Im Mai 2024 hat Greenpeace zum sechsten Mal die Supermarktketten Aldi Nord und Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe sowie Metro und Norma gebeten, Auskunft über ihr Sortiment in Bezug auf Tierhaltung und die Haltungskennzeichnung, also die freiwillige Kennzeichnung der großen konventionellen Lebensmittelhändler, zu geben.
Die Umfrage, die Greenpeace seit 2019 jährlich durchführt, bezog sich auf das in Deutschland verkaufte verpackte und unverpackte Frischfleisch sowie die Eigenmarken-Frischmilch des jeweiligen Händlers im ersten Quartal.
Was Greenpeace vom Handel wissen wollte
Folgende Fragen reichte Greenpeace schriftlich bei den Händlern ein:
• Wird die im April 2019 freiwillig vom Handel initiierte Haltungskennzeichnung für alle Frischfleisch-Produkte, beziehungsweise an der Theke und für Molkerei-Produkte der Eigenmarken genutzt?
• Welchen prozentualen Anteil (bezogen auf die Gesamttonnage) nimmt die jeweilige Stufe der Haltungsform beim verkauften frischen Geflügel-, Schwein- und Rindfleisch bundesweit inzwischen ein?
• Plant das Unternehmen, Frischfleisch, das derzeit mit den schlechtesten Haltungsformen 1 (Stall) und 2 (Stallhaltung Plus) ausgezeichnet wird, künftig aus dem Sortiment zu nehmen?
Um die Angaben punktuell zu überprüfen, hat Greenpeace Filial-Checks durchgeführt. „Auch wenn dies nur Stichproben sind“, heißt es von Greenpeace, „so sind sie in der Summe ein Hinweis auf fehlerhafte Angaben“. Funde, die zu sehr von den Angaben abwichen, führten zu einem Punktabzug.
„Wenn der Umstieg auf die Haltungsformen 3 und 4 bis 2030 gelingen soll, müssen Supermärkte noch mehr Tempo machen.“
Das Ergebnis der Abfrage zeigt laut Greenpeace im Vergleich zu den vorherigen Befragungen, dass mehr Bewegung in den Markt kommt.
Zwar dominiere mit 82,5 Prozent (2023: 87,3 Prozent; 2022: 88,4 Prozent) Fleisch aus den zwei schlechtesten Haltungsformen das Angebot. Im Vergleich zum letzten Jahr sei der Anteil aber schneller gesunken – in diesem Jahr um fast fünf Prozent (2023: ein Prozent).
Der Anteil verschiebe sich weiterhin von Haltungsform 1 zu 2. Während in diesem Jahr 11,5 Prozent des Fleisches aus Haltungsform 1 stammte, waren es 2023 noch 13,5 Prozent, im Jahr 2022 noch 18,8 Prozent.
Laut Greenpeace geben alle Supermarktketten an, dass bis spätestens 2025 der komplette Ausstieg aus Haltungsform 1 vollzogen sein soll. Damit bleibe für die Händler im kommenden Jahr einiges zu tun, kommentiert Greenpeace.
Die größte Herausforderung bei der Umstellung auf die besseren Haltungsformen stelle weiterhin Rindfleisch dar, teilt Greenpeace mit. Der Ausstieg aus Haltungsform 1 bei Geflügel sei dagegen geschafft. Kaum verbessert habe sich dagegen das Angebot an Biofleisch.
Das Fazit von Greenpeace lautet: Die Richtung stimmt. „Wenn der Umstieg auf die Haltungsformen 3 und 4 bis 2030 gelingen soll, müssen Supermärkte noch mehr Tempo machen.“
Anfang 2022 haben zudem alle Händler damit begonnen, auch für Milch- und Molkereiprodukte ihrer Eigenmarken die Haltungsformen auszuweisen. Alle Märkte wollen bis Mitte 2025 die Trinkmilch komplett kennzeichnen. Aldi Nord hat dies laut Greenpeace schon jetzt erreicht. Aktuell stamme die gekennzeichnete Milch der Eigenmarken aus den höheren Haltungsformen 3 und 4. Käse, Butter, Joghurt und andere Molkereiprodukte sind demnach mit Ausnahme von Bioprodukten weitgehend nicht gekennzeichnet. Der Handel begründet das damit, dass nicht genug Milch aus den Haltungsformen 3 und 4 verfügbar sei oder nicht erfasst werde. Greenpeace zufolge werden Milchprodukte mit Haltungsform 1 oder 2 nur selten gekennzeichnet, „vermutlich da sich dies negativ auf die Vermarktung auswirken könnte“, so Greenpeace.
