„Wir verstecken uns nicht, sondern gehen auf die Kunden zu! Helfen, beraten und geben auch mal Rezepte-Tipps.“ Dass Bio für Christina Höppner keine Profit-Maschine ist, sondern eine Lebenseinstellung, merkt man schnell, wenn man mit ihr spricht. Da ist viel Leidenschaft, Kreativität, Lust aufs Machen. Höppner ist eine der beiden Inhaberinnen von Val Verde Naturkost, einem 200 Quadratmeter großen Bio-Laden in Bammental bei Heidelberg. Preisprämiert. Denn vor kurzem wurde Val Verde in der aktuellen „Schrot&Korn“-Leserbefragung auf Platz 1 in der Kategorie „Fachgeschäfte“ gewählt.
Was können andere Bio-Läden von Val Verde lernen? Wie gewinne ich neue Kunden und schaffe ein gutes Einkaufserlebnis? Damit hat sich auch das Marktforschungsunternehmen Rheingold Institut beschäftigt und in einer Studie im Auftrag von Bio Handel insgesamt sieben Erfolgsfaktoren ermittelt, die jeden Bio-Laden stärken können. Dafür wurden zur Hälfte Kunden befragt, die überwiegend im Bio-Fachhandel einkaufen sowie ein bisschen Bio im LEH und zur anderen Hälfte Kunden, die überwiegend Bio im LEH kaufen sowie ein bisschen im Fachhandel.
Zielgruppe der Studie sind Läden wie Val Verde. Also inhabergeführte, kleinere Fachgeschäfte, die angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz aus dem konventionellen Einzelhandel und der großen Bio-Supermärkte unter Druck stehen.
Die inhabergeführten Läden müssen mit ihrem Auftritt zeigen, das sie Bio ,leben'.
Zentrale These der Rheingold-Studie: Die inhabergeführten Läden müssen mit ihrem Auftritt zeigen, das sie Bio „leben“. Also nicht nur bei den Produkten, sondern in allen Bereichen dahinter stehen, was sie verkaufen und diese nachhaltigen „Werte“ im Laden abbilden und in einem „Gesamt-Erlebnis“ sichtbar machen. Steht beim LEH das Produkt im Mittelpunkt und der schnelle Abverkauf, sollte es im Bio-Fachhandel entschleunigt zugehen mit der Bio-Gesinnung als Antrieb.
Was Sie laut der Studie ganz konkret tun können, um ein attraktiveres Einkaufserlebnis zu bieten, lesen Sie im Folgenden.
1. Der erste Eindruck zählt!
Es ist der erste Schritt: Wie schafft man es, dass Kundinnen und Kunden den Laden betreten? Dass sie nicht nur vorbeilaufen oder mal reingucken, sondern tatsächlich reinkommen. Die Studie sagt: indem schon der Eingang eine warme, offene Atmosphäre ausstrahlt und zum Einkaufen einlädt. Heißt: unverstellte Schaufenster, ein großer Eingang, Produkte passend zur Jahreszeit vor der Tür oder im Eingangsbereich platzieren (Kürbisse, frische Äpfel) oder auch einen Tisch und Stühle hinstellen.
„Genau das funktioniert bei uns auch sehr gut“, erzählt Christina Höppner. „Seitdem wir ins Stadtzentrum von Bammental umgezogen sind, haben wir deutlich mehr Platz, ein großes Schaufenster, ein luftiges Design, auch durch die hohen Decken. Die Kunden lieben das. Genau, wie unsere kleine Sitzecke am Tee-Regal.“
Was auch hilft: sinnliche „Lock-Produkte“ im Eingangsbereich verkaufen – der Klassiker: frisches Brot. Außerdem wichtig – siehe Val Verde: eine helle Grundatmosphäre, genug Platz an den Kassen und breite Gänge.
Auch Elke Röder vom Großhändler Terra Naturkost findet den ersten Eindruck von außen wichtig. „Auch deshalb, weil sich ein Viertel verändert. Stammkunden ziehen weg, neue Menschen kommen dazu. Nur auf die Bekanntheit zu setzen, wird nicht funktionieren. Das Geschäft sollte sichtbar sein, mit einer hübschen Fassade und einem sichtbaren Logo. Das sind zentrale Punkte, um aufzufallen und im Kopf zu bleiben.“
2. Klarheit und Ordnung sind die halbe Miete
Wo steht das Müsli? Wo finde ich die Eier? Gerade neue Kunden müssen sich in einem Laden erstmal orientieren. Die Probanden in der Studie fanden deshalb eine klare Grundstruktur sehr hilfreich, mit einem organischen Design wie etwa runde Ecken und Lichtspots. Also: große Schilder mit den Produkt-Kategorien über den Regalen, die auch gerne kreativ und ansprechend gestaltet sein können. Keine zu hohen Regale, um nicht alles zuzustellen. Auch wichtig: Produkte nicht wild durchmixen. Also Eier nicht neben Spülmittel stellen. Und: gut lesbare Preis-Schilder.
Eine organische, gut sortierte Grundstruktur ist auch ein gesunder Kontrast zur eher unordentlichen Atmosphäre im LEH.
