Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Traum-Zuwächse im Corona-Jahr

Das sind die 25 Naturkosthersteller mit den höchsten Umsätzen

Die führenden Hersteller der Branche konnten ihre Umsätze im vergangenen Jahr enorm steigern. Wer am meisten zulegte, vor welchen Herausforderungen die Unternehmen stehen und wer auf dem Sprung in die Top 25 ist.

Keine Frage, zumindest was die Um­sätze angeht, gehört die Naturkost-Branche zu den Gewinnern des vergangenen Jahres. Läden wie Herstel­ler profitierten davon, dass der Lebensmitteleinzel­handel nicht von den Lock­down-Schließungen betroffen war und die Menschen wegen Homeoffice, Homeschooling und geschlossenen Restau­rants mehr selbst kochten.

Positiv wirkte sich auch aus, dass viele in den vergangenen Monaten auf eine gesunde Ernährung achteten und sich durch die Wahl der Lebens­mittel etwas Gutes tun woll­ten. So konnten die 25 füh­renden Biolebensmittel- und Naturkosmetikhersteller ihre Umsätze im Naturkostfach­handel 2020 im Schnitt um 18 Prozent steigern. Betrach­tet man ausschließlich die Lebensmittelhersteller und -anbieter, waren es sogar 19,8 Prozent.

Zwei Top-Aufsteiger

Der absolute Top-Aufsteiger des Jahres 2020 ist laut Zahlen von Biovista die Spielberger Mühle mit einem Umsatzplus von stattlichen 42,7 Prozent (siehe Tabelle). „Spielberger hatte einfach die richtigen Produkte zur richti­gen Zeit“, stellt Branchenana­lyst Fabian Ganz fest. Hafer­flocken, Mehle, Getreide und Reis – diese Sortimente waren gerade in der Zeit des ersten Lockdowns im März, als sich viele Kunden besonders mit Grundnahrungsmitteln ein­deckten, enorm gefragt.

„Als exklusive Fachhandelsmarke konnten wir uns bereits vor der Corona-Krise über ein Wachstum im zweistelligen Bereich freuen“, sagt Unter­nehmenssprecherin Charlotte Ruck. Während des Lock­downs sei die Nachfrage noch einmal stark angestiegen – eine große Herausforderung, insbesondere bei der Roh­stoffbeschaffung. Dennoch sei es gelungen, die Kapazitä­ten rasch hochzufahren und die Nachfrage zu bedienen.

Das gilt auch für Byodo. Mit einem Plus von 30 Prozent legte das Unternehmen nach Spielberger prozentual am meisten zu. Größte Wachs­tumstreiber waren laut Biovista „Produkte entlang des Kochens“ wie Würzsoßen, Essige, Nudeln und Speiseöle. Trotz der enorm gestiegenen Nachfrage blieben auch die Mühldorfer laut eigenen Angaben fast durchgängig lieferfähig.

Wie das in solchen Aus­nahmesituationen gelingen kann? Die Top 25-Unterneh­men führen das nahezu unisono vor allem auf den sehr guten und intensiven Austausch mit ihren langjäh­rigen Partnern zurück. „Ge­rade regionale und nationale Lieferstrukturen mit persön­lichen Kontakten waren dabei in 2020 besonders hilfreich, um Lösungen für die neuen Herausforderungen zu fin­den“, sagt etwa Lukas Nossol, Leitung Unternehmenskom­munikation bei Dennree. Für Weiling gilt Ähnliches: So sei die Warenverfügbarkeit sehr hoch gewesen, weil man sehr gute und faire Kontakte zu den Lieferanten pflege, betont Annette Thul, Leiterin Marke­ting und Kommunikation.

Rohstoffengpässe und schwierige Planung

An Schwierigkeiten und Hin­dernissen mangelte es 2020 dennoch nicht: „Hamsterkäu­fe und das schnelle Nachlie­fern unserer Produkte, Grenz­schließungen und LKWs, die feststeckten, fehlendes Ver­packungsmaterial ,aufgrund von Engpässen bei Verpa­ckungslieferanten oder auch Verpackungsmaterial was an der Grenze festhing und nicht zum Lieferanten geliefert wor­den ist und last but not least Rohstoffe, die aufgrund der so schnell gestiegenen Nach­frage in so kurzer Zeit dann einfach mal vor dem Ernte­anschluss ausverkauft waren“, fasst Naturata-Vorständin Liane Maxion die Herausfor­derungen zusammen.

