Die Erosion der Marken, die ehemals dem Naturkostfachhandel exklusiv vorbehalten waren, ist schon lange im Gange. Das Wort Fachhandelstreue wird immer mehr zum Anachronismus. Das wurde auch auf der BNN-Mitgliederversammlung in Magdeburg in einer Arbeitsgruppe dikutiert. Tatsache ist, dass Naturkosthersteller in großem Umfang Handelsmarken für den LEH produzieren und ihre Marke zunehmend in dessen Regale stellen. Was machen sie dabei für Erfahrungen und was bedeutet das für den Fachhandel?
Nachdem das dm-Bio-Sortiment nach der sukzessiven Auslistung von Alnatura-Produkten etliche Lücken aufwies und die dmBio-Marke nicht gerade Markenflair verströmt, sondern, mit Verlaub, so wenig wertig wirkt wie Aldi Bio, holten die Karlsruher sich Marken an Bord: Mymüsli, Lebepur und Veganz kamen nach und nach in die Regale. Bereits seit Juli 2015 sind drei Artikel der EcoFinia-Marke iChoc bei dm Deutschland eingelistet. Im April 2016 folgte ein vierter Artikel von iChoc. Der Naturkosthandel beobachtete das relativ gelassen, es gab keine große Aufregung. Als jedoch Provamel ankündigte, eine Auswahl seiner Pflanzendrinks an dm zu liefern, wurde dies lebhaft diskutiert, obwohl Provamel nur eine sehr bescheidene Auswahl von sechs Produkten zum "Fachhandelspreis" bei dm zur Verfügung stellte. Das war vor einigen Monaten. Jetzt folgt Davert als weitere Exklusivmarke des Bio-Fachhandels. Über 20 Produkte sind bereits bei dm eingelistet.
Dammbruch zu befürchten
Die Entscheidung der Firmen Davert und Provamel könnte ein Signal sein und gravierende Folgen haben. „Ein Dammbruch steht zu befürchten", meint Michael Radau von SuperBioMarkt. Er sieht das Szenario bereits vor sich: „Mehr und mehr Hersteller werden der Versuchung erliegen und die Drogeriemärkte der Karlsruher mit bisher dem Fachhandel vorbehaltenen Marke beliefern. Wer weiß, vielleicht fragen ja auch noch andere Größen aus dem LEH bei den Naturkostherstellern nach. Die Verlockung, die Marke auch außerhalb des Naturkostfachhandels zu platzieren, ist groß", glaubt Radau.
Auch ein anderes Szenario sei vorstellbar: Der Fachhandel werde die "untreuen Marken" abstrafen, wie nun eine Gruppe von Filialisten und selbständigen EInzelhändlern in einem Schreiben angekündigt hat. Möglich sei auch, ihnen nicht mehr die gewohnte Aufmerksamkeit zu widmen, vor allem bei Werbung, Regalplatzierung oder Verkostungen. Dadurch verlieren diese Anteile am Sortiment. Folge: Die Marken machen weniger Umsatz und der Fachhandel wird zunehmend unattraktiver. Andere Marken könnten diese Entwicklung nutzen, um die Lücken zu füllen und sich stärker im Fachhandel zu profilieren, erklärt Radau.
Provamels Bilanz bei dm fällt wenig positiv aus
Bei einem Roundtable, zu dem Provamel,[nbsp]die deutsche Tochter des belgischen Herstellers Alpro, Ende des ersten Quartals 2016 die Vertreter von fünf Filialisten einlud, wurde deutlich, dass der Abverkauf der Provamel-Drinks bei dm[nbsp]sehr hinter den Erwartungen zurückblieb. Die Zentrale war verständlicherweise nicht glücklich über diesen Einstand. Die Marke lag im Vergleich mit der Handelsmarke dmBio, die von einem Mitbewerber produziert wird, zurück. Nach dem zweiten Quartal fällt jedoch das Fazit von Deutschlandchef Michael Ohlendorf positiver aus: „Die Abverkaufs-Entwicklung geht in die richtige Richtung.“
Dm hatte zugesagt, die Regalplatzierung zu optimieren, damit Provamel gegenüber dmBio besser zur Geltung kommt. Zudem hat der Drogerie-Riese in einen Flyer für das Markensortiment investiert. Fraglich ist, ob das ausreicht, um die Marken voranzubringen. Provamel-Vertriebsleiter Stephan Brandmeier-Fanger vermutet, dass viele Kunden ihren Bedarf an pflanzlichen Drinks mit der günstigen dm-Marke decken, zumal Provamel als Marke außerhalb des Fachhandels wenig bekannt sein dürfte. Das soll sich jedoch ändern. Um die Wahrnehmung zu verbessern, sind nun sogar Verkostungen in den Drogeriemärkten geplant.
