Das Jahr 2021 war eines der Extreme. Einerseits stand auch im Jahr zwei der Corona-Pandemie das öffentliche und private Leben phasenweise still. Andererseits setzte sich der 2020 begonnene Ansturm auf Bio-Lebensmittel zunächst weiter fort – wenngleich auch in etwas abgeschwächter Form gegenüber 2020, wie die Zahlen des aktuellen BioHandel-Umsatzbarometers zeigen. Das brachte so manchen Laden inklusive Personal an die Grenzen der Belastbarkeit. Und einige auch darüber hinaus, wie etwa den Bioladen Rhein-au in Bad Säckingen. „Die Zeit mit und nach dem zweiten Lockdown hat uns zu viel Geld gekostet“, sagte Inhaberin Sonja Sarnowski im Juli der Badischen Zeitung.
Während Bio-Verkäufer anderswo der Nachfrage kaum hinterherkamen, hatte Sarnowskis Laden mit einem Kundenschwund zu kämpfen, auch weil Käufer aus der nahegelegenen Schweiz nicht mehr zum Einkaufen kommen durften. Ende August, nur knapp ein Jahr nach dem Start, war für die Ladnerin bereits wieder Schluss. Wie der Bioladen Rhein-au stellten im vergangenen Jahr 41 weitere Naturkostfachgeschäfte den Betrieb ein. Grundlage der Daten sind die Abonnenten der Kundenzeitschrift Schrot&Korn, das wie BioHandel vom bio verlag herausgegeben wird. Da es darüber hinaus auch Geschäfte gibt, die die Zeitschrift nicht anbieten, sind die vorgestellten Zahlen als Mindestangaben zu verstehen.
108 m2 Fläche hatten die Läden im Median, die 2021 geschlossen wurden.
Welche Läden wurden 2021 geschlossen?
Im Median waren die Läden, die 2021 geschlossen wurden, 108 Quadratmeter groß. Das bedeutet, dass die eine Hälfte dieser Läden kleiner und die andere größer als 108 Quadratmeter war. Für knapp dreiviertel der geschlossenen Läden (30) liegt das Alter vor. Knapp die Hälfte (12) waren 20 Jahre und älter. Der älteste Laden wurde 1981 eröffnet, der jüngste, der Bioladen Rhein-au, im Herbst 2020.
Mehr als die Hälfte der Schließungen, nämlich 22, gab es in Orten mit maximal 25.000 Einwohnern. Die durchschnittliche Fläche dieser Läden lag bei 118 Quadratmetern, bei mehr als der Hälfte unter 100 Quadratmetern. Von diesen 22 Geschäften fiel nur eines in die Kategorie BioSupermarkt. Gleichzeitig eröffneten 15 Läden in Städten mit maximal 25.000 Einwohnern und einer durchschnittlichen Quadratmeterzahl von 337.
Der Strukurwandel setzt sich fort
Ein erstes Fazit: Der Trend, das insbesondere kleine Läden aufgeben (müssen) und an anderer Stelle größere öffnen, ist ungebrochen. Im Schnitt waren die Geschäfte, die im vergangenen Jahr eröffneten, 273 Quadratmeter größer als die, die dicht machten. Netto kletterte so die Gesamt-Ladenfläche im Naturkostfachhandel um mehr als 10.000 auf knapp 660.000 Quadratmeter.
Ein Blick auf die Entwicklung in den vergangenen sechs Jahren zeigt diesen Strukturwandel eindrücklich: 2015 machten Bio-Supermärkte (ab 400 qm) einen Anteil von 24 Prozent aus. 2021 hat sich dieser Wert auf 34 Prozent erhöht. Dieses Wachstum ging rechnerisch fast ausschließlich auf Kosten der Bioläden (bis 99 qm). Deren Anteil an allen Bio-Geschäften in Deutschland schrumpfte im gleichen Zeitraum um acht Prozent, während die Fachgeschäfte mit 31 Prozent nahezu gleich stark vertreten waren wie 2012 (33%) und auch der Anteil der Hofläden stabil blieb (17%).
Der Markt verschiebt sich vor allem zugunsten der Filialisten. Auch 2021 sorgten sie für den Löwenanteil der neuen Läden, allen voran Dennree und Alnatura. Von den 40 Neueröffnungen gehen 30 auf das Konto der zehn größten Bio-Ketten. 15 davon erhielten das Denns-BioMarkt-Logo, über sieben prangt der Alnatura-Schriftzug. Im Gegensatz dazu waren von den 42 Schließungen nur sechs Standorte von Bio-Ketten betroffen. Größe allein ist jedoch kein Allheilmittel.
Bewegung bei Filialisten
Zu Verschiebungen in der Naturkostlandschaft kommt es nicht nur kategorieübergreifend. Auch unter den Filialisten war zuletzt viel Bewegung. Im März des vergangenen Jahres übernahm Basic alle sechs Standorte von Biomammut. Diese werden bislang unter gleichem Namen weiterbetrieben, sollen perspektivisch aber zu Basic-Filialen werden. Bis Anfang September führte Roland Harter, der bisherige Eigentümer und Geschäftsführer der Biomammut GmbH, neben Basic-Gesamtvertriebsleiter Dirk Bunse die Geschäfte weiter und schied dann aus der Geschäftsführung aus.
