- Fachhandelsmarken suchen nach neuen Vertriebswegen
- Großhändler konnten ihre Umsätze durch Handelsmarken steigern
- Umsätze der Top 25-Hersteller im Überblik
- Molkereien mit Umsatzplus im Fachhandel
- Preisoptik verbessern durch Anpassen der Packungsgrößen
- Innovationen sorgen für Zuwachs und Rückschläge
- Vorsichtig optimistischer Blick auf 2024
Zufriedenstellend, aber herausfordernd, teils auch kräftezehrend – so beschreiben viele der von BioHandel befragten Bio-Hersteller das vergangene Jahr. Vor allem die ersten sechs Monate waren wie schon 2022 geprägt von hohen Kosten einerseits und einer großen Kaufzurückhaltung der Kundschaft andererseits.
Das Dilemma, mit dem sich viele Hersteller dadurch konfrontiert sahen, bringt Florian Zielinski, Bio-Verkaufsleiter der Molkerei Berchtesgadener Land so auf den Punkt: „Nach wie vor bleibt es herausfordernd, die richtigen Preisstellungen für die Produktgruppen zu finden.“ Zwar benötige man durch die nochmals gestiegenen Kosten auf der einen Seite Preiserhöhungen. „Andererseits dürfen die Ladenverkaufspreise für die Verbraucher:innen nicht überzogen werden, da ansonsten die Kundschaft beim derzeitigen negativen Konsumklima nicht mehr zu Bio greift.“
Eine weitere Kunden-Reaktion: Die Abwanderung in den LEH und Discount. Ein wachsendes Warenangebot finden sie auch dort, denn auch im vergangenen Jahr baute der konventionelle Handel sein Bio-Sortiment weiter aus. Dies nicht zuletzt mit Produkten klassischer Fachhandels-Firmen, die ihrerseits aufgrund des fortschreitenden Strukturwandels im Naturkost-Fachhandel neue Absatzkanäle suchen.
Fachhandelsmarken suchen nach neuen Vertriebswegen
So stellt etwa der Geschäftsführer des österreichischen Tee- und Kräuterspezialisten Sonnentor, fest: „Der deutsche Markt war merklich schwächer als unsere anderen Märkte, deshalb mussten wir uns hier neu ausrichten. Wir haben nun auch einen Vertriebspartner außerhalb des Bio-Fachhandels“, begründet Gerhard Leutgeb den Schritt.
Einen ähnlichen Weg ging Rapunzel. Auch der Bio-Pionier hat im vergangenen Jahr seine Vertriebswege Richtung LEH ausgeweitet. „Die Schließungen im Fachhandel und die Marktkonzentration im Handel sind durchaus Herausforderungen“, sagt Eva Kiene. „Auch der Fokus auf den Preis der Kundschaft durch die wirtschaftlich schwierige Gesamtlage, aber auch durch die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung, spüren wir“, stellt die Rapunzel-Sprecherin fest.
Trotz eines kleinen Umsatzrückgangs im Fachhandel belegen die Legauer wieder unangefochten Platz 1 in unserer Rangfolge. Sehr positiv entwickelte sich etwa der 2022 eingeführte Heldencafé. Mit minus 5,5 Prozent etwas Federn lassen musste das Unternehmen nach Zahlen des Marktforschers bioVista, der die Daten der Top-Naturkost- und -Naturkosmetikhersteller für uns ausgewertet hat, dagegen bei den Nussmusen.
Beim Bratöl büßte das Unternehmen laut Fabian Ganz sogar ein Viertel des Umsatzes ein. Die Vermutung des bioVista-Analysten: „Bei einer Preissteigerung von rund 19 Prozent im vergangenen Kalenderjahr haben viele Kunden zu den preisgünstigeren Handelsmarken-Ölen gegriffen.“ Und nicht nur bei diesem Sortiment.
Großhändler konnten ihre Umsätze durch Handelsmarken steigern
So erstaunt es nicht, dass Dennree, Alnatura und Weiling, die wie in den vergangenen Jahren die Ränge zwei, drei und vier belegen, mit ihren Marken den Umsatz im Fachhandel steigern konnten und mit der Entwicklung 2023 zufrieden sind. „Wir beobachten, dass unser Angebot in den Biomärkten auch für Kund:innen attraktiv ist, deren Einkaufsverhalten preissensibler geworden ist“, sagt Lukas Nossol, Leitung Kommunikation Dennree-Gruppe und im Biomarkt-Verbund. Ähnliches stellt man bei Großhändler Weiling fest. Produkte des täglichen Bedarfes waren hier im vergangenen Jahr besonders gefragt. „Weniger Augenmerk lag auf kostenintensiveren Produkten“, so Annette Thul, Leiterin Marketing und Kommunikation.