3. Das Auge kauft mit ein
„Wir bieten insgesamt eine sehr große Auswahl, gerade im Obst und Gemüse-Bereich und beim Käse. Das spricht sich rum“, sagt Christina Höppner. „Manche Kunden kommen nur deswegen zu uns, weil sie auf einer Geburtstags-Party einen Käse von uns probiert haben oder weil das Gemüse besonders frisch ist. Das holen wir jeden Morgen aus dem Kühlraum und richten es schön auf Roll-Containern an. Dreimal die Woche gibt’s frische Ware. Das ist zwar aufwendig, aber das positive Feedback motiviert uns.“
Damit nennt die Val-Verde-Mitinhaberin wichtige Punkte, die auch die Studie bestätigt. Frische und die passende Aufbereitung sind entscheidend. Heißt: Holzkörbe für Obst und Gemüse, Bilder von Weiden für Fleisch und Käse, Weinfässer vor schicken Weinregalen. Insgesamt eher Holz als Metall, eher wärmer anmutende Fußböden – auch mal moderne Elemente. „In unserem Eingangsbereich haben wir zum Beispiel auf „Industrial Chic“ gesetzt“, so Höppner. „Offene Rohre, helle Beleuchtung – das mögen die Kunden.“ So eine Grundästhetik sollte sich durch den gesamten Markt ziehen und grenzt sich dadurch auch vom eher sterilen Einzelhandel ab.
In Lingen, beim Bioladen „Kornblume“ setzt Vincent Brinker auf ein Gesamt-Einkaufserlebnis. „Das schaffen wir in dem wir den Betrieb als ,Event-Laden' verstehen. Wir schaffen aktuell noch mehr Verweilecken auf der Verkaufsfläche und bieten zum Wochenende eine temporäre Wein- und Tapasbar. Das Produkt riechen schmecken, fühlen – das ist hier der Ansatz.“
4. Die Produkte wertschätzend inszenieren
Neben viel Frische geht es auch darum: Wie werden die Produkte präsentiert und inszeniert? Obst und Gemüse lose anzubieten ist eine Möglichkeit. Zweite-Wahl-Angebote, also nicht mehr ganz so frische Äpfel oder Karotten, klar kennzeichnen, genau wie Milchprodukte kurz vorm MHD-Ende.
Elke Röder von Terra Naturkost hebt noch einen anderen Aspekt hervor. „Finden sich auch einzigartige Produkte im Sortiment, die nicht überall erhältlich sind? Sind diese Produkte zum Beispiel aus der Region, sind sie innovativ, punkten sie mit Zusatznutzen, die das Team gut erklären kann? Und: wie sind sie präsentiert?“
5. Persönlich, freundlich – gute Vibes
Offen, entspannt und wohlwollend – das sind die Schlüssel-Eigenschaften, die den Einkauf im inhabergeführten Fachgeschäft zu einem positiven Erlebnis machen. Ein ruhiges Einkaufen im Gegensatz zum stressigen, hektischen und unpersönlichen LEH. Dabei wird laut Christina Höppner Beratung immer wichtiger: „Die Kunden fragen verstärkt nach speziellen Eigenschaften von Produkten, Rezepten oder Zubereitungsformen. Es geht aber auch um Lebensmittelunverträglichkeiten oder spezielle Ernährungs-Formen. Das hat alles sehr stark zugenommen.“
Kleine Bonbons, wie an der Käsetheke probieren oder mal eine Schnupper-Größe von der neuen Tee-Sorte mitgeben, gehört ebenfalls zum Val Verde-Konzept. „Außerdem können wir auf Sonderwünsche eingehen und bestellen auch schon mal das Lieblingsshampoo extra“, sagt Christina Höppner.
Der Rheingold-Studie zufolge ist außerdem ein positives Miteinander innerhalb des Teams wichtig. Und: Informationen über die Herkunft von Produkten wie etwa von Fleisch. Aber: Diese Informationen und generell die Art und Weise sollte nicht zu belehrend und dogmatisch sein, um Kunden nicht zu verschrecken.
Ein wichtiges Kommunikations-Tool können dabei auch die gängigen Online-Kanäle sein. Also eine eigene, hübsche Homepage, ein Newsletter mit Neuigkeiten und Angeboten oder ein interessanter Instagram-Account mit Mehrwert.
6. Kiez ist König!
Ein weiterer „Soft Skill“ ist die Verwurzelung im Viertel oder in der kleinen Stadt, in der sich der Laden befindet und damit einhergehend auch eine soziale Ader. Für Vincent Brinker von der Kornblume in Lingen, die bereits mehrfach die Leserwahl „Beste Bio-Läden“ in der Kategorie Bio-Supermarkt gewonnen hat, ist das einer der zentralen Punkte im Gesamtkonzept: „Wir sind überzeugt davon, dass die Beziehungen und die Nähe sowohl zu den Lieferanten als auch zu den Erzeugern die wohl beste Qualität gewährleisten“.
Kiez-Projekte unterstützen, die Tafel beliefern oder wie jetzt in der Ukraine-Krise Geflüchtete, die privat untergekommen sind, mit dem Nötigsten zu versorgen (so geschehen in Bammental) – all das zeigt soziales Engagement und schafft Vertrauen. „Wir haben auch noch das sogenannte Klingelbrot. Kunden, die etwas mehr Geld haben, können einfach ein paar Euro oben drauf legen und so das Brot für andere günstiger machen. Außerdem kann man bei uns auch anschreiben“, erzählt Christina Höppner von Val Verde.
7. Service, Service, Service
Der letzte Erfolgsfaktor der Rheingold-Studie dreht sich darum, das Leben mit dem Einkauf zu erleichtern. Mit vorgepackten Obst-Schälchen, Pfand-Systemen für Käse und Wurst oder wiederverwendbaren Beuteln für Gemüse. Auch Abo-Kisten oder Kochboxen werden als Beispiel genannt. Die Kornblume beispielsweise hat einen eigenen Online-Shop mit Lieferdienst aufgebaut.
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