Der Außer-Haus-Verpflegungsmarkt (AHV) wird von über elf Millionen Menschen täglich genutzt. Welchen Herausforderungen er ausgesetzt ist, wo die Reise hingeht und wo die Politik noch besser unterstützen kann, untersuchte eine Studie im Auftrag der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG), die von der Food-Expertin Prof. Dr. Jana Rückert-John ausgearbeitet und jetzt vorgestellt wurde.
Nachhaltigkeit als Metathema
Das Thema Nachhaltigkeit ist eine der drängendsten Aufgaben auf dem AHV-Markt, so die DZG-Untersuchung. Olivier Kölsch, Studienexperte und Geschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie: „In der Branche ist Nachhaltigkeit eigentlich kein Thema mehr, sondern ein Metathema. Hier sind wir immer bestrebt, die Erwartungen zu erfüllen beziehungsweise bei dem Thema aktiv voranzugehen.“
So zitiert die Studie eine Umfrage des Fachmagazins Foodservice unter 65 Profi-Gastronominnen und -Gastronomen im Jahr 2021/2022, laut der sich die Befragten insbesondere auf Verpackung und Klimaschutz fokussieren: „Dies folgt unter anderem der verstärkten Delivery und Take-away Nachfrage seit der Coronapandemie, aber auch den wachsenden Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbrauchern und den politischen Nachhaltigkeitszielen in Deutschland und der EU", so das Fazit.
Darüber hinaus setzen Gastronominnen und Gastronomen immer stärker auf ein Angebot pflanzenbetonter, regionaler und saisonaler Speisen. Dies werde von den Gästen – insbesondere der Gen Z – erwartet, wie auch eine Umfrage National Purchase Diary Group 2022 zeigte: Danach achten 46 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Nachhaltigkeit im Restaurant und 54 Prozent auf ein abwechslungsreiches Speisenangebot (einschließlich fleischlos, vegetarisch, Kindermenü, zuckerarm und fettarm).
Doch gerade auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit gibt es zahlreiche Herausforderungen, etwa – wie überall in der Branche – den Mangel an Fach- und Arbeitskräften, die entsprechende Mengenverfügbarkeit, die Notwendigkeit von Investitionen und nicht zuletzt die gesunkene Kaufkraft der Kundschaft.
Schnellgastronomie mit größtem Marktanteil
Im Jahr 2023 machte der AHV-Markt in Deutschland einen Gesamtumsatz von 84,5 Milliarden Euro, rund elf Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahr und zwei Prozent mehr im Vergleich zu 2019.
Die jährlichen Besucherzahlen reichen mit 8,79 Milliarden Besuchen noch nicht wieder an den Wert von 2019 (9,8 Milliarden Besuche) heran. Dass die Umsätze dennoch gestiegen sind, erklärt sich dadurch, dass die Gäste pro Besuch mehr ausgeben. Der Durchschnitts-Bon lag 2023 bei 10,21 Euro pro Besuch (im Vergleich zu 9,64 Euro 2019). Hauptgrund hierfür sind die gestiegenen Preise.
Anstelle der Bedien- und Hotelgastronomie, die 2019 noch den Markt anführte, erzielte die Schnellgastronomie – zu der neben Schnellrestaurants auch Bäcker, Metzger, Tankstellen, Coffeebars, Lieferdienste und Handelsgastronomie zählen – im Jahr 2023 mit 32,74 Milliarden Euro den größten Marktanteil und erreichte dabei eine Umsatzsteigerung von 16,1 Prozent.
Zu den wesentlichen Gründen hierfür zählen der anhaltende Trend zu Homeoffice und die Nutzung von Lieferservices, die gestiegene Preissensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Arbeitskräftemangel, der sich vor allem in der bedienorientierten Gastronomie negativ bemerkbar macht. In den vergangenen beiden Jahren wurden 14.000 vor allem kleinere Betriebe geschlossen, was vor allem an den verschiedenen Krisen, aber eben auch am Fachkräftemangel liegt, so Prof. Jana Rückert-John. Mindestens 100.000 Arbeitskräfte fehlten ihr zufolge Ende 2023 in der Branche – vor allem in der Bediengastronomie.
Ideen gegen den Fachkräftemangel
Laut DZG-Vorstandssprecher Dr. Marcel Klinge seien die Lockerungen des neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes noch nicht ausreichend, um das sich zuspitzende Personalproblem in den Griff zu bekommen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gehe davon aus, dass eine jährliche Netto-Zuwanderung von mindestens 400.000 Arbeitskräften nötig sei, um das derzeitige Arbeitskräfteangebot aufrechtzuerhalten. Mit den neuen Zuwanderungsregeln würden jedoch „nur“ 65.000 bis 75.000 zusätzliche Mitarbeitende pro Jahr gewonnen – und das für die gesamte deutsche Wirtschaft, so Klinge.
Schnellere Verfahren, weniger Bürokratie und ein einfacheres Onboarding nach der Einreise (etwa bei der Wohnungssuche) wären eine große Hilfe. „Außerdem werben wir dafür, dass im nächsten Schritt bereits ein unbefristeter Arbeitsvertrag für eine Arbeitserlaubnis reicht. Unsere Betriebe sind Integrations-Weltmeister – wenn uns die Politik lässt“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete.
Weitere Möglichkeiten, für Fachkräfte attraktiver zu werden, könnten laut Klinge auch Mitarbeiterwohnungen sein und eine bessere Work-Life-Balance für Beschäftigte in der Gastronomie. Außerdem müsse man „beim Thema Löhne zulegen“.
Digitalisierung für bessere Arbeitsbedingungen
Auch weitere Digitalisierungsanstrengungen könnten zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen. Während der Pandemie lag der Fokus vor allem auf Prozessen wie digitale Tischreservierung und Essensvorbestellung, Homeoffice-Möglichkeiten für Mitarbeitende und Lieferservice. Durch den verstärkten Einsatz von Koch- und Servicerobotern, Self-Order-Terminals oder auch Künstlicher Intelligenz für Recruiting-Prozesse könnte die Gastronomie aber auch dem Arbeitskräftemangel etwas entgegensetzen. Wobei die neuen Technologien nicht ganz einfach zu realisieren und kostenintensiv sind – und von den Gästen akzeptiert werden müssten, so Klinge.
Zur Studie
Die Studie zur Außer-Haus-Verpflegung in Post-Corona-Zeiten wurde finanziell unterstützt von Edeka Foodservice (Lebensmittel-Großhandel), Intergast (Lebensmittel-Großhandel), Ecolab (Reinigung & Hygiene) sowie Weitblick (Arbeitskleidung) und kann über die DZG-Webseite bis Ende Juni kostenfrei abgerufen werden: https://bit.ly/aha-studie
Untersucht wurde in der Studie ausschließlich die Individualgastronomie, eine Folgestudie zur Gemeinschaftsverpflegung soll im Sommer starten.
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