Auch bei Alnatura ist man überzeugt, dass die im Sommer vergangenen Jahres neu eingeführte Eigenmarke im Preiseinstiegssegment Anteil an der positiven Umsatzentwicklung des Unternehmens hat. „Prima Alnatura hält die Kundschaft im Laden“, so Gründer und Geschäftsführer Götz Rehn, bei der Präsentation der Zahlen des Geschäftsjahrs 2022/2023. Da die Darmstädter keine Zahlen über ihre Handelsmarke veröffentlichen, hat BioHandel beim Umsatz pro Naturkost-Fachgeschäft eigene Berechnungen angestellt.
„Als Hersteller, der exklusiv über den Fachhandel vertreibt, sind wir darauf angewiesen, dass der Biohandel weiter auf starke Marken setzt.“
Doch worüber sich die Kundschaft und Unternehmen mit Handelsmarken freuen, setzt Markenartikler weiter unter Druck. Das gilt vor allem bei Produkten, bei denen die Kundinnen und Kunden besonders auf den Preis schauen. Im vergangenen Jahr waren davon einerseits Genussartikel wie Wein und edle Schokolade betroffen, andererseits aber auch Alltagsprodukte. Rapunzel nennt hier Reis oder Tomatenprodukte, die Spielberger Mühle Mahlerzeugnisse.
Zwar konnte der schwäbische Bio-Pionier seinen Umsatzanteil im Fachhandel steigern und von Rang 16 auf 15 klettern. Dennoch haben die Handelsmarken durch ihren großen Preisabstand „Umsatz gekostet“, so Spielberger-Sprecherin Charlotte Ruck. Ihr Appell: „Als Hersteller, der exklusiv über den Fachhandel vertreibt, sind wir darauf angewiesen, dass der Biohandel auch in Zukunft weiter auf starke Marken setzt und nicht nur Handelsmarken anbietet.“
Umsätze der Top 25-Hersteller im Überblik
Molkereien mit Umsatzplus im Fachhandel
Wie Dennree, Alnatura und Weiling konnten auch die meisten Molkereien ihre Umsätze im Fachhandel 2023 zum Teil deutlich steigern. „Diese Entwicklung ist aber ganz klar preisbedingt“, stellt Fabian Ganz fest. Die Zuwächse stammen also weniger aus einer erhöhten Nachfrage, sondern resultieren aus den gestiegenen Preisen. Für die Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken (Schrozberg) war 2023 dennoch „allgemein sehr zufriedenstellend im Hinblick auf die Marktsituation“, so Timur Lauer, der bei der Molkereigenossenschaft für Marketing und Vertrieb zuständig ist.
„Durch positive Entwicklungen wie auch einige Herausforderungen geprägt“, lautet das Fazit bei Söbbeke. Die Molkerei hat sich im vergangenen Jahr von ihrem Milchalternativen-Sortiment getrennt, musste im Fachhandel ein Umsatzminus hinnehmen und rutschte von Rang 15 auf 16.
Preisoptik verbessern durch Anpassen der Packungsgrößen
Was tun, wenn die Kosten steigen, diese aber nicht durch entsprechend erhöhte Preise an die Kundschaft weitergegeben werden können? Diese Frage beantworteten einige Hersteller im vergangenen Jahr unter anderem, indem sie die Packungsgrößen änderten.
So bietet etwa Hersteller Ökoland, der im vergangenen Jahr mit stark gestiegenen Preisen und einem wachsenden Wettbewerb um Bio-Rohstoffe durch den konventionellen Handel konfrontiert war, seine Delikatess-Bratwürstchen nun mit 180 Gramm Inhalt an, statt wie bislang in der 250-Gramm-Packung.
„Das macht Ökoland natürlich nicht aus Raffgier heraus, hier geht es einfach um die Preisoptik“, so Fabian Ganz. Denn: „Der deutsche Kunde akzeptiert auf dem Grill nur Würstchen unter fünf Euro“, so die Erfahrung des Marktforschers. Die Strategie scheint geglückt: „Die Umstellungen wurden alle gut angenommen und die Absätze entwickelten sich bei den betroffenen Produkten stabil bis positiv“, schreibt das Unternehmen.
„Der deutsche Kunde akzeptiert auf dem Grill nur Würstchen unter fünf Euro.“
Quasi den umgekehrten Weg ging Allos mit seinen Fruchtriegeln. Im Zuge eines Relaunchs wurden sie komplett überarbeitet und wiegen jetzt 40 statt 30 Gramm, kosten dafür aber laut Erhebungen von bioVista im Schnitt nun 1,41 statt 1,14 Euro. Auch bei Allos ist man mit der Umstellung zufrieden: „Die neuen Riegel liefen besonders gut“, so Geschäftsführer Eike Mehlhop.
