Weniger Kunden in den Läden, geringe Bonwerte – 2023 war für den Fachhandel wieder kein gutes Jahr, auch wenn die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr mit 0,2 Prozent leicht anstiegen. Das macht sich auch in der aktuellen Ladenstatistik bemerkbar. Sie wird alljährlich auf der Grundlage aller Bioläden erstellt, die das Kunden-Magazin Schrot&Korn beziehen – das sind rund 90 Prozent der Läden in Deutschland.
Im vergangenen Jahr schlossen so viele Läden wie noch nie. Auffällig ist, dass darunter viele Geschäfte sind, die in den 1980er Jahren eröffnet wurden. Deren Inhaber sind nun in einem Alter, in dem man an den Ruhestand denkt. Viele von ihnen haben für ihre Läden keine Nachfolger finden können, berichtet Dietmar Ingenbleek, Leiter Kundenbetreuung Fachhandel im bio verlag. Manche seien aber auch so desillusioniert gewesen, dass sie gesagt hätten: „Das will ich meinen Kindern nicht antun“.
Aus ihnen habe eine regelrechte Zukunftsangst gesprochen. „Sie wollten lieber die Reißleine ziehen, als noch mehr Kraft und Geld in den Laden zu stecken“, so Ingenbleek. Weitere Gründe für Geschäftsaufgaben seien die verschärfte Konkurrenz etwa mit dem LEH gewesen. „Hier war auch die Lage oft mitentscheidend“, erklärt der Kundenbetreuer.
Kleine Bioläden und Fachmärkte sind besonders von Schließungen betroffen
Die Pandemie-Jahre, in denen die Umsätze bei den meisten Läden durch die Decke gingen, bedeuteten für viele noch einmal einen Aufschub, der durch den Angriff Russlands auf die Ukraine dann jedoch abrupt zu Ende ging. Wie die aktuelle Ladenstatistik des bio verlags zeigt, schlossen im vergangenen Jahr insgesamt 115 Läden endgültig – 2022 waren es 92 gewesen, damals schon mehr als doppelt so viele wie 2021.
Besonders häufig traf es die kleinen Bioläden und Fachmärkte zwischen 100 und 400 Quadratmetern. In Baden-Württemberg machten mit 24 die meisten Geschäfte dicht, gefolgt von Bayern mit 21 Schließungen (siehe Grafiken am Ende des Textes). Zwar ist in diesen beiden Bundesländern die Fachhandelsdichte am größten, doch die Geschäftsaufgaben haben sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.
Umgekehrt gab es 2023 nur 29 Neueröffnungen – bedeutend weniger als in den Jahren zuvor, in denen um die 40 Geschäfte eröffnet wurden. Hier waren es mit 21 vor allem die großen Supermärkte ab 400 Quadratmetern, die neu anfingen – allen voran zwölf Denns Biomärkte gefolgt von fünf Alnatura-Filialen (siehe Tabelle weiter unten im Artikel). Nur sechs inhabergeführte Geschäfte öffneten ihre Pforten, und die gingen mit durchdachten Konzepten an den Start.
Bioladen Schwammerl in Erbendorf: Essen für Kindergärten und Ganztagsschule
Das zeigt etwa das Beispiel des Bioladens Schwammerl in Erbendorf. Inhaber Michael Wildenauer eröffnete sein 80 Quadratmeter großes Fachgeschäft im März 2023 unter anderem, weil er sein eigener Chef sein wollte. Er setzt wie viele auf Regionalität, achtet darauf, dass die Produkte aus Bayern, oder wenigstens aus Deutschland kommen. Daneben beliefert der gelernte Koch seit September vier Kindergärten und eine Ganztagsschule – das sind 100 bis 120 Essen täglich, berichtet Wildenauer.
Am besten kommen bei den Kunden die Käsetheke, Oliven und die selbstgemachten Kuchen an, sagt der Inhaber, „Sowas spricht sich auch rum“. Deshalb will er gerade in den Bereichen Käse und Antipasti das Fachwissen im Laden mit Weiterbildung und Schulungen weiter ausbauen.
