Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert die Bundesregierung dazu auf, für mehr Transparenz in der Lebensmittelwertschöpfungskette zu sorgen. Hierfür schlagen die Verbraucherschützer vor, eine Beobachtungsstelle für die Bildung von Lebensmittelpreisen einzurichten. Hintergrund sind die massiv gestiegenen Preise für Lebensmittel in den vergangen drei Jahren.
Während die allgemeine Inflation 2023 bei 5,9 Prozent lag, war die Preissteigerung bei Lebensmitteln mit 12,4 Prozent doppelt so hoch. Im Vergleich zum Jahr 2020 betrug der Anstieg sogar 30,3 Prozent. Zwar hat sich die Lebensmittelinflation inzwischen wieder verlangsamt. Lebensmittel kosten heute aber immer noch knapp 30 Prozent mehr als vor drei Jahren.
„Die Lebensmittelpreise gleichen einer Blackbox.“
Unklar ist, worauf die Preisexplosion zurückzuführen ist. Der Verbraucherzentrale zufolge können auch die gestiegenen Rohstoff- und Verarbeitungskosten den Anstieg nicht vollständig erklären.
„Die Lebensmittelpreise gleichen einer Blackbox“, sagt VZBV-Vorständin Ramona Pop. „Die hohen Umsätze der Lebensmittelindustrie geben Anlass zur Vermutung, dass hier auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbraucher Kasse gemacht wird.“
Tatsächlich konnte der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen Jahren seine Umsätze kontinuierlich steigern. 2023 betrug der Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland 219 Milliarden Euro. Die Prognose für dieses Jahr liegt bei 228 Milliarden Euro. Einen deutlich überdurchschnittlichen Sprung machten die Umsätze 2022. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie um rund 19 Prozent von 182 auf 217 Milliarden Euro.
Preisaufschläge im Einzelhandel sind über Jahre gestiegen
Die Monopolkommission kommt in einem aktuellen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Preisaufschläge im Lebensmitteleinzelhandel und in der Lebensmittelverarbeitung seit Jahren gestiegen sind, während diese im Agrarsektor gesunken sind und auf einem niedrigen Niveau konstant bleiben.
Die Kommission sieht außerdem Hinweise dafür, dass das Wachstum der Preisaufschläge im Einzelhandel durch Kosteneinsparungen getrieben werde, die nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben würden. Selbst in Zeiten, in denen Erzeuger oder Hersteller in den vorgelagerten Lebensmittelwertschöpfungsstufen ihre Preise senkten, beobachtete die Monopolkommission stabile Preise im Einzelhandel.
Mehr als nur „Hinweise“ darauf, wie sich das Preisgefüge bei Lebensmitteln verhält, verspricht sich der VZBV von einer Preisbeobachtungsstelle. Sie könnte dem Verband zufolge für mehr Transparenz sorgen und eine Datengrundlage für politische Handlungsoptionen schaffen.
Viele Daten zur Preisbeobachtung sind bereits vorhanden
Wie eine Beobachtungsstelle ausgestaltet sein muss und was sie leisten sollte, hat die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) im Auftrag des VZBV ermittelt. Zwar erfasst in Deutschland die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Preise und Kosten für einzelne Lebensmittel oder Produktgruppen. Laut VZBV würde die Daten aber weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene strukturiert aufbereitet.
Dem Gutachten der AMI zufolge ließe sich eine Preisbeobachtungsstelle, die die gesamte Wertschöpfungskette vom Landwirt bis zum Verkäufer unter die Lupe nimmt, in Deutschland umsetzen. Viele notwendige Daten seien bereits vorhanden. Die AMI schlägt in ihrer Machbarkeitsstudie daher auch vor, dass die zukünftigen Preisbeobachter an die Strukturen und Daten der BLE andocken sollten. Außerdem müssten sie unabhängig agieren können.
Vorbilder gibt es bereits in Frankreich und Spanien, die bereits solche Organisationen geschaffen haben. Und auch die Europäische Kommission will mit dem Agri-Food Chain Observatory (AFCO) das Dickicht in der Lebensmittellieferkette lichten und mehr Transparenz bei Preisgestaltung und Kostenstruktur der Beteiligten erhalten. Im Juli tagte die AFCO das erste Mal.
VZBV fordert Anpassung der Meldeverordnung
Um die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken, fordert der VZBV die Bundesregierung dazu auf, bestehende Datenlücken zu identifizieren und zu schließen. Dazu müssten auch Meldeverordnungen angepasst oder neu eingeführt werden.
Die Ergebnisse der Preisbeobachtung sollten einmal im Jahr dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden. „Auf dieser Basis könnte der Gesetzgeber die Wettbewerbssituation im Agrar- und Lebensmittelmarkt diskutieren und politische Maßnahmen ableiten“, so der VZBV.
Beginnen sollte die Preisbeobachtung bei frischen, wenig verarbeiteten Grundnahrungsmitteln. Der Verband begründet das mit den vergleichsweise geringeren Preisschwankungen in diesem Bereich. Später solle die Organisation weitere Produkte in den Fokus nehmen.
„Faire Lebensmittelpreise für Verbrauchende sollten eine Selbstverständlichkeit sein“, sagt Pop. „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug.“
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