Die Haltungsform
- Die Haltungsform ist ein freiwilliges Kennzeichnungssystem, das Geflügel-, Schwein- und Rindfleisch-Produkte in fünf Stufen kategorisiert:
Haltungsform 1 (Stall), Haltungsform 2 (Stallhaltung plus) – beide werden von Greenpeace als tierschutzwidrig eingeordnet –, sowie Haltungsform 3 (Außenklima), Haltungsform 4 (Premium) und seit dem Sommer 2024 Haltungsform 5 (Bio). Die Kennzeichnung soll Verbraucher darüber informieren, aus welcher Art von Haltung die tierischen Produkte stammen. - Ein Großteil des deutschen Lebensmitteleinzelhandels (Aldi Nord und Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Rewe und Bünting) hat 2019 das einheitliche System zur freiwilligen Kennzeichnung für Frischfleischprodukte der Eigenmarken eingeführt.
- Im Jahr 2021 wurde dieses auch auf verarbeitete Fleischprodukte und seit Anfang 2022 auf Milchprodukte ausgedehnt.
- 2023 wurde die staatlich verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung verabschiedet, die ab August 2025 gilt und die für mehr Transparenz über die Bedingungen in den Ställen sorgen soll. Sie gilt zunächst nur für Schweinefrischfleisch im klassischen Lebensmitteleinzelhandel und nicht für Importe.
Die Ergebnisse des Supermarkt-Checks
- Mit null Punkten bewertete Greenpeace die Unternehmen Metro und Norma. Sie haben den Fragebogen laut Greenpeace nicht beantwortet und wurden nicht in die detaillierte Auswertung einbezogen.
- Geringfügig verschlechtert haben sich im Vergleich zum Vorjahr die Unternehmen Aldi Nord und Netto: Bei ihnen gibt es laut Greenpeace keine nennenswerten positiven Entwicklungen bei der Verfügbarkeit von besserem Fleisch.
- Auch das Unternehmen Edeka habe durch fehlende Transparenz Punkte verloren. Das trotzdem noch recht gute Abschneiden sei auf einen hohen Anteil an Bio-Fleisch zurückzuführen; ansonsten dominiere dort Haltungsform 2.
- Der Discounter Penny hat sein Angebot an Bio-Hähnchen leicht ausgebaut und dadurch mehr Punkte erreicht. Kaufland hat sich vor allem durch einen größeren Anteil von Haltungsform 3 bei Geflügel verbessert. Auch Rewe hat beim Geflügel an der Theke die Menge an Haltungsform 3 fast verdreifacht.
- Lidl hat laut Greenpeace große Fortschritte beim Rind gemacht, die Haltungsform 1 auf weniger als ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr reduziert und die Haltungsform 3 von null auf über 60 Prozent angehoben. Das Unternehmen Aldi Süd hat die Menge an Rind aus der Haltungsform 1 mehr als halbiert und Putenfleisch aus der Haltungsform 2 auf weniger als ein Drittel reduziert.
- Laut Greenpeace gaben alle Händler in der Befragung an, die Kennzeichnung mit der vierstufigen Haltungsform bei Hähnchen-, Puten-, Schweine- und Rindfleisch umfassend umzusetzen. Edeka, Kaufland, Netto und Rewe zufolge sei das für deutsches Fleisch auch an den Frischfleisch-Bedientheken der Fall. Greenpeace könne das nach eigenen Recherchen an den Bedientheken nicht bestätigen, heißt es im Bericht zum Supermarkt-Check.
Was Greenpeace fordert
Mit ihrem diesjährigen Supermarkt-Check verbindet die Umweltschutzorganisation Greenpeace Forderungen an den Lebensmitteleinzelhandel und die Politik:
• Die Supermärkte müssen die noch verbleibenden Lücken bei der freiwilligen Kennzeichnung schließen und diese auch konsequent auf verarbeitetes Fleisch und Tiefkühlprodukte anwenden.
• Fleisch aus tierschutzwidriger und klimaschädlicher Billigfleischproduktion sollten alle Supermärkte über alle Warengruppen hinweg – mit klarer Zeitangabe – aus dem Programm nehmen.
• Für die Umstellung auf Haltungsform 3 und Haltungsform 4 müssen die Supermarktketten zeitnah langfristige Verträge mit Landwirten eingehen und diese fair bezahlen.
• Die Politik muss den Umbau der Tierhaltung umfassend begleiten und einen strengen ordnungsrechtlichen Rahmen setzen sowie eine gesetzliche verpflichtende Haltungskennzeichnung für die gesamte Fleischindustrie einführen.
Auch die Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt untersucht regelmäßig, wo die größten deutschen Supermärkte und Discounter beim Thema Tierschutz stehen. Dafür analysiert sie, welchen Richtlinien die Unternehmen beim Tierschutz folgen und welche Ziele sie sich gesetzt haben, um das Tierwohl in Deutschland zu fördern. Im Mai 2024 veröffentlichte die Stiftung ihren neuesten Bericht. Auch dort stellte man fest, dass die Händler den Tierschutz zwar im Blick haben und in einigen Bereichen fortschrittlich agieren. Dennoch hätten alle Unternehmen noch viel Arbeit vor sich und die Umsetzung zur mehr Tierwohl müsse deutlich schneller vorangehen.
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