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Warum Ladesäulen für den Handel so wichtig sind

Ladesäulen auf dem Parkplatz vor dem Geschäft sind kein Luxus, sondern ein Wettbewerbsvorteil. Denn sie steuern, wo die Fahrer von Elektromobilen einkaufen. Einzelhändler ohne Infrastruktur sollten zügig nachrüsten.

Die Zahl der Elektroautos steigt. Und mit ihr der Bedarf, das Laden der Batterien in den Alltag zu integrieren. Bieten Einzelhändler auf ihren Kundenparkplätzen Ladekapazitäten an, kann das durchaus ein Argument für Fahrerinnen und Fahrer sein, dort einzukaufen – und andere Geschäfte links liegen zu lassen.

Noch siebeneinhalb Jahre, dann sollen nach den Plänen der Bundesregierung 15 Millionen Stromer in Deutschland zugelassen sein. Am ersten Januar 2023 waren es rund eine Million. Laut Bundesnetzagentur existierten zu diesem Zeitpunkt in Deutschland 80.541 öffentlich zugängliche Ladepunkte.

Um das Netz auszubauen, setzt die Bundesregierung auch auf den Einzelhandel. Denn die private Wallbox in der eigenen Garage ist nur für manche Autobesitzer sinnvoll. In Innenstadtlagen verfügt nicht jedes Gebäude über ausreichend Stellflächen für die zu den Wohnungen gehörenden Fahrzeuge. Und in Altbauten kann die Installation einer Wallbox eine teure Angelegenheit werden, falls die Elektrik des Hauses für den Betrieb der Ladepunkte erneuert werden muss.

Das EHI Retail Institute hat jetzt die Situation im Einzelhandel auf Basis einer Umfrage bei Unternehmen untersucht, darunter 24 Handelsketten aus dem Lebensmittelsektor mit insgesamt 18.858 Filialen. Das Ergebnis: 71 Prozent der Befragten bieten das Laden an, weitere 15 Prozent planen es für die Zukunft.

Wer nichts tut, vergrault Kunden

Ohnehin müssen Einzelhändler in den kommenden Jahren zumindest Leerrohre für Ladeinfrastruktur auf ihren Parkplätzen verlegen (siehe Kasten), was immerhin 46 Prozent bereits getan haben. In der Studie des EHI Retail Institute heißt es, „dass die Unternehmen zunehmend eine größere Anzahl von Ladestationen planen“. Dieser Trend sei klar zu erkennen. Gleichzeitig geben die befragten Einzelhändler an, dass Kunden das Angebot zunehmend nutzen.

Ladesäulen-Pflicht

Im März 2021 trat das Gebäude-Elektromobilitätsgesetz (GEIG) in Kraft. Unter anderem verpflichtet es den Einzelhandel, beziehungsweise die Eigentümer von Gebäuden, die nicht dem Wohnen dienen, Ladeinfrastruktur anzubieten.

Bei Neubauten gilt: Ab sechs Stellplätzen braucht es mindestens eine Ladesäule, zu jedem dritten Stellplatz müssen zumindest Leerrohre führen, um sie in den kommenden Jahren aufzurüsten. Wird ein Bestandsbau modernisiert, gilt das analog ab zehn Stellplätzen, wobei Leerrohre an jedem fünften Platz genügen.

Ab 2025 sind Ladepunkte auch im Bestand vorgeschrieben, falls mehr als 20 Stellplätze vorhanden sind. Unter bestimmten Umständen existieren Ausnahmen. Die EU verfolgt derzeit eigene, teilweise ehrgeizigere Pläne.

Mit anderen Worten: Wer nichts tut, der riskiert, dem Markt hinterherzulaufen und die elektrifizierten Kunden zu vergraulen. Denn die sparen dadurch Zeit (siehe Kasten am Textende). „Der Hauptmotivator für den Ausbau der Ladeinfrastruktur ist für die meisten Einzelhändler die Kundenbindung, also das Angebot einer besonderen Serviceleistung“, sagt Kundyz Alibekova, Referentin für Energiepolitik beim Handelsverband Deutschland mit Verweis auf die EHI-Studie.

„Der Hauptmotivator für den Ausbau der Ladeinfrastruktur ist die Kundenbindung.“

Kundyz Alibekova, Referentin beim Handelsverband Deutschland

Grundsätzlich dominieren drei Modelle: Manche Einzelhändler betreiben die Ladesäulen selbst. Dafür erhalten sie Fördermittel vom Bund und, je nach Standort, von Ländern und Gemeinden. Aber den Ansatz verfolgen nur noch 15 Prozent der vom EHI befragten Einzelhändler. Von denen bieten 15 Prozent den Strom vergünstigt, elf Prozent kostenfrei an, wie der Bio-Supermarkt Biomichl in Weilheim.

Vorsicht, steuerlich betrachtet handelt es sich dabei um eine unentgeltliche Wertabgabe. Hier sollten Einzelhändler auf jeden Fall vorab ihren Steuerberater einschalten, denn es wird komplex. Dieser sollte unter anderem prüfen, ob eine Umsatzsteuerpflicht besteht oder nicht.