Intensive Partnerschaft mit dem Fachhandel beschworen
„Wir glauben an den Fachhandel und sehen uns in einer intensiven Partnerschaft", betont Brandmeier-Fanger. Er belegt das mit der hohen Zahl an Verkostungsaktionen und der intensiven Betreuung durch den Außendienst. „Wir wollen dem Fachhandel zeigen, wo Potenzial ist." Allerdings schränkt er auch ein. Zum einen „geht es bei vielen Läden nicht weiter". Category Management sei häufig ein Fremdwort und es gelinge dem Fachhandel nur eingeschränkt, sich bei veggie und vegan so zu profilieren wie der LEH. Zum anderen sei die Öffnung von Bio-Herstellern für den LEH immer stärker warnehmbar. „Wir gehen nicht aktiv voran, sondern folgen nur dem Markt". Und er ergänzt: „Schauen sie doch, wo andere Marken stehen und wer Handelsmarken produziert."
Der Fachhandel wehrt sich
In direkten Gesprächen und mit dem Aufruf machen die Bio-Händler deutlich, dass sie ihre Exklusivmarken nicht ohne weiteres an den LEH, sprich derzeit dm, hergeben wollen. „Der Fachhandel hat viel mehr Macht bei der Marktgestaltung und Möglichkeiten bei der Steuerung von Marken als er annimmt", ist Michael Radau überzeugt. Den Umsatz machten die Fachhandelsmarken schließlich immer noch in den Naturkostgeschäften und Bio-Supermärkten, weil sie dort bekannt sind und die entsprechende Aufmerksamkeit bekommen.
„Zur Treue gehören Liebe und gegenseitiger Respekt, sie kann nicht erzwungen werden", sagt Franziska Geyer, Geschäftsführerin des Tee- und Kaffeespezialisten Ökotopia aus Berlin. "Treue ist aber auch keine einseitige Geschichte: Es gehören Hersteller, Einzelhandel aber vor allem auch der Kunde dazu, der vertrauenswürdige Produkte in hoher Qualität sucht und dabei auf den Naturfachhandel vertraut", so Geyer, die seit vielen Jahren im BNN aktiv ist. Sie ist überzeugt, dass Naturkostmarken in ihrem angestammten Vertriebsweg, mit dem sie gewachsen sind, am besten aufgehoben sind.[nbsp]
Vivani und Barnhouse betonen Fachhandelstreue
Vivani Geschäftsführer Andreas Meyer betont: "Die Marke Vivani ist und bleibt weiterhin vertriebsseitig zentral auf den Fachhandel ausgerichtet. Dies haben wir auch im vergangenen Winter mit einer Fachhandelsvereinbarung gegenüber unseren Handelspartnern klar zum Ausdruck gebracht." iChoc hingegen sei eine Marke der EcoFinia GmbH, ebenso wie die Marken Vivani, björnsted und Lacoa. „Im Gegensatz zur bekannten Fachhandelsmarke Vivani war iChoc von Beginn an (Markenlaunch 2010) vertrieblich nicht nur auf den Naturkost- und Reformwarenfachhandel ausgerichtet. An dieser Ausrichtung hat sich auch durch den Relaunch der Marke Anfang 2015 nichts geändert. Insofern liegt hier kein Bruch einer Fachhandelstreue vor", so Meyer. Das Vertriebskonzept von iChoc sei jederzeit offen kommuniziert worden. "Dass die Marke dennoch auch im Fachhandel vertreten und erfolgreich ist, werten wir als einen Beleg der Qualität unserer Produkte", sagt Meyer. Auch Barnhouse-Geschäftsführerin Sina Nagel wandte sich in einem Mailing an die Partner des Unternehmens, in dem sie die Treue zum Fachhandel einmal mehr herausstellte.
BNN setzt auf Qualitätsgemeinschaft
Was sind die Stärken und Mehrwerte des Fachhandels? Wie lässt sich sein Profil schärfen und wie lassen sich die Besonderheiten ... dem Verbraucher kommunizieren? Braucht es Fachhandelsmarken oder sind Apelle an die Branchenloyalität, wie sie beispielsweise jüngst die Spielberger Mühle ausgesprochen hat, der geeignete Weg? Viele weitere Meinungen, Ideen und Aspekte flossen in die breite Diskussion mit ein.
Trotz der unterschiedlichen Rollen, Positionen und Ansätze sei jedoch deutlich, dass der Naturkostfachhandel sich von der Erfolgsgeschichte, die er selbst geschrieben hat, nicht habe überholen lassen. Im Gegenteil hätte das Branchenplenum auf der BNN-Mitgliederversammlung gezeigt, dass die Biounternehmen sich ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst sind und der Aufgabe der kontinuierlichen Schärfung eines gemeinsamen Profils bewusst und engagiert nachgehen.
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