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Naturkosmetikhersteller

Cosmondial: Mit Pragmatismus statt Panik aus der Krise

Mit hautfreundlichem Marken-Make-up und einem modernen Sortiment zum kleinen Preis wurde Naturkosmetik-Hersteller Cosmondial erfolgreich. Die Corona-Pandemie stürzte das Unternehmen in eine Krise, aus der es mit neuen Körperpflege-Produkten gestärkt hervorgeht.

Manchmal hilft nur „Augen zu und durch“. So wie Anfang 2020, als mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der Maskenpflicht dekorative Kosmetik zum Ladenhüter wurde. „Mit dem ersten Lockdown am 15. März 2020 stürzten die Umsätze ab“, erinnert sich Stephan Becker von Cosmondial, der das Naturkosmetikunternehmen zusammen mit seiner Frau Silke gegründet hat. Der erste Lockdown hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt, denn quasi von heute auf morgen rissen die Bestellungen ab.

In der Logistikhalle, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen wieder an langen Tischen Ware kommissionieren, wurde fast niemand mehr gebraucht. Lidschatten, Rouge, Lippenstift – die Kosmetik stapelte sich im Hochregallager bis unter die rund zehn Meter hohe Decke. „Damals machte dekorative Kosmetik rund 85 Prozent des Cosmondial-Umsatzes aus“, sagt der Geschäftsführer.

Bis dahin war es dynamisch vorangegangen. Im Jahr 2008 startete Cosmondial im heimischen Wohnzimmer im Aschaffenburger Stadtteil Obernau mit der Marke Benecos. Erklärtes Ziel damals wie heute: Natur- und Bio-Kosmetik zum fairen Preis anzubieten.

Herausragend für Cosmondial war das Jahr 2019, denn es gehörte zu den erfolgreichsten der Firmengeschichte. Der Marktführer für dekorative Kosmetik brachte im Bio-Fachhandel 42 neue Produkte heraus – so viele wie nie zuvor. Im selben Jahr ging Cosmondial eine Unternehmensbeteiligung an einem Produktionsbetrieb in Mailand ein. Die Partnerschaft sollte den Beckers, die bis dahin noch nicht selbst produzierten, direkten Einfluss auf die Kosmetikherstellung verschaffen.

Gleichzeitig entwickelten sie eine neue Marke: GRN (Grün oder Green gesprochen), das anspruchsvollere Gegenstück zu Benecos. GRN enthält teurere Leitwirkstoffe und macht Angebote für unterschiedliche Hautbedürfnisse. Zur Biofach im Februar 2020 präsentierte das Unternehmen die neue Marke. Und dann kam Corona.

„Eine Produktidee, die wir in der Schublade haben, können wir in fünf Tagen umsetzen."

Stephan Becker, Geschäftsführer von Cosmondial

Wie viele andere mussten die Beckers die Hoffnung auf ein schnelles Ende der Pandemie aufgeben und zusehen, wie die finanziellen Ressourcen mit jedem Tag schwanden. Doch statt in Panik auszubrechen, reagierte das mittelständische Familienunternehmen rasch und pragmatisch.

Der Gedanke an die Kinder rechtfertigte die Mühen

Die Beckers strafften zunächst das Sortiment. Weil Desinfektionsmittel knapp waren, stellten sie aus den Alkoholvorräten für die Nagellackentferner-Produktion kurzerhand gefragte Hygienemittel her, und bauten das Körperpflege-Sortiment deutlich aus. Ende 2021 lancierte Cosmondial im Bio-Fachhandel die Serie Benecos Bio mit einem breiten Angebot an Duschgelen, Shampoos, Haarspülungen, Körperlotionen, Handseifen und Handcremes in der recyclingfähigen PET-Flasche.

Trotz der Eile ist das Konzept durchdacht. Man habe sich aus Umweltgründen bewusst für das 500-Milliliter-Gebinde entschieden, sagt Stephan Becker: „Weil das Material dünner ist, spart man im Vergleich zum 200-Milliliter-Behälter rund 70 Prozent Kunststoffverpackung.“ Angenehmer Nebeneffekt: Das Gebinde kann günstiger als die 200-Milliliter-Flasche kalkuliert und angeboten werden.

Kunden könnten die Flaschen sogar aus dem gleichzeitig präsentierten Nachfüllpack auffüllen. Auch das spart jede Menge Plastik. Davon machen (noch) wenige Gebrauch. „Wir glauben aber daran, dass dieser Weg richtig ist“, sagt Becker. Die Menschen hätten momentan eben andere Sorgen.

„Aufzugeben war keine Option.“

Silke Becker, Geschäftsführerin von Cosmondial

Mit Flexibilität, frischen Ideen und dem mutigen Wechsel von dekorativer Kosmetik auf Körperpflege half sich das Unternehmen in der schwierigen Zeit aus eigener Kraft. Natürlich gab es immer wieder Zweifel, ob sich die Anstrengungen überhaupt lohnen. „Aufzugeben war aber keine Option“, erzählt Silke Becker. Der Gedanke, das Lebenswerk irgendwann an die Kinder übergeben zu können, rechtfertigte die Mühen.

Sohn Moritz hat seinen Schreibtisch im Büro vor mehreren Wochen gegen einen neuen Arbeitsplatz getauscht. Dieser liegt nur ein paar Schritte hinter dem Elternhaus und der Logistikhalle. Dort steht erst seit ein paar Monaten auf rund 2.400 Quadratmetern eine zweigeschossige Industriehalle mit Labor, Rohstofflager, Fertigungs-, Abfüll- und Etikettieranlagen.

