Jedes Jahr auf der BioFach präsentiert der Arbeitskreis Biomarkt die (quasi offiziellen) Zahlen für den deutschen Umsatz an Bio-Lebensmitteln. Für 2018 meldete er ein Plus von 5,5 Prozent über alle Vertriebsschienen und einen Anstieg von 0,8 Prozent für den Biofachhandel. Diese 0,8 Prozent stellen einen rechnerischen Kompromiss dar.
„Wir hatten erstmals sehr unterschiedliche Zahlen für den Fachhandel vorliegen“, erläuterte Diana Schaack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) bei der Präsentation der Zahlen. Unterschiede, die die Experten des von der AMI koordinierten Arbeitskreises ratlos machten. Schließlich sind die Quellen der Zahlen seit Jahren die gleichen. Und obwohl sie mit sehr unterschiedlichen Methoden ermittelt werden, lagen sie nie sehr weit auseinander.
Zahlen aus dem Fachhandel
Das Umsatzbarometer von Klaus Braun und das Fachhandelsbarometer von Wobkom beruhen auf monatlich erhobenen Umsatzmeldungen der beteiligten Fachgeschäfte. bioVista wertet die Scannerkassendaten der teilnehmenden Läden aus.
Die so ermittelten Zahlen lassen sich nicht 1 zu 1 auf die Gesamtheit der Bioläden übertragen: An solchen Panels nehmen vor allem Geschäfte teil, die sich für ihre Zahlen interessieren und intensiv damit arbeiten. Sie sind deshalb tendenziell am Markt erfolgreicher. Kleinere Läden sind in den Panels eher unterrepräsentiert, die meisten regionalen und die bundesweiten Filialisten sind darin gar nicht vertreten.
Trotzdem sind es, wie Klaus Braun sagt, „real existierende Zahlen aus dem Fachhandel“. Bei seinem Umsatzbarometer beruhen sie auf den Daten von rund 300 Geschäften, die ihren Umsatz 2018 auf bestehender Fläche um 6,2 Prozent steigern konnten. Die Zahlen von gut 100 Geschäften gehen in das Fachhandelsbarometer von Wobkom ein. Es meldete für 2018 ein Umsatzplus auf bestehender Fläche von 3,3 Prozent.
bioVista erfasst die Daten von 260 Geschäften in einer Stichprobe, deren Umsatz auf bestehender Fläche um 2,4 Prozent zulegte. Hochgerechnet, also inklusive neu hinzugekommener Flächen, waren es 3,2 Prozent plus. In diese Zahl sind laut Vertriebschef Fabian Ganz auch die Umsatzmeldungen der Hersteller mit eingerechnet, die sich auf den gesamten Facheinzelhandel beziehen und damit auch die Entwicklung der Filialisten spiegeln. Von diesen selbst gibt es kaum Zahlen für 2018.
Die Bio Company kam inklusive zweier neuer Filialen auf 10,2 Prozent plus. Bei Denn’s hieß es, man sei auch auf bestehender Fläche gewachsen. Alnatura-Chef Götz Rehn verkündete bei der Bilanzpressekonferenz (Geschäftsjahr bis 30.09.2018), er sei mit dem flächenbereinigten Umsatz „sehr zufrieden“.
Die Umsatzzahlen des BNN
Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) meldete für 2018 ein Wachstum von 5,5 Prozent im Naturkostgroßhandel. Dabei handelt es sich um die realen Umsatzzahlen der Großhändler, die allerdings Nonfood-Artikel wie Kosmetik ebenso umfassen wie Neueröffnungen oder Lieferungen an Kunden außerhalb des Fachhandels.
Auf Grundlage der Großhandelsumsätze geht der BNN für den Facheinzelhandel von einem inklusive neuer Flächen um 5,2 Prozent auf 3,46 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz aus, der aber auch Non-Food-Artikel, Bistro etc. umfasst. Das Flächenwachstum im Naturkosthandel betrug im vergangenen Jahr aufgrund der Schließung von rund 100 Geschäften lediglich ein Prozent.
