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Ein Interview mit Folgen: FiBL-Direktor Urs Niggli bringt mit seiner Sicht auf

In einem Interview in der taz hat sich Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL), differenziert über die gentechnische Methode CRISPR/Cas in Bezug auf Pflanzenzüchtung geäußert. Damit hat er der Bio-Branche eine Diskussion aufgezwungen, die sie derzeit nicht führen will. Entsprechend heftig fallen die Reaktionen aus.

In einem Interview in der taz hat sich Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL), differenziert über die gentechnische Methode CRISPR/Cas in Bezug auf Pflanzenzüchtung geäußert. Damit hat er der Bio-Branche eine Diskussion aufgezwungen, die sie derzeit nicht führen will. Entsprechend heftig fallen die Reaktionen aus.

Seit zwei Jahren dreht sich die Gentechnik-Diskussion zunehmend um neue biotechnologische Verfahren, bei denen mit Hilfe so genannter Gen-Scheren gezielte, punktgenaue Eingriffe ins Erbgut bei allen Lebewesen möglich sind. Dabei können auch synthetisch hergestellte Erbgutabschnitte eingebracht werden. Genome-Editing ist der Überbegriff für die Möglichkeit, das Erbgut eines Lebewesens in Teilen neu zu schreiben. Solche Verfahren mit Kürzeln wie RTDS, TALEN, CRISPR/Cas oder Zinkfinger kommen auch in der Pflanzenzüchtung zum Einsatz. Mit dem Raps der US-Firma Cibus steht ein erstes Produkt vor der Zulassung. In den nächsten Monaten will die EU-Kommission festlegen, ob und in welchen Fällen die Anwendung dieser „neuen Züchtungsmethoden“ unter das EU-Gentechnikrecht fällt. CRISPR/Cas gilt derzeit als das in der Praxis relevanteste Verfahren.

Die Bio-, Umwelt- und Verbraucherbände haben sich klar positioniert: Sie lehnen diese Verfahren generell ab, bewerten sie samt und sonders als gentechnisch und kämpfen dafür, dass die Verfahren EU-weit unter das EU-Gentechnikrecht fallen. Damit wären sie, wegen der Zulassungsauflagen und der damit verbundenen Kennzeichnungspflicht, für den EU-Markt gestorben. Die Bundesregierung und die EU-Kommission wollen – unterstützt von den Organisationen der Agrarindustrie – genau das aus wirtschaftspolitischen Gründen verhindern. Die für Anfang dieses Jahres erwartete Richtungsentscheidung der EU wurde bereits mehrfach verschoben, zuletzt Ende März.

In diese angespannte Situation hinein erschien in der ersten Aprilwoche ein Interview, das die taz mit Urs Niggli führte. Darin wies der Ökolandbau-Forscher auf mögliche Risiken der CRISPR/Cas-Methode hin, sprach ihr aber auch ein großes Potential zu und bezog einige Positionen, die denen der Bio-Branche widersprechen.

Niggli will neues Prüfverfahren für CRISPR

So sprach er sich dafür aus, die neuen Pflanzenzüchtungsverfahren nicht pauschal dem Gentechnikrecht zu unterwerfen: „Wenn man „gentechnisch verändert“ draufschreibt, ist die Methode gestorben, bevor man sie kennt.“ Statt dessen plädierte Niggli für ein „neues, sehr differenziertes Prüfverfahren.“ Bei vermutlich risikoarmen Eingriffen wie der Übertragung einer Krankheitsresistenz von einer amerikanischen auf eine europäische Rebsorte „sollten die Anforderungen nicht so streng sein, wie wenn zum Beispiel artfremde Gene eingeführt werden.“

Die Kampagne der Bio-Branche gegen CRISPR/Cas bezeichnete Niggli zwar als notwendig, es sei klar, „dass man jetzt politisch Druck machen muss, damit eine Kennzeichnungspflicht kommt und die Wahlfreiheit bestehen bleibt. Aber die Gefahr ist, dass man völlig überreagiert und irrationale Ängste schürt.“

Nun ist es nicht das erste Mal, dass der Wissenschaftler Niggli sich gegen den Bio-Mainstream stellt. Im Rahmen der Bio 3.0-Debatte sagte er über die von den Bioverbänden abgelehnten CMS-Hybride: „Der CMS- und der Hybridzüchtung haben wir gute Sorten und enorme Zuchtfortschritte zu verdanken. Und beide schaden weder der Umwelt noch der Gesundheit und schon gar nicht den Bauern.“