Mit einem Anteil von 70 Prozent deutlich beliebter – und kostengünstiger – ist das Modell, ein Partnerunternehmen, häufig einen Stromversorger, einzubinden, und lediglich den Stellplatz zur Verfügung zu stellen.

Stromversorger suchen Standorte für Ladesäulen

Auch möglich ist, einen Teil des Parkplatzes zu verkaufen. Manche Stromversorger suchen derzeit geeignete Standorte, um ihr Netz an Schnellladesäulen zu erweitern.

„Aus unseren langjährigen Erfahrungen in diesem Bereich können wir aber eine Tendenz zu langfristigen Pachtmodellen mit Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren erkennen“, berichtet Lars Walch, Vice President Sales E-Mobility beim Energieunternehmen EnBW.

Das Unternehmen baut derzeit nicht nur ein Schnellladenetz entlang der Fernstraßen, sondern sucht auch gezielt Standorte in guten Einkaufslagen. Beispiel Pforzheim, Rastatter Straße 5. Acht Schnellladesäulen hat EnBW hier auf einem Parkplatz installiert. Außenrum: Mehrere Lebensmitteleinzelhändler, vom konventionellen Discounter bis zu Denn’s-Biosupermarkt, einem Baumarkt, Elektromarkt, Drogeriemarkt, einem Geschäft für Tierzubehör und vieles mehr.

Die A8 ist gerade mal 1,3 Kilometer entfernt. Hier laden Einheimische während ihres Einkaufs und Durchreisende nutzen einen erforderlichen Ladestopp für ihre Einkäufe. „Schnellladeinfrastruktur auf Parkplätzen im Handel ist ein zentraler Baustein für eine alltagstaugliche E-Mobilität“, sagt Walch.

Denn mit den langsameren Wechselstrom-Ladesäulen mit einer Maximalleistung von 22 Kilowatt (kW) dauert es lange, eine Batterie zu laden. Das Risiko: Kunden könnten ihr Fahrzeug stehenlassen, auch, wenn sie ihren Einkauf beendet haben. An Schnellladesäulen hingegen dauert es in der Regel zwischen 20 und 40 Minuten, bis ein modernes E-Fahrzeug bereit für eine angemessene Weiterfahrt ist.

Läden mit Lademöglichkeit sind die erste Wahl

Das hat auch der Einzelhandel bemerkt. „Der Anteil von sogenannten Schnellladesäulen mit DC-Technologie liegt inzwischen bei über 50 Prozent an den Ladesäulen auf Handelsparkplätzen“, schreibt das EHI. EnBW setzt überwiegend auf 150 bis 300 kW.

Alnatura versucht es mit weniger. Das Unternehmen kooperiert mit der Berliner Projektentwicklerin Ladegrün. Auf zahlreichen Parkplätzen der Bio-Supermärkte errichtet das Unternehmen ab 2023 bis zu vier Ladepunkte, größtenteils mit einer Leistung von 50 kW, immer mit Ökostrom.

Alnatura verspricht sich davon nach eigenen Angaben unter anderem, neue Kunden zu gewinnen. „Es ist nur konsequent, mit Ökostrom-Ladesäulen auf unseren Parkplätzen zur Energiewende beizutragen“, erklärt Geschäftsführer Rüdiger Kasch. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das nicht. Laut EHI liefern 83 Prozent der Ladepunkte im Handel zertifizierten Grünstrom.

Wollen Einzelhändler ihre Standorte für Kunden durch Ladesäulen attraktiver gestalten, benötigen sie Geduld. Länger als ein halbes Jahr dauert es oft, nachdem die Behörden den Bau genehmigt haben, bis das erste Fahrzeug lädt, so die Erkenntnis des EHI. Doch ohne Säulen steigt das Risiko, Kunden zu verlieren. Lars Walch von EnBW ist sich sicher: „Schon heute gehen E-Autofahrer und Autofahrerinnen dort einkaufen, wo sie währenddessen ihr Fahrzeug aufladen können.“

Kurz tanken, lange laden

Mit dem E-Auto unterwegs zu sein, erfordert ein Umdenken – auch, wenn es ums Laden geht. Bei Benzinern und Diesel-Fahrzeugen ist es üblich, möglichst wenig Treibstoff im Tank zu haben, bevor es an die Zapfsäule geht, um ihn dann in wenigen Minuten zu füllen. Bei der Elektromobilität ist das anders.

Die Batterie zu laden kann durchaus ein paar Stunden dauern. Daher ist es sinnvoll, den Ladeprozess mit anderen Aktivitäten zu verbinden, beispielsweise mit einem Spaziergang, Sport, dem Mittagessen – oder eben mit einem Einkauf. Außerdem ist der Rhythmus anders. E-Auto-Besitzer fahren ihre Batterien in der Regel nicht leer und laden sie dann komplett voll, sondern halten sie in einem Bereich zwischen 20 und 80 Prozent.

Das bedeutet: Auch wenn es nur ein paar Prozentpunkte der Kapazität bringt, lohnt es sich, bei einem kurzen Halt das Elektro-Fahrzeug an die Ladesäule zu koppeln.

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