Geplatzte Termine, explodierte Baukosten

Seit Mai 2023 produziert Cosmondial hier mit Ausnahme der Zahnpasten sämtliche Pflegeprodukte sowie Private-Label-Konzepte. „Die dekorative Kosmetik wird zurzeit noch in Partnerschaft an einem anderen Standort gefertigt“, sagt Marie Becker. Aber man plane, nach und nach viele Kategorien der dekorativen Kosmetik auch nach Sulzbach zu holen.

4,5 Millionen Euro hat der Neubau auf der grünen Wiese gekostet. Ein weiterer gewaltiger Schritt nach vorne. Das Grundstück gehörte den Beckers schon länger. Die Bewilligung der Gelder beschreibt Stephan Becker als „Kraftakt“. Und als hohes Risiko. „Wir haben jeden Cent aus der Firma reinvestiert und im Privaten überall zurückgesteckt.“ Die Entscheidung fiel unter Druck. Das Joint-Venture in Mailand habe nicht funktioniert, sagt Stephan Becker. Während der Pandemie mussten Video-Konferenzen die regelmäßigen Besuche vor Ort ersetzen. Da sei einiges schiefgelaufen.

Schiefgelaufen ist auch am Bau in Sulzbach so einiges. Handwerker ließen Termine platzen, die Baukosten explodierten, Material fehlte und der Bauträger leistete sich ärgerliche und teure Planungsfehler. Noch heute treibt es Stephan Becker beim Erzählen Zornesfalten auf die Stirn. Viel zu spät wurde die Halle schließlich fertig. Anstatt nach einer Testphase entspannt in die Produktion zu starten, musste auf Anhieb alles klappen, weil der Mietvertrag in Mailand auslief.

Zum Baustress kam die schleppende Konjunktur. Inflation, Ukrainekrieg und steigende Energiekosten trieben die Kosten in die Höhe und trübten die Kauflaune der Kunden. In der Planungsphase für die Halle brach der Umsatz um 30 Prozent ein. Trotzdem sagt der Firmengründer: „Der Neubau war das Beste, was wir machen konnten“, als er den Besuch mit sichtbarem Stolz durch die Produktionsräume führt und mit einer Geste weit die Arme öffnet, so als wollte er das Glück umarmen.

Inzwischen wirken die Abläufe routiniert. In der Fertigungshalle rühren zwei Produktionsmaschinen aus Edelstahl Zutaten für Shampoo und Duschgel. Es riecht nach Minze und Zitrone. Nebenan laufen Flaschen mit Duschgel über die Abfüll- und Etikettier-Maschine. Vieles ist dennoch Handarbeit. Die Nachfüllbeutel für die Benecos Bio-Serie müssen beispielsweise einzeln abgefüllt werden. Noch läuft der Betrieb nicht unter Voll-Last. „Wir warten auf weitere Maschinen“, sagt Becker. Der Kraftakt habe sich aber gelohnt.

Neue Serie Natura-Basics

Die Vorteile, die die hauseigene Produktion verschafft, lägen auf der Hand: Rohstoffeinkauf, Produktionssteuerung und Qualitätsüberwachung bestimmt Cosmondial in Eigenregie. „Wir können eine Produktidee, die wir in der Schublade haben, wenn es darauf ankommt, in fünf Tagen umsetzen. Das dauert ansonsten Monate“, sagt Becker. Wer so flexibel arbeiten kann, eröffnet sich neue Spielräume. Stephan Becker, der vor der Selbstständigkeit als Manager in der konventionellen Kosmetikindustrie Erfahrungen sammeln konnte, freut sich zudem über Einsparpotenziale durch schlanke Prozesse und kurze Wege.

Von einer interessanten Preiskalkulation soll der Bio-Fachhandel gerade jetzt in Krisenzeiten profitieren, findet der Unternehmer. Wie andere Naturkosmetik-Hersteller fordert er aber seit Jahren mehr Aufmerksamkeit für das Naturkosmetik-Sortiment ein. Kosmetik führe im auf Lebensmittel fokussierten Bioladen immer noch ein Schattendasein. Dabei habe Cosmondial gerade in den vergangenen schwierigen drei Jahren attraktive Sortimente mit einer einzigartigen Positionierung und nachhaltigen Verpackungen geliefert.

Jüngstes Projekt aus Sulzbach ist die Serie Natura Basics der Marke Benecos. Sie knüpft an ein bewährtes Erfolgskonzept an. Vor 13 Jahren war es preisgünstige dekorative Naturkosmetik, die bei der Kundschaft richtig gut ankam. „Warum sollte das nicht auch bei Körperpflege funktionieren?“, fragten sich die Beckers. Zumal in der Bio-Branche mit dem Rückzug von Neobio eine Lücke im Preiseinstiegssortiment entstanden sei. Shampoos und Duschgele der Basics-Linie konkurrieren mit Einstiegspreisen in Drogeriemärkten und mit Eigenmarken. Sie sollen neue Kunden in die Bio-Läden locken.

Das scheint zu funktionieren. Stephan Becker spricht erleichtert von einer Kehrtwende. „Nach Krisenjahren liegen wir in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 endlich wieder im Plus.“

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