"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, so steht es in Artikel 14 unseres Grundgesetzes. Zwar sieht die Praxis oft anders aus. Doch es gibt Unternehmer, die diesen Anspruch leben. Rund 350 von ihnen trafen sich im Berliner Allianz Forum am Pariser Platz, darunter viele aus der Bio-Branche. Gemeinsam war den Teilnehmern ihr Interesse an den Themen Eigentum und Eigentümerstruktur von Unternehmen. Häufig, weil sie Lösungen für die Nachfolge suchen oder als Gründer von vorne herein bestimmte Strukturen schaffen wollen.
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
In seiner Begrüßung stellte Armin Steuernagel das Verantwortungs- oder Treuhand[-]eigentum vor: „Während Eigentum an Unternehmen häufig als Privatvermögen verstanden wird, als Instrument um Gewinne zu generieren, ist man als Treuhänder oder Verantwortungseigentümer nicht Halter des Vermögens, sondern nur der Verantwortung. Eigentum wird als Aufgabe verstanden“, so der Mitgründer der Purpose-Stiftung, die die Konferenz veranstaltete und bereits heute Unternehmen hilft, neue Eigentumsformen umzusetzen. Wichtig sind Steuernagel zufolge dabei vor allem folgende Prinzipien:
- Gewinn- und Stimmrechte des Unternehmens sind getrennt. Damit wird ermöglicht, dass die Stimmrechte nicht von ökonomischen Interessen geleitet sind, sondern im Sinne der Unternehmensidee ausgeübt werden.
- Im Gegensatz zu Gewinnrechten können Stimmrechte (das „Steuerrad“ des Unternehmens) nicht frei verkauft oder vererbt werden, sondern liegen treuhänderisch in den Händen der Unternehmer.
- Dabei gehören die Stimmrechte immer denen, die die Geschäfte leiten und verantworten oder sich besonders eng mit dem Unternehmen verbinden. Scheidet ein Treuhänder aus, übergibt er seine Kontrollrechte an einen nächsten. Dabei gilt:
- Unternehmertum und Eigentum sind möglichst eng verbunden: Verantwortungseigentum wird an Menschen weitergegeben, die tief mit dem Geschäft und dem Sinn des Unternehmens verbunden sind.
- Gewinne werden nicht abgeschöpft. Nachdem die Kapitalkosten an Investoren gezahlt wurden, werden sie ausschließlich reinvestiert oder gespendet.
Frage nach Sinn und Zweck
Was ist ein Unternehmen? Für welchen Sinn und Zweck existiert es und wem dient es? Antworten auf diese Fragen suchen Unternehmer nicht erst heutzutage. So setzt etwa Bosch bereits seit 1964 auf ein Doppelstiftungs-Modell, das Franz Fehrenbach, Aufsichtsratsvorsitzender und Treuhand-Eigentümer, in seinem Keynote-Vortrag vorstellte. Ganz im Sinne des Unternehmensgründers und Philanthrophen Robert Bosch soll durch die Trennung von Stimm- und Dividendenrechten verhindert werden, dass Gewinnmaximierung über den langfristigen Unternehmenserfolg gestellt wird.
Eigentum neu denken
Diese Maxime gilt auch für viele junge Unternehmen und Start-ups. Zum Beispiel für die alternative Suchmaschine Ecosia, die ihre Gewinne dafür verwendet, Bäume zu pflanzen: Seit der Gründung 2009 sind es bereits über 40 Millionen. „Wir verwenden 80 Prozent der Gewinne direkt für die Baumpflanzprojekte. 20 Prozent gehen in Rücklagen. Wenn sie nicht gebraucht werden, fließen sie weiter in die Baumpflanzprojekte“, erklärtCountry Manager DACH Génica Schäfgen.
„Wir haben Sonett nie als Eigentum angesehen und auch nie Gewinn entnommen.“
Um die Gründungsidee und die Unabhängigkeit von Ecosia langfristig zu schützen, machten Christian Kroll und Tim Schumacher daraus ein „Unternehmen in Verantwortungseigentum“: Während die beiden Eigentümer je 50 bzw. 49 Prozent der Stimmrechte halten, liegt das restliche Prozent der Stimmrechte bei der Purpose-Stiftung, die auch über das Recht verfügt, etwa gegen einen Unternehmensverkauf Veto einzulegen. Gewinnrechte hält niemand. „So können wir garantieren, dass der Gewinn auch langfristig für den Kampf gegen Abholzung und den Einsatz für die Aufforstung genutzt wird“, erklärt Ecosia-Gründer Kroll.
Unternehmen als Organismus
Die Sorge um die Umwelt war auch der Grund, weshalb Renate Oberdorfer und Gerhard Heid vor rund 40 Jahren eine kleine Firma für ökologische Wasch- und Reinigungsmittel übernahmen und daraus ein florierendes Unternehmen mit im Schnitt 10 bis 15 Prozent Wachstum pro Jahr machten. Von der Rechtsform her ruht es auf zwei Säulen: einer Betriebs GmbH und einer Vermögensverwaltung GmbH. Beide GmbHs gehören einer Stiftung. „Wir haben Sonett nie als Eigentum angesehen und auch nie Gewinn entnommen“, so Gerhard Heid. Für die beiden Geschäftsführer ist das Unternehmen ein Organismus, der auch unabhängig von ihnen weiter existieren soll. „Deshalb werden die Aufgaben auch einmal diejenigen weiterführen, die es am besten können – unabhängig von Geld und Familienzugehörigkeit“, erklärte Renate Oberdorfer.
Die Wichtigkeit einer „fähigkeitsorientierten Unternehmensnachfolge und kompetenzorientierten Geschäftsführung“ betonte auch Götz Rehn. Als weitere Vorteile des Doppelstiftungs-Modells nannte der Alnatura-Gründer und Geschäftsführer: dauerhafte Unabhängigkeit, finanzielle Stabilität, unternehmerische Freiheit, den Schutz vor Übernahme und das Sicherstellen der Unternehmensideale (Sinnorientierung). Den Mitarbeitenden könnten so verlässliche Arbeitsplätze und eine langfristige Entwicklungsperspektive geboten werden.
Eigentum neu denken, Recht weiterentwickeln
Einen Blick auf die gesellschaftliche Perspektive der Eigentumsfrage lenkte am zweiten Konferenztag Gerald Häfner, Gründungsvorsitzender von Democracy International. Auch er ist überzeugt davon, dass Unternehmen keine Waren oder Sachen sind, sondern Organismen. Deshalb plädierte er dafür, den Eigentumsbegriff neu zu denken und das Recht weiter zu entwickeln.
Einen Schritt in diese Richtung ist eine eigens gegründete „Arbeitsgemeinschaft Unternehmen in Verantwortungseigentum“ bereits gegangen. So stellten Armin Steuernagel und Rechtsanwalt Benjamin Böhm am Ende des zweiten Kongresstages einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer neuen Rechtsform vor. „Mit ihr soll es einfacher werden, Verantwortungs[-]eigentum umzusetzen. Im Gegensatz zu den heutigen Stiftungslösungen, die eher eine Krücke sind, weil Stiftungen nicht für Verantwor[-]tungs[-]eigentum geschaffen wurden, kann mit ihr unbürokratisch und ohne Rechtsunsicherheit ein neues Eigentumsverständnis umgesetzt werden“, so der Purpose-Gründer.
Erste Reaktionen der auf der Konferenz anwesenden Politiker waren sehr positiv.
Kommentare
Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.