Wirtschaftlich ist Wildenauer sehr zufrieden: „Wir haben in diesem Jahr eine Umsatzsteigerung von 20 Prozent“, sagt er. Nach dem Start habe er aber seine Personaldecke anpassen müssen: Anfangs beschäftigte er sechs Mitarbeitende, heute arbeiten er, seine Frau und eine weitere Vollzeitkraft im Laden, unterstützt von einer Minijob-Kraft. Gerne würde er noch weitere Minijobber beschäftigen, aber diese zu finden, sei nicht einfach: „Es ist schwierig, jemanden zu finden, der das nötige Fachwissen mitbringt und sich mit der Philosophie unseres Ladens identifiziert“, sagt er.
Zu dieser Philosophie gehört für Wildenauer, der sich selbst bei der Bergwacht engagiert, das Ehrenamt zu unterstützen. Wer bei ihm einkauft und ehrenamtlich tätig ist, bekommt einen Rabatt von fünf Prozent.
Bioladen Herzlich in Friedrichshafen: Erfolgreicher Neustart mit Bioladen und Café
Dass ein Neustart selbst in Krisenzeiten klappen kann, zeigt auch das Beispiel von David Tovmasyan. Er hatte vor zwei Jahren den Bioladen seiner Mutter übernommen und erhielt nach einem Jahr die Kündigung vom Vermieter. Im Frühjahr 2023 eröffnete er dann an einem anderen Standort neu und ist sehr zufrieden: „Es ist deutlich besser angelaufen, als gedacht“, sagt er. Auch Tovmasyan setzt längerfristig auf zwei Standbeine. In dem 80 Quadratmeter großen Bioladen Herzlich in Friedrichshafen gibt es zusätzlich ein Café. Letzteres wirft mit rund fünf Prozent des Umsatzes jedoch noch nicht so viel ab. Deshalb will Tovmasyan künftig auch Frühstück anbieten, um mehr Kundschaft anzulocken. Erste Probe-Essen sind bereits kreiert, nun wird das Feedback der Gäste eingeholt.
Der Laden selbst aber läuft richtig gut. „Wir bewegen uns in einem hohen Bonwert-Bereich, der sogar höher ist als der Durchschnitt“, so der Inhaber: „Wir schreiben jetzt schon grüne Zahlen, und das ist nach so kurzer Zeit nicht selbstverständlich.“ Besonders gut werde die Käsetheke angenommen, aber auch das täglich frische Brot und die Kuchen seien bei der Kundschaft sehr beliebt. Er versteht sich zwar als klassischer Vollsortimenter, bei dem man auch für den Wocheneinkauf alles findet, aber aufgrund der Fläche ist das Angebot bei Herzlich natürlich kleiner als in einem Supermarkt.
Was für Tovmasyan keinen Nachteil darstellt: „Viele Kunden tätigen nebenan bei Kaufland ihren Wocheneinkauf und kommen dann zu uns, um zusätzlich bestimmte Bio-Produkte zu kaufen“, sagt er. Von diesen Kunden gäbe es immer mehr. Außerdem hat er bereits eine große Stammkundschaft, „obwohl wir hier ja in einer sehr touristischen Region sind“. Neben Tovmasyan sind fünf weitere Mitarbeitende in Laden und Café beschäftigt – eine Auszubildende, drei Minijobber und eine Teilzeitkraft –, die über das nötige Fachwissen verfügen und deshalb nicht erst auf Bio und die Werte des Ladens eingeschworen werden mussten. So kann David Tovmasyan mit seinem Herzlich Bioladen und Café optimistisch in die Zukunft schauen.
