Die Anzahl der Bioläden und Bio-Supermräkte in Deutschland hat 2024 erstmals die Marke von 2.000 unterschritten. Gab es 2023 noch 2.042 Geschäfte, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 1.974, wie aus der aktuellen Ladenstatistik hervorgeht. Diese erstellt BioHandel alljährlich auf Grundlage aller Bioläden und Bio-Supermärkte, die das Bio-Kundenmagazin Schrot&Korn beziehen – das sind rund 90 Prozent der Läden in Deutschland.
Fast 400 Bioläden und Bio-Supermärkte weniger als vor zehn Jahren
Die Statistik zeigt auch: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Naturkostfachgeschäfte um fast 400 zurückgegangen. Und 2014 gab es mit 101 noch rund doppelt so viele Neueröffnungen wie Schließungen mit 52. Zehn Jahre später stehen 19 Öffnungen 89 Schließungen gegenüber.
Zwar schlossen 2024 nicht mehr ganz so viele Läden wie im Jahr 2023, das mit 115 Schließungen einen Negativrekord verzeichnete. Doch die 89 aufgegebenen Standorte bestätigen einen Trend, der sich schon seit Jahren abzeichnet. Und er zieht sich durch alle Größenkategorien – von den Hofläden bis hin zu Bio-Supermärkten mit über 400 Quadratmetern gaben Inhaber auf. Allerdings sind die kleinen Läden am stärksten betroffen: Verkaufsstellen mit bis zu 99 Quadratmetern machten mit 32 am häufigsten dicht, ihre Gesamtzahl schrumpfte mit 6,58 Prozent auch am stärksten.
Zum Vergleich: „Nur“ 16 Bio-Supermräkte mit 400 Quadratmetern und mehr gaben auf – das waren rund zwei Prozent. Bei den Hofläden schlossen 12 Standorte, ein Minus von über drei Prozent, im Vergleich zum Vorjahr.
Größter Schwund bei kleinen Gemeinden
Ein weiteres Gefälle lässt sich bei der Lage der Geschäfte, die aufgaben, beobachten: Je kleiner die Ortschaft, desto mehr Läden schlossen. Während in Städten mit über 500.000 Einwohnern 13 und damit am wenigsten Läden aufgaben – und auch am häufigsten neu eröffneten – machten in Städten und Gemeinden mit bis zu 25.000 Einwohnern Läden am häufigsten dicht – mit 31 mehr als doppelt so viele.
Im Vergleich der Bundesländer wurden 2024 in Nordrhein-Westfalen mit 17 die meisten Läden geschlossen, gefolgt von Baden-Württemberg mit 15 sowie Niedersachsen und Bayern mit je 13 Schließungen. Im Jahr zuvor hatte Baden-Württemberg mit 24 geschlossenen Läden vor Bayern mit 21 und Nordrhein-Westfalen mit 17 Schließungen gelegen.
Marktbereinigung setzt sich fort
Laut Unternehmensberater Simon Döring, der die Aufgaben von Klaus Braun übernommen hat, lässt sich im Bio-Fachhandel eine klassische Marktbereinigung beobachten: Es gibt immer weniger inhabergeführte Geschäfte.
Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass sich die Umsätze im vergangenen Jahr wieder stabilisierten und seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine erstmals wieder über der Inflationsrate lagen. So beobachtete auch Dietmar Ingenbleek, Leiter Kundenbetreuung Fachhandel im bio verlag, im vergangenen Jahr eine „Diskrepanz zwischen den wieder recht positiven Zahlen und der Stimmung bei vielen Ladeninhabern“ – viele Geschäfte rentierten sich wirtschaftlich nicht mehr.
Nicht wenige hätten zudem den Eindruck, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Branche verlorengegangen sei und das Motto vorherrsche „Jeder kämpft für sich allein“. Das habe sich auch schon in den Jahren vorher abgezeichnet, so Ingenbleek, „aber 2024 hat es enorm zugenommen“.
Neben wirtschaftlichen Gründen gab es aber auch Geschäftsaufgaben, weil Inhaber, die sich in den Ruhestand verabschiedeten, keine Nachfolger fanden. Von den Schließungen können allerdings die weiter bestehenden Bioläden und Bio-Supermärkte durchaus profitieren, wenn die Kundschaft der geschlossenen Geschäfte zu ihnen wechselt.
