpackungen nach eigenen Vorstellungen herstellen.

Wer, wenn nicht wir?

Es kommt gerade im Bio-Bereich häufig vor, dass Menschen mit Handicaps beschäftigt werden. Für Nanni Brinker passt das gut: „Wo, wenn nicht bei uns, können solche Kooperationen funktionieren und auch nach außen tragen, dass man total normal mit Menschen mit Handicap arbeiten kann.“

Lehrreich sei die Zusammenarbeit übrigens für alle Beteiligten, weil man Erwartungshaltungen und die Art der Kommunikation verändern muss. Die Chefin betont, die Mitarbeitenden, aber auch wir als Geschäftsführende haben viel gelernt. Etwa, dass man viel klarer in dem sein muss, wie man miteinander spricht. Insgesamt ist es bereichernd und wird auch von den Kunden sehr gut angenommen.“

Nachbarschaft verpflichtet

Eine andere Form von sozialem Engagement praktiziert der Münsteraner Superbiomarkt, der mit Schulen und Kitas kooperiert. Darunter etwa eine Förderschule, der die Filiale in der Nähe regelmäßig ein Frühstück spendiert – und im Laden serviert. Ein wichtiges Statement, das dazu beiträgt den Laden als Teil des Kiezes zu verankern.

Einem ganz besonderen Projekt hat sich die Weimarer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft EVG angeschlossen, die zwei Bioläden betreibt: Die Bürgerinitiative Alte Feuerwache wird ein ganzes Stadtviertel neu gestalten. Neben neuen Wohnungen, einem Spielpark und Kulturräumen sind auch Geschäfte geplant, um die lokale Infrastruktur zu verbessern – darunter ein neuer Bioladen der EVG.

Rabatte für Mitglieder

Die Weimarer EVG, deren Mitglieder Preisrabatt in einem der Bioläden bekommen und den Herstellerhöfen die Abnahme garantieren, ist nun auch Mitglied der Baugenossenschaft der Bürgerinitiative. Kunden und Ladner durch eine Genossenschaft zu vereinen ist ein guter Ansatz gegen das Ladensterben in Innenstädten oder auf den Dörfern.

Auch Kooperationen mit NGOs wie WWF, Greenpeace oder BUND, mit Ökostromversorgern oder Fahrradläden sind denkbar. Wenn unter der Kundschaft viele Eltern mit Lastenrädern sind – und es einen Parkplatz gibt – könnte man einen der Autoparkplätze zum Parken und Rangieren für diese Klientel umwidmen. Und vielleicht stellen Stadtwerke oder Ökostrom-Anbieter sogar eine Stromtanksäule auf. Vor einer Bio Company-Filiale gibt es einen „Boxenstopp“ für Fahrräder mit Werkzeug und Luft.

Wer sich von konventionellen Händlern abheben will, kann auch den Schulterschluss mit regionalen Playern suchen. In Schleswig-Holstein etwa gibt es jedes Jahr das Naturgenussfestival. Die Veranstalter kooperieren mit dem Magazin Mohltied. Im Rahmen des Projekts werden Höfe besucht und im Magazin vorgestellt.

In Bayern gibt es jedes Jahr ein ähnliches Event mit Schwerpunkt Bio – die Bio-Erlebnis[-]tage. Hier ist unter anderen die Genossenschaft Tagwerk mit von der Partie, zu der Hersteller, Bauernhöfe und Bioläden gehören. Dort finden während der Erlebnistage verschiedene Veranstaltungen statt, über die auf der Homepage informiert wird.

Vom LEH abheben

Wer sich von konventionellen Händlern abheben will, kann auch den Schulterschluss mit regionalen Playern suchen. In Schleswig-Holstein etwa gibt es jedes Jahr das Naturgenussfestival. Die Veranstalter kooperieren mit dem Magazin Mohltied. Im Rahmen des Projekts werden Höfe besucht und im Magazin vorgestellt.

In Bayern gibt es jedes Jahr ein ähnliches Event mit Schwerpunkt Bio – die Bio-Erlebnistage. Hier ist unter anderen die Genossenschaft Tagwerk mit von der Partie, zu der Hersteller, Bauernhöfe und Bioläden gehören. Dort finden während der Erlebnistage verschiedene Veranstaltungen statt, über die auf der Homepage informiert wird.

Vorteil der Genossenschaft

Tagwerk ist ein gutes Beispiel dafür, was durch einen Verbund verschiedener Akteure möglich wird. Die Genossenschaft verbindet ähnlich wie die Regionalwert AG oder Bremer Genossenschaft Landwege Höfe, Hersteller, Kunden, Läden und Großhandel miteinander. Die Hersteller haben die Abnahmegarantie, die Kunden unterstützen den Ökolandbau der Region.

