Die hohe Inflation und der Krieg in der Ukraine belasten das Geschäft der Naturkostfachhändler. Weil die Kosten für die Beschaffung und Verarbeitung von Rohstoffen stark angezogen haben, sind die Preise für Lebensmittel deutlich gestiegen – im Juni um rund zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Verbraucherinnen und Verbraucher achten deshalb verstärkt darauf, was und wo sie einkaufen.
Einer aktuellen Studie im Auftrag des Lebensmittelverbands Deutschland und der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie zufolge, ist für fast 70 Prozent der Deutschen das Preisschild derzeit das wichtigste Kriterium beim Lebensmittelkauf. Zwar gaben Verbraucherinnen und Verbraucher im ersten Halbjahr 35 Prozent mehr für Bio aus als im ersten Halbjahr 2019, wie BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres der Nachrichtenagenur DPA sagte. Grund seien insbesondere Steigerungen der Absatzmenge gewesen. Bio kauften viele Menschen zuletzt allerdings verstärkt im LEH oder Discount, und dort eher die günstigeren Handelsmarken.
Der Fachhandel bekam diese Entwicklung im zweiten Quartal zu spüren: Verglichen mit dem Jahr 2021 gingen die Tagesumsätze der am BioHandel-Umsatzbarometer beteiligten Betriebe im April, Mai und Juni durchschnittlich um 16,4 Prozent zurück. Im April 2022 sanken sie um 16,4 Prozent (Vorjahr -2,7 Prozent), im Mai noch deutlicher um 23,1 Prozent (Vorjahr +1,1 Prozent) und im Juni „erholten“ sie sich tendenziell wieder etwas mit minus 8,3 Prozent (Vorjahr -4,8 Prozent). Mit Blick auf das erste Halbjahr weist damit der Juni den bislang geringsten Umsatzrückgang in diesem Jahr auf. Zusammengefasst gingen die Umsätze im ersten Halbjahr 2022 um 14,9 Prozent zurück.
Bezogen auf die Verkaufsfläche verzeichneten die Geschäfte unter 100 Quadratmetern den geringsten Rückgang – wenngleich auf zweistelligem Niveau. Der Umsatz schrumpfte hier um 14,8 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Die Betriebe mit einer Verkaufsfläche von 100 bis unter 200 Quadratmetern verbuchten ein Minus von 14,9 Prozent, diejenigen mit 400 und mehr Quadratmetern um 16,5 Prozent. Mit minus 16,9 Prozent sanken die Umsätze am deutlichsten bei den Geschäften zwischen 200 und 399 Quadratmetern.
Aufgeschlüsselt nach Betriebstypen kommen die Hofläden mit einem Umsatzrückgang von 15 Prozent noch am „glimpflichsten“ davon. Am stärksten trifft es die Bio-Supermärkte, die ein Minus von 16,9 Prozent in den Büchern stehen haben.
Betrachtet man die Entwicklung nach Umsatzklassen, zeigt sich im
zweiten Quartal mit zunehmender Umsatzgröße ein stärkerer Rückgang
zwischen 10,8 und 18,1 Prozent. Lediglich die umsatzstärksten Betriebe
über drei Millionen Euro fallen hier heraus. Sie verzeichneten Rückgänge
von 16,3 Prozent.
Nachdem sich das Geschäft der Fachhändler im ersten Quartal bereits um 13,5 Prozent schlechter entwickelt hat, kann nach dem jetzigen Rückgang von 16,4 Prozent von einer spürbaren Absatzkrise in vielen Bioläden gesprochen werden. Nach den jüngsten Zahlen liegen jetzt zwei Halbjahre mit rückläufigen Umsätzen in Folge hinter den Fachhändlern. Eine so lang anhaltende deutliche Negativphase gab es seit Beginn des BioHandel-Umsatzbarometers nicht.
Die Händler stehen derzeit vor vielfältigen Herausforderungen. Nicht nur die sinkenden Umsätze, auch steigende Energiekosten und Wareneinkaufspreise belasten die Bilanz. Zusätzlich dazu werden die Löhne zu einem größeren Kostenfaktor, wenn ab Oktober der Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde angehoben wird. Hinzu kommen gegebenenfalls Extrazahlungen an die Mitarbeitenden, um die Inflation auszugleichen.
Die Kombination aus geringeren Erlösen und höheren Kosten dürfte zumindest für die Dauer des Krieges in der Ukraine anhalten. Ein Trost, wenn auch nur ein schwacher, kommt von der AMI. Die hat errechnet, dass die Umsätze im Naturkostfachhandel im Vergleich zu 2019, also vor dem Corona-Boom, lediglich um 7,1 Prozent zurückgegangen sind.
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