Aufwärtstrend im Bio-Fachhandel? Die Umsatzzahlen im Bio-Fachhandel zeigen das erste Mal seit Februar 2021 im Vorjahresvergleich wieder nach oben. „Nach zwei Jahren stürmischer und krisenhafter Entwicklungen scheint der Naturkostfachhandel langsam wieder in etwas ruhigere Fahrwasser zu kommen“, sagt Unternehmensberater Klaus Braun, der regelmäßig die Daten für den Naturkostfachhandel exklusiv für das Umsatzbarometer BioHandel erhebt.
Bereits im zweiten Halbjahr 2022 war die Umsatzentwicklung weniger dramatisch ausgefallen als in den Monaten zuvor. Und nachdem sich die Entspannung zu Beginn dieses Jahres fortgesetzt hatte, folgten nun mit Mai und Juni zwei Monate, in denen das Wachstum wieder positiv war.
Hauchzartes Plus im zweiten Quartal
Im April gingen die durchschnittlichen Tagesumsätze noch um 3,7 Prozent zurück. Im Mai und Juni stiegen sie um 1,9 beziehungsweise 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. In absoluten Werten ausgedrückt: Im Schnitt hatten die Händlerinnen und Händler im April pro Tag 7.331 Euro in ihren Ladenkassen, im Mai waren es 6.892 und im Juni 6.559 Euro.
Insgesamt führte das zu einem hauchzarten Plus von 0,5 Prozent im zweiten Quartal, das im Wesentlichen aus den Bio-Supermärkten kommt. Damit haben sich die Signale der Vorlieferanten und erste Daten aus dem Frühjahr bestätigt, dass die Umsatzentwicklung zum Sommer hin über eine Stagnationsphase wieder zu einem kleinen Plus tendieren könnte.
Klaus Braun ist in Anbetracht dieser Ergebnisse vorsichtig optimistisch: „Hält dieser leichte Wachstumstrend im weiteren Verlauf des Jahres 2023 an, ist für das Gesamtjahr zumindest eine Stagnation, wenn nicht gar ein kleines Umsatzwachstum im Vergleich zu 2022 zu erwarten.“
Positiv entwickelten sich zuletzt auch wieder die Bonzahlen. Im Juni verzeichneten die Einzelhändlerinnen und -händler im Schnitt 5,5 Prozent mehr Einkaufsvorgänge im Vergleich zum Vorjahresmonat sowie um zwei Prozent gestiegene Bonwerte (mehr dazu in der September-Ausgabe des BioHandel). „Das ist ein Signal, dass sich das Kaufverhalten langsam wieder normalisieren könnte“, kommentiert Klaus Braun die Entwicklung.
Dass sich die Situation noch nicht wieder normalisiert hat, zeigen die Absatzzahlen: Trotz leicht erhöhter Umsätze verkauft der Fachhandel weiterhin signifikant weniger Ware. Das belegt unter anderem der Vergleich zur Entwicklung im ersten Halbjahr 2019. Im Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie betrug die Inflationsrate 1,4 Prozent und die Preise lagen deutlich unter denen aktuell. Dennoch erzielten die Ladnerinnen und Ladner vor drei Jahren nahezu die gleichen Tagesumsätze.
Absatzrückgang auch im LEH und Discount
Zum Vergleich: Im Juni lag die Inflationsrate, die viele Waren und Güter weiterhin deutlich teurer macht, bei 6,4 Prozent und damit noch weit entfernt von den zwei Prozent, die die Europäische Zentralbank anpeilt. Die Teuerungsrate bei Nahrungsmitteln betrug 13,7 Prozent. Das aktuelle Umsatzplus kommt also größtenteils durch die höheren Preise statt gestiegener Verkäufe.
Von der Entwicklung im Fachhandel konnten LEH, Discounter und Drogeriemarktketten zuletzt offenbar nur bedingt profitieren, wie aktuelle Zahlen von Nielsen IQ nahelegen. Während der Fachhandel im ersten Halbjahr auf ein Minus von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr kommt, steigerten die anderen Einzelhändler gemeinsam zwar ihre Umsätze mit Bio um 6,3 Prozent auf 3,49 Milliarden Euro. Allerdings ging auch dort der Absatz um 1,4 Prozent zurück. Was die Nielsen-Zahlen ebenfalls zeigen: Insgesamt entwickelten sich konventionelle Lebensmittel beim Umsatz und Absatz stärker als ökologisch erzeugte.
