Das Institut für Handelsforschung Köln (IFH) hat zwei Szenarien durchgerechnet, um wie viel sich der Umsatz mit Bio im Lebensmitteleinzelhandel bis zum Jahr 2030 erhöhen könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Landwirtschaftsfläche in Deutschland, die ökologisch bewirtschaftet wird, einen Anteil von 30 Prozent ausmachen. So sieht es zumindest die ambitionierte Biostrategie von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor.
Dass dieses Vorhaben gelingen wird, daran gibt es viele Zweifel. 2023 wurden dem Statistischen Bundesamt zufolge 11,2 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet. Um auf 30 Prozent bis 2030 zu kommen, müsste sich die Ökofläche in den kommenden rund 6,5 Jahren etwas weniger als verdreifachen. Allerdings: In den 13 Jahren zwischen 2010 und 2023 hat sich die Biofläche lediglich verdoppelt.
Klar ist: Je mehr Öko auf den Feldern wächst, umso mehr Bio können die Lebensmittelhändler ihren Kundinnen und Kunden anbieten. In seiner Umsatzprognose nimmt das IFH unter anderem an, dass sich die Konsumentennachfrage nach dem Angebot richtet und das Mehr an Bioprodukten seine Abnehmer findet.
„Discounter und Supermärkte werden den größten Teil des zusätzlichen Bioumsatzes erwirtschaften.“
Doch was bedeutet dieses Mehr für die Umsätze mit Bio im Lebensmitteleinzelhandel? Dafür hat das IFH zwei Szenarien berechnet, je nachdem, wie sich die Biofläche bis 2030 entwickelt.
- In seinem „Best-Case-Szenario“ geht das IFH von 30 Prozent Biofläche bis 2030 aus, was einem Zuwachs von über 160 Prozent auf 5,2 Millionen Hektar entsprechen würde. Auf dieser Grundlage rechnet das IFH mit einem Umsatzanstieg bei Bio im Einzelhandel von heute 16,1 auf 46,4 Milliarden Euro im Jahr 2030. Für die Einzelhändler würde das bedeuten, dass sie ihre jährliche Wachstumsrate beim Biogeschäft von zuletzt rund acht Prozent auf 16,2 Prozent verdoppeln. In diesem Szenario würde der Bioanteil im Handel 17,3 Prozent erreichen. Aktuell liegt er bei unter acht Prozent.
- Im „Trendszenario“ nehmen die Handelsexperten realistischere Rahmenbedingungen an. In diesem Fall würde die Biofläche in Deutschland bis 2030 einen Anteil von 14 Prozent ausmachen. Der Lebensmitteleinzelhandel käme damit 2030 auf einen Bio-Jahresumsatz in Höhe von 21,8 Milliarden Euro, was einer jährlichen Steigerung von 3,8 Prozent entsprechen würde. In der Trendentwicklung würde der Bioanteil im Lebensmittelhandel dann 8,1 Prozent ausmachen.
Die Biostrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BEL) dürfte dem Handel also ein deutliches Umsatzplus bescheren. Jedoch gehen die Expertinnen und Experten des IFH nicht davon aus, dass sich das zusätzliche Geld gleichmäßig auf die Händler verteilen wird.
Zwar prognostiziert das Institut dem Biofachhandel im Best-Case-Szenario ein Wachstum von 53,1 Prozent und im Trend-Szenario um 21,4 Prozent. Aber: „Discounter und Supermärkte werden den größten Teil des zusätzlichen Bioumsatzes erwirtschaften, da sie das Thema Bio in die Breite bringen“, teilte das IFH auf BioHandel-Anfrage mit. Der zusätzliche Bioumsatz kommt den Experten zufolge also in erster Linie von Kundinnen und Kunden, für die Bio bislang überhaupt nicht wichtig ist, oder die bislang nur in begrenztem Maße Wert auf Bio legen.
In einer Umfrage unter 1.522 Lebensmittelkäuferinnen und -käufern ermittelte das IFH einen Anteil von 53 Prozent, für die Bio kein Muss ist und die ökologisch hergestellte Produkte nur selektiv kaufen. Diese sogenannten „Käufer“ machen zusammen mit den „Nicht-Käufern“, für die Bio keine Rolle spielt, fast Dreiviertel der Befragten aus.
Diejenigen, die stets zu Biolebensmitteln greifen, wenn das möglich ist, nennt das IFH „Fokus-Käufer“. Sie stellen 26 Prozent der Umfrageteilnehmer dar. Drei Prozent davon gaben an, nur Biolebensmittel zu kaufen.
Abgefragt wurde außerdem, welche Rolle Geschmack, Gesundheit und Nachhaltigkeit beim Kauf von Bioprodukten spielen. Von allen drei Käufertypen ist für die „Fokus-Käufer“ das Thema Nachhaltigkeit beim Biokauf am wichtigsten (30 Prozent). Noch öfter wurde von dieser Gruppe aber Geschmack und Gesundheit als wichtiger Treiber für den Biokauf genannt (jeweils 35 Prozent).
Für die „Käufer“, die hauptsächlich bei Discountern einkaufen, ist der Geschmack der Hauptgrund für die Wahl von Biolebensmitteln (47 Prozent). Der Aspekt Nachhaltigkeit hat bei Ihnen von den drei Kategorien am wenigsten Relevanz (19 Prozent).
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