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Mehrwertsteuer auf Lebensmittel

Fleischpreise hoch: Welche weitreichenden Folgen eine Steuerreform hätte

Fleischpreise hoch, Obst- und Gemüse günstiger: Forscher haben berechnet, welche weitreichenden (wirtschaftlichen) Folgen eine Reform der Mehrwertsteuer auf tierische und pflanzliche Lebensmittel für Klima, Umwelt und Gesundheit hätte. 

Gezielte steuerliche Anreize können die Ernährung verbessern und gleichzeitig Umwelt- sowie Gesundheitskosten senken. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie eines internationalen Teams von Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Dr. Marco Springmann von der Universität Oxford und Dr. Florian Freund vom Thünen-Institut für Marktanalyse. 

Für ihre Untersuchung analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drei Szenarien: 

  • eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse auf null Prozent
  • die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch- und Milchprodukte auf den jeweils höchsten Satz in den Ländern 
  • eine Kombination aus beiden Maßnahmen

Die Studie umfasst alle Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie das Vereinigte Königreich. Zwischen den einzelnen Staaten variiert die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel mitunter erheblich. Während sie in Großbritannien bei nahezu null liegt, beträgt sie in Dänemark bis zu 25 Prozent. Auch in Deutschland bestehen Ungleichgewichte: Tierische Produkte werden mit sieben Prozent besteuert, pflanzliche dagegen mit 19 Prozent. Eine Reform auch bei Bio-Lebensmitteln wurde in Deutschland zwar diskutiert, fand aber bislang keine politische Zustimmung. 

„Um Zielkonflikte zwischen Ökonomie, Umwelt und Gesundheit zu minimieren, sollte nach Möglichkeit die Mehrwertsteuer auf beide Produktgruppen angepasst werden.“

Dr. Florian Freund, Thünen-Institut

Die Autoren begründen ihre Studie mit der Notwendigkeit, westliche Ernährungsgewohnheiten zu ändern, da diese sowohl gesundheitsschädlich als auch umweltschädlich seien. Während Fleisch- und Milchprodukte wesentlich zu Treibhausgasemissionen beitragen, liegt der vergleichsweise klimafreundliche Konsum von Obst und Gemüse in vielen Ländern unter den Empfehlungen.

Am meisten Erfolg versprechen sich die Wissenschaftler dann, wenn die Länder ihre Mehrwertsteuersätze auf pflanzliche Produkte reduzieren und gleichzeitig die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte erhöhen. „Um Zielkonflikte zwischen Ökonomie, Umwelt und Gesundheit zu minimieren, sollte nach Möglichkeit die Mehrwertsteuer auf beide Produktgruppen angepasst werden“, so Dr. Florian Freund.

Mehrwertsteuerreform hätte weitreichende Folgen

Bei einer Anhebung der Mehrwertsteuer würden sich Fleisch- und Milchprodukte der Studie zufolge im Durchschnitt um 13 Prozent verteuern. Gleichzeitig führe die Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse zu einem Preisrückgang um neun Prozent. Das hätte weitreichende Folgen:

Laut den Berechnungen würde  

  • die Nachfrage nach Fleisch- und Milchprodukten um neun Prozent sinken.
  • der Konsum von Obst und Gemüse um acht Prozent zunehmen.

     

Damit einher gehen erhebliche gesundheitliche und ökologische Vorteile:

  • Die Forscher schätzen, dass jährlich 170.000 ernährungsbedingte Todesfälle in Europa verhindert werden könnten. Dies entspricht etwa 330 geretteten Leben pro eine Million Einwohner. In Deutschland wären es 20.000 Todesfälle weniger.
  • Lebensmittelbedingte Treibhausgasemissionen würden um sechs Prozent sinken. Dies entspricht einer Einsparung von 63 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. In Deutschland wären es etwa zehn Millionen Tonnen weniger, was den jährlichen Emissionen Lettlands entspricht.

     

Und auch wirtschaftlich hätte eine Mehrwertsteuerreform der Studie zufolge Vorteile: 

  • Die Steuereinnahmen aus lebensmittelbezogenen Abgaben würden europaweit um 34 Prozent steigen, was etwa 45,6 Milliarden US-Dollar (44,3 Milliarden Euro) an zusätzliche Einnahmen bedeuten würde. In Deutschland wären es rund sieben Milliarden US-Dollar (6,8 Milliarden Euro). 
  • Gleichzeitig würden die gesellschaftlichen Kosten für Gesundheitsausgaben und Klimaschäden um 37,3 Milliarden US-Dollar pro Jahr sinken, davon etwa sechs Milliarden Dollar in Deutschland.

Mehrwertsteuerreform als Alternative zur CO2-Steuer

Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass eine differenzierte Mehrwertsteuer auf Lebensmittel eine effektive Maßnahme darstellt, um gesundheitliche und ökologische Ziele zu erreichen. „Lässt sich eine stärker zielgerichtete Steuer wie die CO2-Steuer nicht durchsetzen, könnte die Reform der Mehrwertsteuer eine einfache Möglichkeit sein, dennoch Ernährungssysteme nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Springmann.

Um soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden, empfehlen die Autoren zusätzliche Maßnahmen wie eine gezielte Rückverteilung von Steuereinnahmen. Denn eine höhere Steuer auf Fleisch- und Milchprodukte würde vor allem Haushalte mit geringem Einkommen belasten, da diese einen größeren Anteil ihres Budgets für Lebensmittel ausgeben.

Um diese Belastung auszugleichen, schlagen die Autoren vor, einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen gezielt an die betroffenen Bevölkerungsgruppen zurückzugeben. Dies könnte beispielsweise durch Transferzahlungen oder steuerliche Entlastungen erfolgen. Auch die Subventionierung gesunder und nachhaltig produzierter Lebensmittel könnte dazu beitragen, dass alle sozialen Schichten von den gesundheitlichen und ökologischen Vorteilen der Steuerreform profitieren. (mis)

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