Was den Umsatzanteil im LEH angeht, machen Bio-Herstellermarken immer noch die Mehrheit aus. Jedoch wird der Abstand zu Handelsmarken geringer. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 stieg der Umsatz mit den günstigeren Bio-Eigenmarken der Handelsketten um 13,9 Prozent, während das Geschäft mit Herstellerware um 5,4 Prozent zurückging.
Die Händler haben diesen Trend längst erkannt und rüsten ihre Eigenmarken sukzessive auf. Erst am Montag gab die Edeka-Tochter Netto bekannt, Produkte ihrer Hausmarke „Bio Bio“ durch Naturland zertifizieren zu lassen. Und bei Aldi wertet der Anbauverband aus Oberbayern seit kurzem die neue Eigenmarke „Nur Nur Natur“ auf.
Umfrage: Kunden registrieren Preisunterschiede
Insgesamt sorgen die Preiserhöhungen weiterhin für ein spürbar verändertes Einkaufsverhalten. „Ein Teil der Kundinnen und Kunden verbleibt zwar im Fachhandel, wechselt beim Einkauf aber von den Premium-Hersteller-Marken zu den Preiseinstiegs-Handelsmarken“, beobachtet Klaus Braun. „Und ein anderer Teil wechselt die Einkaufsstätte – hin zum Bio-Angebot in LEH und Discount – in der Hoffnung, dort vergleichbare Produkte zu einem günstigeren Preis zu finden.“
Dass die Preise für Bio weniger stark gestiegen sind als bei konventionellen Produkte und der Fachhandel mitunter sogar günstiger ist als die Konkurrenz, haben Untersuchungen gezeigt. Das kommt auch bei den Verbrauchenden an.
Bei einer BioHandel-Umfrage über die Marktforschungs-App „biopinio“ aus dem ersten Quartal dieses Jahres hatten nur 26 Prozent von mehr als 300 Befragten den Eindruck, dass die Preise im Bioladen stärker angezogen hätten als im LEH oder bei Discountern. Genauso viele gaben an, dass die Preise im Bioladen weniger stark gestiegen seien. Ein Drittel befand: Die Preise sind hier wie da im gleichen Maße gestiegen.
Preise zum Thema machen
In der gleichen Umfrage gab zudem mehr als die Hälfte der Teilnehmenden (56,2 %) an, dass der Preis für sie nicht das entscheidende Kaufkriterium sei. Dennoch würden 43 Prozent der Befragten den Händler wechseln, wenn ein gewohntes Produkt in ihrer üblichen Einkaufsstätte zu teuer geworden sei. 33 Prozent würden auf eine günstigere Alternative ausweichen.
Klaus Braun rät den Fachhändlerinnen und -händlern, die Preissensibilität der Verbrauchenden zu nutzen: „Dass die Preisunterschiede aufgrund der geringeren Teuerungsrate im Fachhandel deutlich kleiner geworden sind, sollte den Kundinnen und Kunden kommuniziert werden“, sagt er.
Die großen Bio-Filialisten machen es bereits vor: Der BioMarkt Verbund startete im April eine breit angelegte Kampagne unter dem Slogan „BioMarkt garantiert PreisWert“, um zusätzliche Kunden zu gewinnen. Alnatura geht seit Ende Juni noch einen Schritt weiter und bietet mit „Prima“ eine weitere Eigenmarke an, deren Produkte es preislich mit Discounterware aufnehmen können und diese teilweise sogar unterbieten.
Zur Auswertung
Die Ergebnisse des Umsatzbarometer BioHandel stellen flächenbereinigte Entwicklungen im Einzelhandel auf Tagesumsatzbasis dar: Es werden nur solche Betriebe berücksichtigt, die sich bei der Umsatzmeldung im Vorjahreszeitraum in derselben Konstellation von Standort und Verkaufsfläche befunden haben. So können Aussagen über durchschnittliche betriebliche Wachstumsraten gemacht werden.
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