Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Naturkosmetik

„49 Prozent der Kunden kaufen eher impulsiv“

Der 13. Naturkosmetik-Branchenkongress im September stand im Zeichen der Corona-Pandemie. Keynote-Sprecher Professor Thomas Rudolph gab Unternehmen Tipps, wie sie sich in disruptiven Zeiten erfolgreich wandeln können.

Disruptive Zeiten, so Thomas Rudolph, Direktor des Forschungszentrums für Handelsmanagement an der Schweizer Universität St. Gallen, stellen ganz grundsätzlich eine bestehende Ordnung auf den Kopf. Technische Neuerungen und neue Geschäftsmodelle bedrohten aktuell den etablierten Handel, die Coronakrise beschleunige das rasant. „Der E-Commerce hat in einigen Handelsbranchen die gleiche Steigerung, die er über die letzten zehn Jahre erfahren hat, innerhalb von nur acht Wochen nach dem Lockdown erreicht“, berichtete Rudolph auf dem 13. Naturkosmetik-Branchenkongress Ende September in Berlin.

Vorteile von Giganten wie Amazon seien dabei die riesige Markenauswahl und die Einrichtung von Marktplätzen. Hersteller, auch aus der Naturkosmetik, würden zudem vermehrt eigene Onlinevertriebskanäle anbieten. Als besonders zukunftsweisendes Beispiel für die neue Shoppingkultur führte Rudolph die Tmall Fashion Show der Alibaba Group in China an. Noch während die Modeschau läuft – live und auf allen Kanälen im Netz – kann man die präsentierten Kleidungsstücke in den Online-Warenkorb legen. „Das reale Leben vermischt sich mit dem virtuellen“, brachte Rudolph es auf den Punkt.

Verbraucher wollen wissen, woher Produkte kommen

Seit dem Lockdown werde aber nicht nur generell mehr online gekauft, es zeigten sich noch andere Trends: So ist das Angebot an digitalen Serviceleistungen gestiegen. Die Angst vor Ansteckung mit dem Covid-19-Virus hat dazu geführt, dass Menschen seltener in Läden gehen. Zugleich gewinnt aber auch lokaler Konsum an Bedeutung. Die Verbraucher wollen wissen, woher ihre Produkte kommen. „Das vermittelt ihnen ein gewisses Gefühl an Sicherheit“, so Thomas Rudolph.

Wie sich das Einkaufsverhalten weiter entwickelt, hängt laut des Handelsexperten natürlich auch von der Dauer der Pandemie ab, der Zufriedenheit der Kunden mit neuen Kauferfahrungen, der digitalen Kompetenz eines Landes und nicht zuletzt von den Werten und Einstellungen einer Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund empfahl Thomas Rudolph Managements, sich zu fragen:

  • Welche neuen Angebote können wir digital schnell entwickeln?
  • Wie lassen sich unsere Produkte bequem von zu Hause aus einkaufen?
  • Wie können wir Frequenzrückgänge kompensieren und welche innovativen Maßnahmen wie Heimberatung oder die Nutzung von Marktplätzen helfen dabei?
  • Wie können wir die Logistik rentabler gestalten? Können wir uns etwa mit anderen Läden zusammenschließen?
  • Mit welchen Angeboten können wir unser Image als regionaler und nachhaltiger Anbieter stärken?

Um Unternehmen dabei zu helfen, sich neu zu organisieren, hat der Handelsexperte einen Managementansatz entwickelt. Er basiert auf zahlreichen Untersuchungen, Workshops und Diskussionsrunden. Hier eine Checkliste mit Fragen, auf die ein Unternehmen klare Antworten finden sollte:

1. Welches Geschäftsmodell fahre ich?

Dabei geht es um die strategische Positionierung: Lege ich den Fokus auf niedrige Preise, setzte ich vor allem auf Qualität, ist es der Service, mit dem ich mich profilieren will? Das hängt natürlich auch von den Mitbewerbern im Umfeld ab.

2. Was ist mein Leistungsversprechen?

Das wiederum leitet sich aus dem Geschäftsmodell ab. „Wir brauchen gemeinsame Ziele im Unternehmen“, betonte der Handelsexperte. Die Mitarbeiter sollten sich klar sein über das Leistungsversprechen, damit sie es den Kunden vermitteln können. „Fragen Sie sie doch mal danach“, riet Rudolph. Als Beispiel verwies er auf das Leistungsversprechen von Ikea, dass da lautet: Möglichst viele Menschen sollen schön wohnen“.

3. Womit inspiriere ich meine Kunden?

Das ist wichtig für die Phase zwischen dem Kaufinteresse und dem eigentlichen Erwerb eines Produktes. „51 Prozent der Kosmetik-Kunden kommen mit einem konkreten Produkt im Kopf in den Laden“, berichtete Rudolph. „49 Prozent aber eben nicht, sie kaufen eher impulsiv.“ Bei ihnen könne man mit Inspiration punkten.

4. Ist das Personal motiviert, Veränderung mit zu tragen?

Damit ist Empowerment, sprich die Bereitschaft der Mitarbeiter gemeint, sich anzustrengen und Veränderungen mitzutragen oder sogar voranzutreiben. Das ist laut Rudolph einer der wesentlichen Punkte für Erfolg. Man müsse mehr in Teams denken und weniger in Einzelverantwortlichkeiten. Eine seiner Studien habe gezeigt, dass mehr Autonomie für die Mitarbeiter, in dem sie zum Beispiel selbst entscheiden können, wo sie wichtige Produkte platzieren, den Umsatz deutlich mehr steigere als Verkaufstrainings.

5. Bieten wir guten Service?

Immer wieder kommt es vor, dass Kunden sich vor Ort über Produkte informieren – und sie dann doch online kaufen, da sie dort billiger zu haben sind. Da kann man mit Zusatzleistungen punkten. Thomas Rudolph machte das am Beispiel eines Kamerakaufs deutlich. Leistungen, die den Kunden zum Kauf im Laden motivieren, könnten ein kostenloses Poster-Angebot sein, ein schneller Reparaturservice, bei dem der Ladner das Verschicken übernimmt, oder gar das Angebot, eine ellenlange Bedienungsanleitung besser und schneller am Objekt zu erklären.

„All diese Punkte tragen dazu bei, eine Unternehmenskultur aufzubauen, die Veränderung, Innovation und Anpassung zulässt – oder am besten sogar fördert“, ist der Experte überzeugt.

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