Laut der aktuellen Studie „Meine, deine, unsere? Was uns als Gesellschaft beim Thema Ernährung wichtig ist“, die die Robert Bosch Stiftung in Auftrag gegeben hat, schwanken die meisten Menschen bei ihrer Ernährung zwischen individuellem Genuss und gesellschaftlichen Ansprüchen. Ihre Haltung zu dem Thema ist also widersprüchlich – was sich auch mit den Erkenntnissen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn (DHBW Heilbronn) zum sogenannte „Attitude-Behavior-Gap“ deckt.
Einerseits gibt es einen Willen zur Veränderung, andererseits wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre persönliche Gestaltungsfreiheit bewahren. Daher empfehlen die Initiatoren der Studie, für eine nachhaltige und gerechte Ernährungspolitik sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Ansprüche zu berücksichtigen.
Zufriedenheit mit der Ernährung muss man sich leisten können
Immerhin 84 Prozent der Menschen geben an, häufig oder gelegentlich bewusst über die Art und Weise ihrer Ernährung nachzudenken. Dabei sind die meisten Menschen (62 Prozent) zufrieden mit ihrer Ernährung. Es gibt allerdings Unterschiede in den Alters- und Einkommensklassen: So steigt die Zufriedenheit mit zunehmendem Alter und Einkommen.
Menschen mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro sind nur knapp zur Hälfte zufrieden mit ihrer Ernährung (51 Prozent), bei jenen mit über 3.500 Euro liegt dieser Wert bei 65 Prozent. Die Untersuchung legt nahe, dass man sich Zufriedenheit mit der eigenen Ernährung häufig auch leisten können muss.
Ihre Informationen zur Ernährung beziehen die Befragten vor allem aus dem persönlichen Umfeld (55 Prozent) und aus sozialen Medien mit 36 Prozent. Dann folgen Werbung, Fernsehsendungen – besonders Ernährungs-Dokus und Sendungen, die der Lebensmittelindustrie auf die Finger schauen, wird großes Vertrauen entgegengebracht –, Kochbücher oder journalistische Beiträge.
Selten dienen etwa Fachpublikationen oder Informationskampagnen als Informationsquelle. Am wenigsten vertrauen die Studienteilnehmer großen Lebensmittelunternehmen (13 Prozent), Influencerinnen und Influencern (12 Prozent) und Politikerinnen und Politikern (8 Prozent).
Politik soll Verantwortung übernehmen
Eine Mehrheit von 56 Prozent möchte eher, dass die Politik sich aus dem Thema Ernährung heraushält, während 38 Prozent großen politischen Handlungsbedarf sehen. Hier zeigt sich laut Studie ein Konflikt zwischen dem Wunsch nach politischen Vorgaben und der Sorge vor einem politisch-gesellschaftlichen Übergriff. 62 Prozent finden die aktuelle Ernährungspolitik wirkungslos (22 Prozent wirksam), 58 Prozent ungerecht (26 Prozent gerecht) und 42 Prozent ideologisch (37 Prozent pragmatisch).
Dabei wünschen sich viele, dass die Politik Verantwortung übernimmt und der Lebensmittelindustrie gegenüber die Interessen der Bevölkerung durchsetzt und schützt. Laut der Forschenden herrschte nahezu einhellig die Meinung, dass der Lebensmittelindustrie strengere Vorgaben zum Wohle der Bevölkerung gemacht und diese rigoros kontrolliert werden sollten.
Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch kommentiert dieses Ergebnis so: „Die Studie zeigt eindeutig: Die Menschen in Deutschland wünschen sich eine Ernährungspolitik, die gesunde, nachhaltige und bezahlbare Lebensmittel fördert – aber die politisch Verantwortlichen lassen die Bürgerinnen und Bürger allein. 62 Prozent halten die bisherige Ernährungspolitik für wirkungslos – das muss ein Weckruf an die neue Bundesregierung sein.“
Die Studie
Die Studie der Robert Bosch Stiftung und der internationalen gemeinnützigen Organisation More in Common „Meine, deine, unsere? Was uns als Gesellschaft beim Thema Ernährung wichtig ist“ wurde in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Verian durchgeführt.
Die zugrundeliegende Forschung umfasst sechs qualitative Fokusgruppen mit unterschiedlichen Bevölkerungssegmenten im September 2024, sowie eine quantitative Online-Panel-Erhebung von 2.020 Menschen im Oktober 2024.
Die ausführlichen Ergebnisse der Studie finden Sie hier.
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