Wieder auf Nischen-Nachfrage konzentrieren
Simon Döring ist davon überzeugt, dass sich die Strukturen in der Bio-Branche weiter verändern werden und rät dem Fachhandel, sich wieder stärker auf Nischen-Nachfragen zu konzentrieren – zurück zu den Wurzeln sozusagen. Für kleine und mittlere Bioläden bedeutet das laut dem Unternehmensberater beispielsweise, hochwertige und nachhaltige Lebensmittel in einer besonderen, exklusiven Einkaufsatmosphäre anzubieten.
Dass gute Konzepte nach wie vor Chancen am Markt haben, zeigen die vier Newcomer, die BioHandel im vergangenen Jahr im Rahmen der Ladenstatistik vorgestellt hat: Sie hatten ihre Läden 2023 neu eröffnet – und sind immer noch am Markt.
Neben einem guten Konzept ist aber auch die Wirtschaftlichkeit ein entscheidender Faktor. Döring rät Inhabern deshalb, aktiv unternehmerisch zu handeln, wenn sie am Markt bestehen wollen. Das bedeutet auch, eine gesunde Handelsspanne im Blick zu haben und Preise wenn nötig entsprechend anzupassen, um die steigenden Kosten zu decken. Hier fehle es Ladnerinnen und Ladnern manchmal an Mut – besonders, weil die Kundschaft aufgrund der Inflation sehr preissensibel geworden ist.
Bio-Supermärkte: Filialisten-Wachstum erst einmal ausgebremst
Etwas anders als bei den inhabergeführten Läden sieht es bei den Filialisten aus. Die meisten konnten sich mit ihren Bio-Supermärkten stabil am Markt behaupten. Dennoch ist das große Filialisten-Wachstum der vergangenen Jahre erst einmal ausgebremst. So schloss Alnatura vier Bio-Supermärkte, eröffnete ebenso viele neu und übernahm einen Laden. Alnatura hielt sein Filialnetz mit 152 Bio-Supermärkten zum Vorjahr also nahezu gleich.
Denns will Netz an Bio-Supermärkten weiter ausbauen
Lediglich Denns Biomarkt legte zu: Sieben Bio-Supermärkte wurden geschlossen, dafür machten elf neue auf. Mit 404 Bio-Supermärkten liegt Denns Biomarkt damit weiterhin unangefochten an der Spitze der Bio-Filialisten. Doch auch hier ging es 2024 etwas langsamer voran als im Jahr zuvor, als Denns 16 Geschäfte übernommen und 12 Bio-Supermärkte neu eröffnet hatte.
Im vergangenen Jahr übernahm Denns insgesamt sechs ehemals inhabergeführte Geschäfte, ein Konzept, das der Filialist auch in diesem Jahr weiter verfolgt. Jüngstes Beispiel: Im April übernahm Dennree einen Tegut-Markt in Augsburg. Dabei handelt es sich um eine ehemalige Basic-Filiale, die Tegut nach der Insolvenz von Basic übernommen hatte. Darüber hinaus will das Unternehmen nach eigener Aussage sein Netz an Bio-Supermärkten in Deutschland und Österreich weiter ausbauen.
Kommentare
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Soweit, so erwartbar. Bitter ist, dass von Branchenexperten und auch von Verbandsseite bei allen großen Entwicklungen zu den Skeptikern bzgl. der neuen Einzelhandelsformen im Biosektor (erst Biosupermärkte und -ketten & später Bio in den Supermärkten) immer beschwichtigend gesagt wurde: macht Euch keine Sorgen, dass ist alles zusätzliche Kundschaft, das wird den klassischen Bioeinzelhändler nicht tangieren. Das war damals schon handelshistorisch blind und ist im Nachhinein einfach nur bitter und natürlich auch nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Frage, die sich für uns stellt: wo werden wir zukünftig Waren beziehen, wenn es die Handelskette Erzeuger-Biogroßhandel-Bioeinzelhandel nicht mehr geben wird?