Der Bio-Sektor ist eine Wachstumsbranche. Laut aktuellen Zahlen des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sind dort rund 380.000 Menschen beschäftigt. Das entspricht einer Steigerung von 111 Prozent gegenüber dem Jahr 2009. Bei seiner letzten Erhebung vor 16 Jahren zählte der deutsche Bio-Dachverband noch 180.000 Arbeitsplätze in der Bio-Branche.
Noch stärker legte der Umsatz mit Bio-Produkten zu. Zwischen 2009 und 2023 stieg er um 176 Prozent, von 5,8 Milliarden Euro auf mehr als 16 Milliarden Euro.
Die meisten Beschäftigten sind in der Herstellung
Bei der Ausbildungsquote ist die Bio-Branche weit vorne. Sie lag den BÖLW-Zahlen zufolge im Jahr 2023 bei 45 Prozent. Zum Vergleich: 2021 betrug die Ausbildungsquote in der gesamten Wirtschaft laut des Verbands 19 Prozent.
Diese hohe Zahl liege unter anderem an der wachsenden Nachfrage der Betriebe nach Fachkräften, die mit ihren Qualifikationen den hohen Anforderungen an die Produktion und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln entsprechen müssten. In vielen Bereichen sei Spezialwissen über Bio-Produkte erforderlich, das oft auf dem freien Arbeitsmarkt nicht vorhanden sei, sagte der geschäftsführende BÖLW-Vorstand Peter Röhrig, „Daher ist Ausbildung für uns so wichtig.“
Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Bio-Branche ist weiblich (55 Prozent), 44 Prozent sind männlich und ein Prozent sind divers. Davon arbeiten
- bei Herstellern von Bio-Lebensmitteln 45 Prozent
- in Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben 29 Prozent
- im Handel 21 Prozent
Die aktuellen Zahlen nahm der BÖLW zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin zum Anlass für Forderungen an die Politik. Angesichts der Bedeutung des Sektors für eine nachhaltige Ernährungssicherheit und den deutschen Arbeitsmarkt müsse Bio gezielt ausgebaut werden, erklärte der Verband. „Das ist Arbeit, die Spaß macht, weil sie Sinn stiftet“, sagte die BÖLW-Vorsitzende Tina Andres bei der Vorstellung der Zahlen.
BÖLW fordert ökologische Steuerreform
Andres kritisierte, dass die Politik mittelständische Betriebe nicht ausreichend im Blick habe. „Der Gesetzgeber richtet den Rechtsrahmen stets an der Industrie aus. Viele Vorschriften müssen herunterskaliert werden auf kleine und mittlere Betriebe, um ihnen Luft zum Atmen zu geben“, sagte Andres, die mit der EVG Landwege selbst ein mittelständisches Lebensmittelunternehmen leitet.
Notwendig sei eine ökologische Steuerreform, so die BÖLW-Vorsitzende. „Der Staat sollte Abgaben auf chemisch-synthetische Pestizide und auf Mineral-Dünger erheben“, sagte Andres. Laut Berechnungen der Zukunftskommission Landwirtschaft verursacht die industrielle Agrarwirtschaft, wo chemisch-synthetische Pestizide im großen Stil eingesetzt werden, insgesamt 90 Milliarden Euro ökologische Folgekosten jährlich.
Der BÖLW fordert außerdem, dass Bio-Produkte von der Mehrwertsteuer befreit werden. „In der EU wie in Deutschland muss gelten: Bio first“, sagte Andres. Bio sei die einzige gesetzlich normierte und staatlich überwachte Form einer nachhaltigen Lebensmittelwirtschaft. Dass die EU die Gentechnik deregulieren will, bezeichnete Andres als „gefährlich“. „Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen Bio, weil sie auf Gentechnikfreiheit vertrauen.“
Skepsis angesichts der anstehenden Bundestagswahl
Der Politik müsse klar sein: „Bio ist eine freiwillige Option. Niemand muss Bio machen. Wenn man es Landwirten und Unternehmerinnen unsinnig schwer macht, stellt niemand um.“ Genau das passiere derzeit. Es sei schlecht für Gewässer, Böden, die Artenvielfalt und das Klima – und den Agrarsektor selbst.
Erst kürzlich sei Parkinson als Berufskrankheit in der Landwirtschaft anerkannt worden, wegen des nachweisbaren Zusammenhangs mit dem Einsatz von Chemie, so Andres. „Ein wortwörtliches ,Bekenntnis‘ zum chemischen Pflanzenschutz, wie es die CDU in ihrem Wahlprogramm abgibt, wirkt angesichts wissenschaftlicher Fakten nahezu sektiererisch“, sagte sie.
Röhrig erinnerte an die Großbrände in Kalifornien, die ein Zusammenspiel von aktueller Wettersituation und der Überlagerung durch die Klimakrise seien. Und er sprach die Flutkatastrophen in diesem Winter an. „Das macht uns sehr, sehr unruhig und betroffen. Daher hoffen wir, dass ein Rahmen geschaffen wird, der eine gute Bio-Entwicklung ermöglicht – nicht um der Bio-Branche willen, sondern weil es ein wirksames Instrument ist, um die gesellschaftlichen Leistungen zu realisieren, die wir brauchen: bei Gewässern, beim Klimaschutz, bei der Artenvielfalt“, so Röhrig.
„Keine Partei hat einen Plan für eine zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft.“
Mit Skepsis blickt der BÖLW auf die anstehende Bundestagswahl im Februar: „Keine Partei hat einen Plan für eine zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft“, kritisierte Andres. Dabei lägen die Blaupausen auf dem Tisch, sagte sie mit Verweis auf den Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft von Anfang Dezember und die Ergebnisse des Strategischen Dialogs der EU.
Beide mahnen die Notwendigkeit von mehr Umweltleistungen seitens der Landwirtschaft an – sowie deren Honorierung. „Ziel muss sein, den Bio-Anteil bis 2030 zu verdoppeln“, forderte Andres. „Bio schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und sichert damit die Ernährung von morgen.“
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