„Nachhaltiges Einkaufen ist kein Selbstläufer. Handel und Hersteller sind aufgefordert, die Nachhaltigkeitsorientierung der Kundschaft zu fördern“ – zu diesem Schluss kommt eine Studie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn, deren Ergebnisse gerade in einem Whitepaper veröffentlicht wurden. Sie zeigt, wie sich die Einstellung zu nachhaltigen Verhaltensweisen über einen Zeitraum von vier Jahren aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen verändert haben.
Am deutlichsten machen sich die Veränderungen am Preis bemerkbar: Der in der Befragung 2024 erstmalig gestellten Frage ‚Wenn ich ehrlich bin, dann ist mir der Preis wichtiger als die Nachhaltigkeit‘ haben nur 17,5 Prozent nicht zugestimmt oder eher nicht zugestimmt. Diese Preissensibilität ist laut Studie „die wesentliche Ursache, dass Nachhaltigkeit generell keine größere Bedeutung beim Kauf von Lebensmitteln hat und somit auch für die Entstehung des Attitude-Behavior-Gaps“ – der Kluft zwischen der Einstellung und dem Verhalten von Konsumenten in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Sorgen um Kaufkraft und Wohlstand
Auch der Zustimmungswert beim Verzicht auf Wohlstand für Nachhaltigkeit geht deutlich zurück: Der Wert sinkt von 48,3 Prozent in 2023 auf 30,6 Prozent in 2024. Und auch die Bereitschaft, aufgrund der Anzahl nachhaltiger Produkte die Einkaufsstätte zu wechseln, erreicht 2024 den niedrigsten Stand. Diese Entwicklung legt die Vermutung nahe, dass das Thema Nachhaltigkeit von Sorgen um Kaufkraft und Wohlstand zurückgedrängt worden ist.
Dabei sei die positive Einstellung zu einem nachhaltigen und verantwortlichen Konsum von Lebensmitteln und das Interesse an nachhaltigem Verhalten von Herstellern und Handel bei vielen Zielgruppen durchaus gegeben, so die DHBW. In der Realität sei jedoch „eine Diskrepanz zwischen der Einstellung zu nachhaltigem Konsum und dem Anteil tatsächlich konsumierter nachhaltiger Güter zu beobachten“.
Die geringsten Diskrepanzen zwischen Attitude und Behavior sind laut Studie bei den Themen Reduktion von Fleisch-/Fischkonsum, Lebensmittelverschwendung und Bio zu beobachten, das größte Gap besteht bei fairen Lohn-/Arbeitsbedingungen, Transparenz hinsichtlich der Informationen sowie im verantwortungsvollen Handeln der Hersteller.
Handlungsempfehlungen für Hersteller und Handel
Seit dem ersten Whitepaper 2021 gibt die DHBW Heilbronn auf Basis ihrer Studien-Ergebnisse zehn Handlungsempfehlungen für Hersteller und Handel, wie Nachhaltigkeitskriterien bei der Kaufentscheidung der Kundschaft gestärkt werden können. Unter anderem:
- Hersteller und Handel sollten darauf einwirken, dass durch staatliche Maßnahmen der preisliche Unterschied zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Produkten reduziert wird. Preise müssen auch externe Kosten im Sinne eines True-Cost-Ansatzes enthalten.
- Neben dem Preis ist die Markenloyalität bei habituellen Kaufentscheidungen ein Hemmnis für nachhaltigeren Konsum. Die Markenartikelindustrie ist gefordert, Produkte und Verpackungen nachhaltiger zu gestalten. Der Handel muss mit seiner Marktmacht in Gesprächen und Verhandlungen mit Hersteller versuchen, Nachhaltigkeit vor Konditionen zu priorisieren.
- Information, Aufklärung und Ehrlichkeit sollten in der Kommunikation Priorität haben, um die Wertschätzung von Lebensmitteln und der eigenen Gesundheit weiter zu steigern. Im Marketing muss eine emotionale, soziale und kognitive Ansprache erfolgen. Das so entstandene subjektive Wissen ist Moderator für die Umsetzung von Einstellung (Attitude) in Verhalten (Behavior). Der Handel muss ein profundes Know-how über die Komplexität der Nachhaltigkeitskonzepte aufbauen und Kundschaft, Mitarbeitenden und Lieferanten zur Verfügung stellen.
Über die Studie
In der Studie wurde das Attitude-Behavior-Gap untersucht. Die methodische Grundlage zur Bestimmung des Ausmaßes dieser Diskrepanz bilden zwei quantitative Studien. Der Fragenkatalog fokussierte sich auf insgesamt 13 Kaufkriterien. Zu diesen Kriterien wurden in der ersten Befragung die Einstellungen (Attitude) und in der zweiten Studie das Konsumverhalten (Behavior) der Probandinnen und Probanden erfasst. Die Erfassung der beiden Aspekte erfolgte in getrennten Befragungen, um Verzerrungen im Antwortverhalten aufgrund der sozialen Erwünschtheit (Social Desirability) zu minimieren.
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