Synergien ergeben sich bei der Beschaffung von Waren außerhalb der Genossenschaftsproduktion, die man für alle in größeren Mengen, also kostensparend bestellen kann. Aber auch gemeinsame Werbeauftritte und Kommunikation nach außen entlasten die Ladner.

Regionalität erhalten

Genossenschaften sind oft das demokratische Dach der Wahl für Bio-Kooperationen, wo es um die Umsetzung von Visionen geht, für die man Geld und Rückendeckung braucht. Derzeit entsteht gerade die Fair-Bio-Genossenschaft, eine große Kooperation für die Erhaltung regionaler Strukturen. Das Ziel des Initiators Hermann Heldberg, Inhaber des Göttinger Großhandels Naturkost Elkershausen, ist es, der Preispolitik konventioneller Einzelhändler, aber auch der Filialisten im Biobereich etwas entgegenzusetzen. Die Großen trügen ihre Preispolitik auf dem Rücken regionaler Hersteller aus, lautet seine Kritik: „Das führt dazu, dass die klassischen, regionalen Strukturen, so wie sie mit uns, dem klassischen Naturkosthandel, gewachsen sind, zu klein sind, um diese Nachfrage zu zu bedienen.“ Um gegenzusteuern setzt Heldberg auf eine regionale Verbundgruppe, und wünscht sich den großen Schulterschluss von Bio-Akteuren. Hersteller wie Bauck und Voelkel sind dabei. Von den Großhändlern ist bislang erst Bodan bereit, diesen Weg mitzugehen.

Statement für Genuss

Unter den genannten Möglichkeiten sind viele Karten, die Bioläden viel stärker spielen könnten als der LEH – auch über Instagram und Facebook. Denn letztlich ist das gesamte Bio-Sortiment ein Statement für Genuss, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und respektvolles Miteinander. Aber: Weiß die Kundschaft das auch?

Aus der Sicht des Kunden

Um erfolgreich neue Wege zu gehen, sollte man der Kundschaft immer mal den Puls fühlen, fragen, was sie sich wünscht und sich aus ihrer Perspektive im Laden umschauen. Dabei wird man garantiert Punkte finden, die man gut macht, aber trotzdem mehr in den Mittelpunkt rücken könnte. Kooperationen sind eine Option dafür. Übrigens weder abhängig von der Größe des Geschäfts noch einem Berater, sondern allein von den Zielsetzungen der Partner, dem Lebensumfeld des Ladens – und nicht zuletzt von der Kommunikationsfreude der Teams.

Das Fünf-Schritte-Schema

Um den Kooperationsprozess erfolgreich zu managen, empfiehlt Dr. Eric Meyer, Geschäftsführer des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster, ein 5-Schritte-Schema:

  1. Strategische Positionierung – Was ist mein Problem? Am Anfang muss eine gründliche Analyse von Zielen und dem Stand der Dinge erfolgen.
  2. Interne Vorbereitung – Was kann ich? Wer bin ich? Wer könnte mein Partner sein? Es geht darum, die Schnittstellen auszuloten. Dazu müssen die Partner sich darüber klar werden, was für die eigene Identität unverzichtbar ist – und in welchen Bereichen man leicht zusammengehen kann.
  3. Institutionalisierung – Wie kooperiere ich? Hier geht es um die Spielregeln und Vertrauen. Bei komplizierteren Kooperationen – etwa der gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen oder IT-Lösungen – sind regelmäßige Treffen wichtig, um sich auszutauschen.
  4. Operative Kooperationsführung – Läuft es rund? Funktioniert es an den Schnittstellen, die wir als Händler miteinander oder mit anderen Kooperations-Unternehmen haben? Hat man diese Punkte gemeinsam im Blick, kann man schnell reagieren, wenn es irgendwo knirscht.
  5. Erfolgskontrolle – Was waren unsere Ziele? Was haben wir erreicht, was nicht und warum nicht? Fällt die Bilanz negativ aus, muss man eventuell einen Schnitt machen und die Kooperation beenden. Sind die Beteiligten aber weiterhin überzeugt, dass Kooperation ein guter Weg ist, gilt es Lösungen für Kurskorrekturen zu finden.

Kooperationsbasics

  • Eine Kooperation ist die Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Unternehmer, um die gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
  • Das Ziel: Kunden zu gewinnen, die man ohne den anderen gar nicht erreichen würde.
  • Wenn die Partner auch gemeinsam Produkte entwickeln und Öffentlichkeitsarbeit machen, Werbung oder Vertriebspartnerschaften eingehen, spricht man auch von Cross-Marketing.
  • Damit die Kooperation gelingt, sollte es zwar große Schnittmengen bei der Zielgruppe geben, aber die Partner dürfen nicht in direkter Konkurrenz stehen.
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