Der Bio-Facheinzelhandel hat das vergangene Jahr mit einem hauchzarten Umsatzplus beendet. Die Geschäfte der am Umsatzbarometer BioHandel teilnehmenden Betriebe legten 2023 im Schnitt um 0,2 Prozent zu. Für die Branche ist es das erste Plus auf Jahressicht seit drei Jahren. 2020 verbuchten die Händler noch einen Umsatzzuwachs von über 16 Prozent.
Dass die Ladenbetreiber wieder an diese Marke herankommen, ist eher unwahrscheinlich – zumindest so lange Deutschland und die Welt vor einer erneuten Pandemie verschont bleiben. Und auch ein Umsatzplus von 6,7 Prozent, das 2019 unter dem Strich stand, ist noch in weiter Ferne.
„Nominell sind die Euro-Umsätze zwar wieder auf dem Niveau von 2019“, sagt Berater Klaus Braun, der regelmäßig die Zahlen der Bio-Einzelhändlerinnen und -händler exklusiv für BioHandel erhebt. Berücksichtige man jedoch die Inflation, werde klar, wie dramatisch die Rückgänge bei den Stückzahlen der im Fachhandel abgesetzten Bio-Lebensmittel sind. 2023 und 2022 mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke im Schnitt über zwölf Prozent mehr bezahlen als im jeweiligen Vorjahr.
Entwicklung der Tagesumsätze nach Quartal
Allerdings gibt es positive Tendenzen. Denn der Fachhandel konnte seine Umsätze im zweiten Halbjahr 2023 steigern, während die Teuerung bei Nahrungsmitteln seit März kontinuierlich zurückgeht. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres schrumpfte sie von 6,1 Prozent im Oktober auf 4,6 Prozent im Dezember.
Entwicklung der Tagesumsätze nach Monat
Gleichzeitig stiegen die Tagesumsätze im Oktober um 0,6 Prozent – bei einem Verkaufstag mehr als im Vorjahr, im November um vier Prozent und im Dezember – bei zwei Verkaufstagen weniger – um 10,1 Prozent. Das vierte Quartal war mit einem Umsatzplus von knapp fünf Prozent gleichzeitig das für die Biohändler erfolgreichste im vergangenen Jahr. Insbesondere die kleinsten Läden entwickelten sich in den letzten drei Monaten 2023 gut (siehe folgende Grafik).
Umsatzentwicklung nach Fläche im 4. Quartal
„Nachdem nach der Corona-Phase die Kundenzahlen kontinuierlich gesunken sind, kommt seit der Jahresmitte 2023 wieder mehr Kundschaft zum Einkaufen in den Bio-Fachhandel“, beobachtet Klaus Braun. „Dies ist die Hauptursache für die steigenden Umsätze.“ Im Oktober etwa registrierte der Marktforscher Biovista 4,1 Prozent mehr Kunden in den Bioläden und -märkten als im Vorjahresmonat. „Da sich die Einkäufe weiterhin stark in den Preiseinstiegsbereich und auf Aktionen verlagern, sind seit Sommer stagnierende Bonsummen zu beobachten“, so Klaus Braun.
LEH und Drogeriemärkte steigern Bio-Umsatz
Die Naturkostbranche kann die positiven Nachrichten aus dem Einzelhandel gut vertragen. Schließlich wird das aktuelle Jahr für sie nicht weniger herausfordernd werden als die beiden vorangegangenen. Die Konkurrenz durch die großen konventionellen Anbieter wird größer. Im LEH (ohne Discounter) und in den Drogeriemärkten stieg der Umsatz mit Bio im Vergleich zum Vorjahr um 8,7 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro, wie Daten von Nielsen IQ zeigen. Der Bio-Absatz legte um 4,7 Prozent zu.
Treiber dieser Entwicklung waren im LEH insbesondere die Eigenmarken der Händler. Mit ihnen machten die Ketten 16 Prozent mehr Umsatz als im Jahr 2022. Das Geschäft mit Herstellermarken ging im gleichen Zeitraum um zwei Prozent zurück. Nielsen IQ zufolge betrug der Umsatzanteil der Herstellermarken im LEH 55 Prozent. Würde man die Discounter mit ihren starken Eigenmarken mitberücksichtigen, würden sich die Anteile noch weiter zu Ungunsten der Hersteller verschieben.
Bio-Umsatz mit Handels- und Herstellermarken im LEH
Der Trend ging zuletzt klar zu Bio-Handelsmarken. Ende 2022 lag deren Umsatzanteil im LEH laut Nielsen IQ noch bei 40 Prozent. Ende 2023 machten sie 45 Prozent aus. Während Eigenmarken ein starkes Wachstum hinlegten, verzeichnete der konventionelle Handel mit Herstellermarken „deutliche Umsatzeinbußen und Anteilsverluste“, so Nielsen.
Die konventionellen Ketten reagieren auf diese Entwicklung und bauen ihre Bio-Eigensortimente kontinuierlich aus – nicht nur was die Mengen angeht. Auch bei der Qualität rüsten sie immer weiter auf. Bio-Anbauverbände werden dort immer stärker auch zu Zulieferern von Eigenmarken.
Gleichzeitig bleiben Markenhersteller weiter attraktiv, insbesondere wenn diese aus dem Fachhandel kommen. Edeka, Rewe und Tegut bieten inzwischen auch Produkte etablierter Bio-Fachhandelsmarken wie Rapunzel, Zwergenwiese, Sonnentor und Soto an, die mit den neuen Absatzkanälen auf die Schwächephase des Fachhandels reagiert haben. Weitere bislang fachhandelstreue Marken haben ihre Fühler in den LEH bereits ausgestreckt.
Klaus Braun sieht die Biohändlerinnen und -händler in diesem Umfeld vor „enorme Aufgaben“ gestellt. „Wenn sie auch weiterhin eine relevante Rolle spielen wollen im Handel mit Bio-Lebensmitteln, werden sich viele als erfolgreiche Dienstleister ein Stückweit neu erfinden müssen“, sagt er. „Schwierig daran wird sein, dass diese Aufgabe unter materiellem Druck und kurzfristig gelöst werden muss, um erfolgreich sein zu können.“
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