Ebenfalls in einem größeren Gebinde, aber mit einem von 70 auf 50 Prozent reduzierten Fruchtanteil bietet Zwergenwiese die neuen „feinen“ Aufstriche an, die das Sortiment im Preiseinstieg ergänzen. Nachvollziehbar, findet das Branchenanalyst Ganz: „Der Kunde präferiert Fruchtaufstriche von einer Marke unter der drei Euro-Preisschwelle. Wenn dann vielleicht auch ein bisschen mehr drin ist, akzeptiert er auch 50 Prozent Fruchtanteil.“
Innovationen sorgen für Zuwachs und Rückschläge
Mehr als nur zufrieden dürfte man bei Voelkel sein, wo der Gesamt-Umsatz im vergangenen Jahr um 12 Prozent gesteigert werden konnte. Das Unternehmen aus dem Wendland ist als Safthersteller bekannt. „Rund acht bis neun Prozent des Umsatzes im Bio-Fachhandel machen inzwischen aber die Pflanzendrinks aus“, so Marktforscher Ganz.
Die Rechnung, das Sortiment durch Neueinführungen zu erweitern, scheint aufzugehen. „Fortlaufende Innovationen wie frische Milchalternativen in Demeter-Qualität, Raw Kombucha oder unsere komplett neue Smoothie-Range sorgen für neue Kundengruppen und höhere Wertschöpfung als Standardsäfte“, so die Einschätzung von Jurek Voelkel, in der Geschäftsführung und für die Bereiche Marketing und Vertrieb zuständig.
Doch nicht alle Innovationen führen zum Erfolg. So schlug der im Sommer 2023 gestartete Versuch, Pflanzenöle in Glasmehrweg anzubieten, fehl: „Trotz erheblicher Investitionen in Technik und Marketing sehen wir leider nur ein verhaltenes Interesse an Öl in Mehrweg am Markt“, so Jurek Voelkel.
„Das Einsparpotenzial an CO2 durch den Umstieg von Einweg- auf Mehrwegflaschen ist enorm groß.“
Während Voelkel die Produkte wieder vom Markt nahm, bietet die Ölmühle Moog/Bio Planète seit dem vergangenen Jahr ebenfalls Öl in Mehrwegflaschen an. Ob die Umstellung ein Erfolg wird, muss sich zeigen: „Das Einsparpotenzial an CO2 durch den Umstieg von Einweg- auf Mehrwegflaschen ist enorm groß“, so die Überzeugung von Judith Faller-Moog, Gründerin und Inhaberin. Das neue Poolsystem werde aber nur wirklich klima- und verbraucherfreundlich, wenn sich viele Ölmühlen und Händler beteiligten. „Da ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten“, so Judith Faller-Moog.
Als wachsende Herausforderung erweisen sich für viele Hersteller auch die Witterungsbedingungen: „Das Klima stellt sich bei landwirtschaftlichen Produkten als ein immer unberechenbareres Problem heraus“, sagt Lucia Alfageme-Reichel von Demeter Felderzeugnisse. Ein festes – und wachsendes – Netzwerk an Rohstofflieferanten ist hier entscheidend.
Vorsichtig optimistischer Blick auf 2024
Hier scheint die Branche gut aufgestellt zu sein. Denn was Boris Voelkel über sein Unternehmen sagt, gilt für viele Bio-Hersteller: „Unsere Strategie, statt kurzfristiger Gewinne auf langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zur Landwirtschaft zu setzen, hat sich in diesem Jahr multipler Krisen besonders ausgezahlt.“
Regionalität spielte und spielt hier für viele Hersteller eine besondere Rolle: „Unsere Rohstoffe wollen wir so regional wie möglich beziehen“, sagt Ralf Hoppe, Direktor Vertrieb & Marketing bei der Bauck Mühle. Diese Strategie wirke sich nicht nur aufgrund kürzerer Lieferwege positiv auf die Umwelt aus, sondern habe sich auch während des Ukraine-Kriegs bewährt.
Was die Zukunft angeht, sind die meisten von BioHandel befragten Unternehmen zumindest vorsichtig optimistisch: „Es ist ein positives Zeichen, dass sich die Kauflust zuletzt wieder etwas erholt hat“, sagt etwa Ralf Hoppe. Und auch bei Naturata ist man zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation weiter entspannt, das war im 2. Halbjahr 2023 auch schon spürbar“, so Vorständin Liane Maxion.
Die Zahlen
Datenbasis des Bio-Fachhandelspanel von bioVista sind 260 selektierte Bioläden und 24,1 Millionen Kassenbons.
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