Öko-Pflanzenzüchter fordern einen Maulkorb

Schon damals hatten Nigglis Positionen zu Diskussionen geführt. Mit seinem taz-Interview hat der Bio-Forscher nun Empörung ausgelöst, zumindest bei den im Verein saat:gut zusammengeschlossenen ökologischen Pflanzenzüchtern. Sie veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie den Stiftungsrat des FiBL in der Schweiz und den Vorstand von FiBL Deutschland auffordern, Niggli einen Maulkorb zu verpassen. Die beiden Gremien sollten „ihre Mitarbeiter darauf verpflichten, in ihren öffentlichen Äußerungen zu den Zielen und Inhalten des Ökolandbaus zu stehen und die gemeinsamen Anliegen der Biobranche zu befördern, nicht konterkarieren!“

Die Ökopflanzenzüchter werteten Nigglis Interview als Angriff auf die Glaubwürdigkeit der ganzen Branche: „Willentlich und wissentlich setzt sich Prof. Niggli über den bekundeten Willen der deutschen Biobranche hinweg und diskreditiert die gemeinsamen Anstrengungen der Erzeuger-, Verarbeiter- und Verbraucherverbände. Er brüskiert das Vertrauen unserer Kunden und sät Zweifel an unserer Haltung zur Gentechnik“, heißt es in dem offenen Brief. Besonders verärgert hat die Züchter „die Implikation, die ökologische Pflanzenzüchtung sei langwierig, umständlich und nicht finanzierbar(zu teuer).“ Ein besonderer Tiefpunkt sei „das Übernehmen der Argumente der Gentechnik-Lobby: was, wenn der konventionelle Landwirt eine resistente Kartoffelsorte hat und der biologisch wirtschaftende Nachbar nicht.“

Eine inhaltliche Diskussion der von Niggli angesprochenen Probleme findet in dem Brief jedoch nicht statt: Da wäre zum einen die Frage, ob durch den Einsatz von CRISPR/Cas in der konventionellen Pflanzenzüchtung neue Sorten möglich wären, deren konventioneller Anbau deutlich nachhaltiger wäre. Eine solche Entwicklung könnte - auch wenn das Kartoffelbeispiel nicht gefällt – den Ökolandbau in einzelnen Punkten alt aussehen lassen.

Absehbar ist, dass CRISPR/Cas den konventionellen Züchtungsprozess weiter beschleunigen wird. Dadurch können Biobauern, was Erträge oder Optik der Produkte angeht, ins Hintertreffen geraten. Die Entwicklung der CMS-Hybride bei den Kohlpflanzen zeigt diese Gefahr. Deshalb ist das Engagement der ökologischen Pflanzenzüchter in diesem Bereich wichtig. Und Urs Niggli weist zurecht darauf hin, dass eine generelle Ablehnung von CRISPR/Cas für den Ökolandbau zwar konsequent ist, aber auch Folgen haben muss: „Das bedeutet, dass die Ökoszene ihre Anstrengungen für die eigene Züchtung vervielfachen muss.“

Inzwischen haben weitere Verbände Stellung zu Nigglis Äußerungen bezogen:

Stellungnahme Bioland
Stellungnahme Demeter

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Kommentar: Entpört Euch

Natürlich kann man über Urs Nigglis Sicht der Dinge trefflich streiten. Natürlich kann man sich aus politisch-strategischen Gründen wünschen, er hätte noch ein paar Monate geschwiegen. Denn für die Lobbyisten der Gentech-Konzerne und Öko-Kritiker à la Pollmer ist so ein Interview natürlich eine Steilvorlage. Natürlich kann man beim Lesen des Interviews auch einen Wutanfall bekommen und schreiend über den Hof toben.

Was allerdings gar nicht geht ist, einen offenen Brief an diejenigen zu schreiben, die formell Nigglis Arbeitgeber sind und sie aufzufordern, ihm zu verbieten, seine Meinung zu äußern. Ein solcher Maulkorb wäre ein zutiefst undemokratischer Akt und was würden wir schimpfen, wenn das ein Gentechnik-Institut mit einem kritischen Mitarbeiter machen würde.

Leo Frühschütz

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