Wechselnde Corona-Maßnah­men und weitere Lockdowns im Laufe des Jahres führten zudem zu enorm schwan­kenden Absatzmengen. „Das erschwerte vor allem im Frischesortiment eine solide Planung extrem“, so die Erfahrung von Ökoland-Chef Patrik Müller. Nichtsdestotrotz konnte die Marke einen Um­satzzuwachs von 22 Prozent hinlegen. Laut den Zahlen von Biovista geht dieses Plus zum einen auf Neuprodukte zu­rück.

Zum anderen legte das Konservensortiment zu, Stich­wort: gesunde schnelle Küche für daheim. Von diesem Trend profitier­te auch Isana (Bioverde), die vor allem mit ihrer frischen Pasta aus dem Selbstbedie­nungskühlregal gute Umsatz­zuwächse erzielten. Demeter Felderzeugnisse, zu denen viele Marken gehören, die Tief­kühl-Ware anbieten, steiger­ten sich sogar um knapp 20 Prozent. Dass die Kunden auch mehr selbst backten, kam Bauckhof zugute, nicht zuletzt dank der Backmischungen.

Lockdown als Digitalisierungsbeschleuniger

Wenn im Jahr 2020 etwas ge­fragt war, dann flexibles und schnelles Handeln. „Die ohne­hin schon strengen Regeln der Lebensmittelindustrie, mit Blick auf die erforder­lichen Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen haben wir nochmals verschärft und zusätzlich in die administrati­ven Bereiche übertragen“, sagt Eike Mehlhop, Geschäftsfüh­rer der Allos Hof-Manufaktur. Die meisten Verwaltungs- und Steuerungsaufgaben habe man ins Homeoffice verlegt.

Nicht von ungefähr beschreibt Tanja Springer von Byodo die erste Phase des Lockdowns als „Digitalisierungsbe­schleuniger“. Ein Effekt, den die Unternehmen auch von Kunden-Seite zu spüren be­kamen: So war etwa beim österreichischen Tee- und Ge­würzspezialist Sonnentor vor allem zu Beginn der Pandemie der Ansturm auf den Webshop besonders hoch. „Wir hatten plötzlich drei Mal so viele Be­stellungen“, erinnert sich Ma­rie-Theres Chaloupek. Wohl dem, der über entsprechende Bandbreite verfügt: „Gerade mit Blick auf Homeoffice und virtuelle Messen ist eine stabile Verbindung wichtiger denn je – die ist im ländlichen Raum aber leider noch immer nicht selbstverständlich“, so Antje Steglich von Bio Planète.

Verstärkte Digitalisierung einerseits, Ausweitung der Produktions- und Lagerkapazi­täten andererseits: Auch hier standen und stehen bei vielen Unternehmen Investitionen an. „Diese sind auch notwen­dig, falls es zu weiteren Eng­pässen für Rohstoffe kommt. Das kann jederzeit passieren, je nach Krisenlage in den einzel­nen Ländern“, so die Einschät­zung von Rapunzel-Sprecherin Eva Kiene. Der Branchen-Pri­mus steigerte seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 16,4 Prozent. Starke Zuwächse er­zielten die Legauer vor allem mit Nussmusen, Nüssen und Trockenfrüchten. Zuwachs gab es aber auch bei Speiseölen und Reis – „es wurde mehr gekocht“, so Fabian Ganz. Von diesem Trend profitierten auch die Ulrich Walter GmbH (Le­bensbaum) und Sonnentor mit ihren Gewürzsortimenten.

Weniger Umsatz mit Außer-Haus-Verpflegung

Dass mehr gekocht und ge­backen wurde, war eine logi­sche Konsequenz davon, dass Restaurants und Kantinen ge­schlossen waren – schwierig für Unternehmen, die einen Teil ihres Umsatzes im Be­reich der Außer-Haus-Verpfle­gung (AHV) machen. Doch trotz des nahezu vollständi­gen Wegfallens der Umsätze aus dem Gastronomiegeschäft konnte beispielsweise Voelkel den Jahresumsatz weiter er­höhen: „Unser in 2020 neu vorgestellter Haferdrink in der Mehrwegflasche ist die erfolg­reichste Produkteinführung in der 85-jährigen Geschichte unseres Familienunterneh­mens“, berichtet Ole Müggen­burg von Voelkel. Zudem sei Demeter-Vollmilch bezahlt ge­macht.