Fazit: Die direkt im Naturkostfachhandel erhobenen Daten deuten auf ein Wachstum hin, dass zwischen zwei und fünf Prozent und damit deutlich im Plus liegt.
Die Verbraucherdaten
Die Haushaltspanels von GfK und Nielsen erfassen das Einkaufsverhalten ausgesuchter Verbraucher und rechnen es hoch. Für den GfK Consumer Scan erfassen 30.000 repräsentativ ausgewählte Haushalte ihre Einkäufe an Lebensmitteln, Drogeriewaren und Getränken. Sie scannen die EAN der eingekauften Produkte und geben online weitere Details wie Einkaufstag, Einkaufsort, Gebindegröße oder Marke an. Die Marktforscher von ACNielsen betreiben ein Panel mit 20.000 Haushalten.
Beide gehen davon aus, dass die Umsätze des Biofachhandels 2018 deutlich zurückgegangen sind. Der Rückgang ist dabei bei der GfK mehr als doppelt so groß wie bei Nielsen. Diana Schaack präsentierte auf der BioFach eine Folie, auf der die laut GfK sich ergebenden Rückgänge in einzelnen Sortimentsbereichen aufgelistet waren. Sie betrugen meist zwischen fünf und zehn Prozent.
Schon in früheren Jahren lagen die von der GfK hochgerechneten Umsätze im Biofachhandel oft etwas unter den Zahlen aus dem Naturkosthandel. Das ließ sich damit erklären, dass Bio-Stammkunden mit öko-bewegter Vergangenheit seltener bereit sind, ihre privaten Daten mit Marktforschern zu teilen. Diese Intensiv-Käufer im Fachhandel wären damit unterrepräsentiert.
Diana Schaack weist darauf hin, dass die GfK 2013 ihre Gewichtungsmethoden entsprechend angepasst habe. Außerdem glätte sie den Einfluss von Preisaktionen, auf die die Panelhaushalte als bewusste Einkäufer stärker reagieren als andere Haushalte.
Woher kommt das Minus?
Eine mögliche Erklärung für das aktuelle Auseinanderklaffen könnte sein, dass die Anzahl an intensiven Biokäufern in der Grundgesamtheit des Panels relativ gering ist und dadurch bereits das geänderte Einkaufsverhalten kleiner Gruppen durchschlägt. Etwa wenn einige Menschen, die bisher viel bei Alnatura eingekauft haben, jetzt zu Edeka um die Ecke wechseln, weil sie Alnatura-Produkte auch dort bekommen und der Einkauf bequemer ist.
Auch könnte eine hohe Fluktuation der Panelteilnehmer die kleine Fallzahl der Bio-Intensivkäufer verändert haben. Möglich wäre ebenfalls, dass die Teilnehmer des GfK-Panels, weil sie sich intensiv mit ihren Einkäufen und deren Preisen auseinandersetzen, besonders empfänglich auf die intensive und preisgetriebene Bio-Werbung des LEH reagierten und ihre Bio-Gelegenheitskäufe aus dem Fachhandel in den LEH verlagerten.
Neue Datengrundlage
Die Grunddaten für den Biofachhandel beruhen auf Ergebnissen eines Forschungsprojektes von 2010 und wurden seitdem immer nur mit den jährlich ermittelten Wachstumsraten fortgeschrieben. Dadurch kann sich die Darstellung deutlich verzerren. Für den Naturkosthandel sei deshalb eine neue Kalibrierung nötig, mahnt Diana Schaack an.
Eine solche Neu-Erhebung hatte die AMI 2018 für die sonstigen Einkaufsstätten erstellt, zu denen Hofläden, Wochenmärkte, Bäcker, Metzger, Reformhäuser und Versandhandel zählen. Dabei ergab sich ein zusätzlicher Bio-Umsatz von 300 Millionen Euro. Die verwendeten Wachstumsraten, die über die Jahre zu dem zu niedrigen Ergebnis geführt hatten, beruhten weitgehend auf Daten aus dem Haushaltspanel der GfK.
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