Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag weiterhin im Griff. Zwar gibt es erste Gewöhnungseffekte, etwa bei der Maskenpflicht. Auch bestätigt eine Studie zum Kundenverhalten des Institut für Handelsforschung im September 2020, dass die Konsumlaune der Menschen nicht wie lange befürchtet sinkt, sondern mit Blick auf Weihnachten stabil bleibt und teilweise sogar zunimmt. Die vollen Innenstädte möchte gut die Hälfte der Befragten in der Weihnachtszeit allerdings meiden. Übersetzt heißt das: Die Leute haben durchaus Lust zu konsumieren, aber unter sicheren Bedingungen.
Was bedeutet das konkret für den Bio-Fachhandel? Er muss Ideen entwickeln, um einen Zielkonflikt zu managen, den es so noch nie gab: Die Einhaltung und Durchsetzung strenger Vorschriften, die eher stimmungssenkend wirken, müssen in Einklang gebracht werden mit der Gestaltung einer Atmosphäre, die aus Kundensicht angenehm und sicher und aus Verkäufersicht umsatzförderlich ist.
Kreativität und Zuversicht
Nach ihren Plänen befragte Läden gehen das Weihnachtsgeschäft mit viel Kreativität und Zuversicht an. Während bei der Frage nach zusätzlichem Personal die Meinungen von „keinesfalls, die bringen nur die Abläufe durcheinander” bis „wir stellen selbstverständlich zusätzliches Personal für Weihnachten ein” reichen, mangelt es nicht an Ideen, die sich an konkreten Kundenbedürfnissen orientieren.
Wir haben Kunden, die Ware per E-Mail bestellen und sie dann an unserer Kellertüre kontaktlos abholen.
Sylvain Durand von Safran Naturkost in Potsdam will der stärkeren Nachfrage nach kontaktlosem Zahlen Rechnung tragen und plant die Anschaffung eines zusätzlichen EC-Karten-Lesegerätes sowie die technische Absicherung mobiler Zahlungsmöglichkeiten. Zudem ist die Erweiterung der Öffnungszeiten, zum Beispiel durch Verzicht auf die Mittagsschließzeit, eine frühere Ladenöffnung am 23. und 24. oder Einkaufen außerhalb der Öffnungszeiten nach Absprache mit Kunden aus Risikogruppen für einige Läden eine Option, um Wartezeiten und Gedränge zu vermeiden.
Bei Sesam Naturkost in Titisee-Neustadt wird die Kellertür des Ladens in der Adventszeit schon mal zum Drive-In-Schalter: „Wir haben Kunden, welche Ware per Mail bestellen und sie dann an unserer Kellertüre kontaktlos abholen”, erzählt Martina Winterhalter. „Die Rechnungen schicken wir dann direkt per Mail.“
Wesentlich für die Kommunikation aller Service-Angebote ist das
Bespielen möglichst vieler Online-Kanäle, und zwar deutlich
strategischer als bisher. „Wir werden über Facebook-, Instagram-,
Google-Beiträge und auf unserer Website kommunizieren, dass wir gerne
liefern“, erläutert Marina Winterhalter ihre Pläne. Der Filialist Bio Company geht zwar davon aus, dass sich das
Weihnachtsgeschäft 2020 nicht wesentlich von anderen unterscheiden wird,
will seine Kunden aber über die Online-Kanäle des Unternehmens
informieren, sollten Zugangsbeschränkungen nötig werden.
Insgesamt lassen die geplanten Mehrausgaben darauf schließen, dass Kunden das Weihnachtsfest als Kompensation für entgangene Freuden wie
den Sommerurlaub im Ausland ansehen. So könnte auch die Bereitschaft groß sein, mehr Geld für hochwertige Lebensmittel, Delikatessen oder
Bio-Kosmetik auszugeben. Manche Ladner möchten sich daher dieses Jahr mit mehr besonderen, hochpreisigen Artikeln bevorraten.
Weitere Tipps von Kolleginnen
„Bei uns läuft die ganze Zeit der Diffuser mit reinen ätherischen Ölen von Primavera. Dies klärt die Luft, zudem riecht es gut und macht eine besonders festliche Stimmung und gute Laune.” Christiane Denzel, Breite Wies' Bioland-Gärtnerei und Naturkost in Emmingen-Liptingen
„Im Vorfeld packen wir kleine Geschenkpakete: mitnehmen, bezahlen, verschenken.” Iris Hasenfratz, Die Bio-Ecke in Löffingen
„Aufgrund der begrenzten Anzahl zulässiger Personen im Laden werden sich die Warteschlangen dieses Jahr wahrscheinlich nach draußen verlagern. Dort gibt es vielleicht eine Feuerschale und einen Teeausschank, damit die Kunden nicht zu sehr frieren müssen.” Claudia Förtsch, Laden im Thal in Soyen
In diesem Jahr ist unklar, ob und unter welchen Maßgaben Restaurants
geöffnet sein werden. Je nach aktueller Situation kann es auch
kurzfristig noch zur Nachfrage nach Weihnachtsgeflügel kommen. Das Thema
Bevorratung ist hier ein zweischneidiges Schwert. Aus ethischen und
ökonomischen Gründen lässt es sich nicht vertreten, Gänse „auf Verdacht“
zu bestellen.
Die meisten Läden arbeiten bei Geflügel ohnehin mit
Bestellung und teilweise auch Anzahlung im Voraus, so dass Angebot und
Nachfrage ausgeglichen sind. Durch einen Vorrat an hochwertigem
TK-Fleisch kann der Laden dennoch vorsorgen. Renate Haller vom Bioladen
Haller in Rodgau rechnet zudem mit mehr Nachfrage nach veganen oder
vegetarischen Alternativen.
Wir machen unsere Kunden aufmerksam, den Weihnachtseinkauf nicht an den letzten Tagen zu planen bzw. haltbare Sachen vorher einzukaufen.
Die Engpässe bei zahlreichen Lebensmitteln zum Anfang der Pandemie haben viele Kunden stark verunsichert. Deshalb wird die Bevorratung mit feiertagsrelevanten Produkten in diesem Jahr möglicherweise früher beginnen als bisher. Das bietet zugleich die Chance, die Nachfrage zeitlich zu entzerren.
Gabi Lorenz vom Bioladen Paradieschen in Linsengericht kommuniziert das ganz offensiv: „Wir machen unsere Kunden durch Plakate aufmerksam, den Weihnachtseinkauf nicht an den letzten Tagen zu planen bzw. haltbare Sachen vorher schon einzukaufen.“ Eine langfristig gute Warenverfügbarkeit sorgt dabei für emotionale Sicherheit beim Kunden.
Kundenbindung hat Priorität
Für das aktuelle Weihnachtsgeschäft im Bio- Fachhandel gelten also andere Prioritäten als bisher. Diesmal geht es nicht an erster Stelle um
Umsatzsteigerung, sondern um Kundenbindung durch optimale Kundenorientierung. Das ist die beste Basis, um den Umsatz für die Zukunft zu sichern. Der Biofachhandel, der von der Corona-Pandemie fast durchgehend profitiert hat, kann und sollte sich diese Verschiebung der Prioritäten leisten, um seine Position im Wettbewerb mit dem LEH, den Lebensmitteldiscountern und den Online-Vermarktern zu stärken.
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