Biowelt Sinsheim in Sinsheim-Dühren: Markthallencharakter mit Beratungsangebot
Mit viel Mut und einem Allround-Konzept sind im März 2023 auch Eugenie Glock und Elke Lüll mit ihrer 530 Quadratmeter großen Biowelt Sinsheim ins Unternehmerinnentum gestartet. Eher ländlich im baden-württembergischen Sinsheim-Dühren gelegen, sei der Standort ihres Geschäfts zwar eher ein „schwieriges Pflaster, aber wir haben es ganz gut hingekriegt“, berichtet Elke Lüll gegenüber BioHandel. Die Planung für die Biowelt Sinsheim begann laut Lüll bereits gut zwei Jahre vor der Eröffnung. Angetrieben hat die Senior-Chefin, die unter anderem bereits ein Reformhaus führte, vor allem der Wunsch, eine Existenz für und mit ihrer Schwiegertochter aufzubauen und „etwas Gutes weiterzugeben“.
Was das Konzept angeht, macht das Geschäft seinem Namen alle Ehre. Neben der großen Verkaufsfläche mit Markthallencharakter und möglichst regionalen Produkten bietet die Biowelt Sinsheim einen Lieferdienst, ein Café-Bistro mit täglichem Mittagstisch, einen Spielbereich für Kinder und Platz für 20 Personen, der bei schönem Wetter nach außen erweitert werden kann. Co-Geschäftsführerin Eugenie Glock hat sich innerhalb des Marktes auf Naturkosmetik spezialisiert und bietet neben Kosmetikbehandlungen auch Make-up-Beratungen an. Darüber hinaus können Glocks und Lülls Kundinnen und Kunden im Laden Trinkwasser- sowie Ernährungs- und Allergie-Beratungen in Anspruch nehmen.
Trotz des umfangreichen Angebots sei es aufgrund der äußeren Umstände nicht leicht für das Geschäft. „Der Endverbraucher fängt an zu sparen“, sagt Lüll. Ihrer Meinung nach sei es aber auch oft ein Vorurteil, dass Bio-Lebensmittel teuer sind. Durch ihre Partnerschaft mit Alnatura könne die Biowelt Sinsheim insbesondere Grundnahrungsmittel zum Einstiegspreis anbieten. „Manche Leute kommen auch regelmäßig, um einzelne Produkte nachzukaufen“, so Lüll. Die Ladnerin freut sich, dass auf diese Weise ein gemischtes Publikum den Weg in ihr Geschäft findet. Trotz aller Herausforderungen sei sie zu 150 Prozent von dem überzeugt, was sie macht: „Für mich ist unser Weg alternativlos. Wir gehen nach vorn und geben unser Bestes.“
BioLogisch in Halle: Bodenständigkeit ohne viel Schnickschnack
Im sachsen-anhaltinischen Halle wagte sich Andreas Merker im September 2023 mit einer Neueröffnung wiederholt aufs Bio-Eis. Nachdem er seinen Bioladen in der Leipziger Eisenbahnstraße ein Jahr zuvor aufgegeben hatte, wollte er eigentlich aufhören. Als er dann mitbekam, dass der Bioladen in der Geiststraße schließen sollte, übernahm er das 80 Quadratmeter große Geschäft kurzerhand. Für Merker, der vor seinem Laden in Leipzig Jahre zuvor bereits einen Bioladen in Halle führte, war es „eine Mischung aus wirtschaftlicher und persönlicher Entscheidung“, das Geschäft seines Vorgängers zu übernehmen.
Dabei zeichnet sich Merkers Konzept vor allem durch Bodenständigkeit ohne viel Schnickschnack aus. Natürlich habe er den Laden namens BioLogisch umgebaut und neugestaltet. Darüber hinaus listet er Waren, die möglichst aus der Umgebung kommen, wie etwa Backwaren von der Backwerkstatt Biolecker aus Halle-Trotha. Service-Extras wie eine Abo-Kiste oder einen Lieferservice bietet Merker neben seinem Sortiment allerdings nicht.
Möglich wären solche Dienstleistungen wohl auch nur, wenn der Ladner sich personell breiter aufstellen würde. Denn zurzeit schmeißt er sein Geschäft allein – mit Öffnungszeiten von Montag bis Freitag, 13 bis 19 Uhr. Merker jedoch ist zufrieden mit seiner beruflichen Situation: „Es läuft so, dass ich denke, noch ein paar Jahre machen zu können – nicht übermäßig gut, aber auch nicht schlecht“, so der Inhaber.
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