Mit der Übernahme läutete Basic einen Strategiewechsel ein. Das Münchener Unternehmen konzentriert sich künftig auf den Süden Deutschlands und Österreich. Um den dafür nötigen finanziellen Handlungsspielraum zu bekommen, verkaufte Basic ebenfalls Anfang 2021 seine zehn Märkte in Nord- und Westdeutschland an Wettbewerber. SuperBioMarkt übernahm alle sechs Basic-Filialen in NordrheinWestfalen und den Standort Hamburg-Eimsbüttel, ein weiterer Hamburger Laden und zwei in Berlin gingen an BioCompany. Die Berliner eröffneten außerdem eine weitere Hauptstadt-Filiale in einem ehemaligen Erdkorn-Laden.
40 Naturkostfachgeschäfte eröffneten 2021. Durchschnittsfläche: 481 m2
Denns baut Vorsprung aus
Allein die sechs größten Filialisten Dennree, Alnatura, BioCompany, SuperBioMarkt, ebl und Basic machten zum Jahreswechsel den Daten von BioHandel zufolge mehr als ein Viertel (27 Prozent) aller Naturkostfachgeschäfte aus. Platzhirsch mit großem Abstand ist weiterhin Dennree mit seinen bundesweit 311 Regie-Betrieben. Zählt man Kooperationsläden und die 161 Bio-Markt-Läden hinzu, die von selbstständigen Kaufleuten geführt werden, steht hinter jedem fünften Naturkostfachhändler in Deutschland die Dennree GmbH.
Mit deutlichem Abstand folgt das Bio-Handelshaus Alnatura, das es mit 142 Regie geführten SuperNaturMärkten auf halb so viele Standorte bringt wie der Konkurrent aus Töpen, der seit 2018 jedes Jahr mindestens zweimal so viele neue Filialen pro Jahr eröffnet wie die Darmstädter. Um das Wachstum zu beschleunigen, setzt Alnatura seit kurzem ebenfalls auf das Kaufmannsmodell und eröffnete im November in Schwerin den ersten inhabergeführten SuperNaturMarkt. Es ist der erste Alnatura-Standort in Mecklenburg-Vorpommern aber erst der siebte in Ostdeutschland, ohne Berlin. Auch Denns ist im Osten mit 16 Filialen nur spärlich vertreten, verglichen mit dem Rest des Landes.
42 Naturkostfachgeschäfte schlossen 2021. Durchschnittsfläche: 208 m2
Im Osten nicht viel Neues
Überhaupt sind die (inzwischen nicht mehr ganz so) neuen Länder auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer so etwas wie bundesdeutsches Bio-Entwicklungsland. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen leben 15 Prozent der Bevölkerung. Doch nur elf Prozent der 2.243 in der BioHandel-Ladenstatistik registrierten Naturkostläden befinden sich dort. In den fünf Bundesländern kommt ein Naturkostladen im Schnitt auf rund 54.200 Einwohner. In Thüringen sind es sogar mehr als 70.000. Bundesweit liegt die Quote bei 37.000. So gesehen wäre im Ostteil der Republik noch Luft für weitere Läden. Doch 2021 eröffneten in Ostdeutschland nur insgesamt vier Bio-Einzelhändler, zwei davon in den Großstädten Gera (Naturata) und Leipzig (Biomare), ein weiterer im 20.000 Einwohner großen Coswig, 15 Kilometer nordwestlich von Dresden (Vorwerk Podemus).
Keine Osterweiterung
Die bundesweit agierenden Filialisten Alnatura und Dennree konzentrierten sich indes auch im vergangenen Jahr auf eine Verdichtung ihres westdeutschen Filialnetzes, vorwiegend in Bundesländern mit einer vergleichsweise hohen Kaufkraft wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen. 2022 dürfte sich an dieser Strategie nichts ändern.
Alnatura etwa kündigte für das aktuelle Jahr mindestens sieben Neueröffnungen an, keine davon im Osten. Das hat Auswirkungen. Nur jeder fünfte Naturkosteinzelhandel dort ist ein Bio-Supermarkt. Knapp Zweidrittel der Geschäfte sind Bioläden (29 Prozent) und Bio-Fachgeschäfte (35 Prozent). Im Rest der Republik machen diese beiden Kategorien inzwischen weniger als die Hälfte der Läden aus. Zählt man zu den Ländern in Ostdeutschland noch Berlin hinzu, kippt das Verhältnis zugunsten der Bio-Supermärkte. Die machen dann aufgrund der 102 Märkte in und um die bundesdeutsche Hauptstadt (41 davon sind BioCompany-Filialen) knapp 40 Prozent aus. Es sind vor allem die Märkte mit 400 Quadratmetern und mehr, die dafür sorgen, dass Berlin das engmaschigste Ladennetz hat. Insbesondere dank ihnen müssen sich dort weniger als 23.000 Menschen statistisch gesehen einen Biomarkt teilen.
Danach kommt Bayern mit einem Wert von 27.800. 2021 eröffneten im Freistaat sieben neue Läden. Damit war er gemeinsam mit Baden-Württemberg Spitzenreiter bei den Neueröffnungen. Gleichzeitig gab es in Bayern aber auch so viele Schließungen wie nirgendwo sonst: Elf Naturkostläden gaben dort im vergangenen Jahr auf. In Baden-Württemberg waren es acht, in Nordrhein-Westfalen sieben. Unter dem Strich gab es in absoluten Zahlen den größten Zuwachs an Naturkostfachgeschäften in Hessen. Dort eröffneten netto vier Geschäfte. Am größten war der Schwund 2021 in Bayern. Hier gibt es seit Anfang des Jahres vier Naturkosteinzelhändler weniger als im Jahr zuvor.
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