Insgesamt konnte Wei­ling mit der Marke Bioladen den Umsatzschub mit einem Plus von 23 Prozent besser mitnehmen als Dennree (+13 Prozent). Eine Erklärung: „Unter der Marke Dennree laufen auch viele Frischmilchprodukte wie Butter und Speisequark, die nicht so gut bevorratet werden konnten“, so Fabian Ganz. Dennoch belegen die Töpener weiterhin mit Rang zwei einen Spitzenplatz in den Top 25.

Auf Platz drei behauptet sich auch 2020 wieder Alnatura. Da die Darmstädter keine Zah­len über ihre Handelsmarke veröffentlichen, sind wir auf Schätzungen angewiesen. Grundlage dafür ist die Hälfte des Gesamtumsatzes und die überschlägige Erschließung des Anteils der Handelsmar­ken im Sortiment. Mit einkal­kuliert wurde zudem der im Verhältnis zu Markenartikeln höhere Umschlag und der niedrigere Preis der Handels­marke. Danach erzielt Alnatura 2020 einen Umsatz von etwa 45.200 Euro pro Laden.

Kosmetik stagniert

Während Bio-Lebensmittel boomten, stagnierte der Um­satz mit Kosmetik: In Zeiten von Homeoffice und Masken­pflicht war vor allem dekora­tive Kosmetik deutlich schwä­cher nachgefragt. „Dazu kam, dass bei einigen Händlern auch schlichtweg keine Zeit war, sich um das Sortiment zu kümmern“, so die Erfahrung von Branchenanalyst Ganz. Die Einbußen hier konnten auch mit gestiegenen Umsät­zen bei Produkten zur Hand­desinfektion und -Pflege nicht kompensiert werden. Für die beiden Kosme­tik-Unternehmen in den Top 25 bedeutet das im Falle von Weleda stagnierende und bei Wala (Dr. Hauschka) sogar leicht gesunkene Umsätze.

Prognose für 2021

Fragt man die Unternehmen nach ihren Prognosen, blicken vor allem die Hersteller und Anbieter von Lebensmitteln sehr optimistisch in die Zu­kunft. Das zeigt sich auch daran, dass viele ihre Produk­tionskapazitäten weiter aus­weiten und neue Mitarbeiter einstellen wollen. „Wir er­warten auf Basis der bereits stark gewachsenen Absätze noch einmal ein kräftiges Wachstum“, sagt etwa Han­nes Öhler von Bauckhof.

Bei Lebensbaum ist man sich eben­falls sicher, dass die Nachfrage nach Bio-Produkten weiter steigen wird. „Und auch wir wollen weiter wachsen, denn mit jedem verkauften Produkt wächst die Anzahl der Felder, die ökologisch bewirtschaftet werden“, so Geschäftsführer Hans-Ulrich Schatz. Viele Abläufe mussten während der Pandemie um­gekrempelt werden: Digitali­sierung und Flexibilisierung waren Stichworte, die dabei immer wieder genannt wur­den. Vieles davon wird blei­ben. Vielleicht ja auch das in der Pandemie noch einmal gestärkte „Wir-Gefühl für das eigene Unternehmen wie für die Partner“, so Zwergenwie­se-Prokurist Jochen Walz.

Einmal raus aus den Top 25 schafften es Unternehmen wie Davert, Provamel, Lavera oder Logona auch im Corona-Jahr nicht wieder hinein. Aktivi­täten außerhalb von Fachhan­del oder Konzern-Strukturen wurden auch 2020 abgestraft. Allerdings machen sich mit Followfood (Zuwachs von über 40 Prozent), Soto (+ 35 Prozent) und Natumi (+31 Prozent) Unternehmen bereit, den Sprung in die Top 25 zu schaffen, wenn sie die enorme Wachstumsdynamik beibe­halten. Es bleibt spannend.

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