Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Ladenporträt

Ein Bio-Hofladen im Supermarktformat

Das oberschwäbische Ummendorf hat viereinhalbtausend Einwohner. Im dortigen Bio-Hofladen Steigmiller gehen täglich zwischen 300 und 600 Kunden ein und aus. Wie ist das möglich? Wir waren da und haben nachgefragt. 

Als Monika und Gerhard Steigmiller anfingen, sich mit dem Thema Nachfolge zu beschäftigen, standen sie vor einem Problem. Zwar lief ihr hof in Ummendorf, einer Gemeinde im Landkreis Biberach in Baden-Württemberg, gut und der dazu gehörende Hofladen immer besser. Doch gleich zwei der vier Söhne wollten Landwirtschaft und Laden übernehmen. 

Eigentlich fantastisch – aber für zwei Familien hätten die Erträge nicht gereicht. Die Steigmillers entwarfen diverse Konzepte. „Zwei Jahre sind wir im Kreis gerannt“, berichtet der älteste Sohn, Fabian Steigmiller. Dann fanden sie die Lösung: Sohn Max übernahm den Hof und siedelte aus auf die grüne Wiese; Fabian übernahm den Hofladen und machte daraus ein Bistro. Den angrenzenden Rinderstall sanierte und erweiterte er und schuf Raum für einen Bio-Hofladen im Supermarktformat. 

Der Unternehmensberater riet ab

Eine Erweiterung von 150 auf insgesamt 600 Quadratmeter, mitten auf dem Dorf – der Unternehmensberater riet ab, das Wagnis sei zu groß. Der Vater riet dazu, und Fabian baute noch größer als geplant. „Im ersten Jahr stieg der Umsatz um 101,6 Prozent“, erinnert sich der Nachfolger, „innerhalb von drei Jahren hat sich der Umsatz verdreifacht“.

Über den Platz vor dem großen Ziegelbau rattert ein Mädchen mit dem Kettcar, mehrere Mini-Traktoren warten auf weitere Kinder. Ein grüner Markt-Sonnenschirm schützt die Kräuter auf dem Angebotstisch und drei ins Gespräch vertiefte Frauen. Weiter rechts, vor dem Eingang zum Bistro, stehen noch mehr Sonnenschirme, Holztische, Stühle, Gäste, und ein mattschwarz lackierter Foodtruck. Es duftet nach frisch gebackener Pizza.

Der Truck parkt dort jeden Freitag und Samstag und ist Teil von Fabian Steigmillers 12-Punkte-Plan. Den hat der 36-Jährige während seines Studiums der alternativen Betriebswirtschaft an der Alanus-Hochschule bei Bonn ausgetüftelt und zur Masterarbeit ausgebaut. Das Konzept heißt „Erlebniseinkauf auf dem Demeterhof“. Dazu gehören der Truck, das Bistro und Events.

Pizzatruck als Werbung

Die Bio-Pizza-Foodtrucks – inzwischen gibt es auch einen ausgebauten Anhänger – ziehen auf Märkte, Festivals, Hoffeste und wer mag, kann sie für seinen Geburtstag buchen. „Damit überwinden wir die Schwellenangst der Neukunden und werben für den Laden“, erläutert Fabian Steigmiller. Ein großes Banner am Zaun vor dem Hofladen macht auf die Foodtrucks aufmerksam, doch eigentlich sei das nicht nötig. „Die laufen von allein.“ Man habe in diesem Jahr so viele Aufträge angenommen wie ablehnen müssen. 

Pizzateig und Belag vorzubereiten gehört zum Alltagsgeschäft der ladeneigenen Küche, die zunächst das Bistro versorgt. Mittags wählen die Gäste zwischen je einem frisch zubereiteten Gericht mit und ohne Fleisch. Dass das Frühstücksangebot überaus gut ankommt, überraschte die Planer: Sie mussten bald eine Kraft mehr einstellen.

„Gastro bringt Kunden in den Laden, macht aber auch viel Stress.“

Fabian Steigmiller, verantwortlich für Hofladen und Bistro

„Gastro bringt Kunden in den Laden, macht aber auch viel Stress“, ist Fabian Steigmillers Erfahrung. Ohne sie gehe es aber auch deswegen nicht, weil Obst und Gemüse, das sich im Laden nicht mehr verkaufen lasse, aber noch gut sei, im Bistro zu Obstsalat, Smoothies und anderen Gerichten verarbeitet werde. „Wir wollen alles verwerten“, betont Steigmiller. Das funktioniere so gut, dass für die Hühner und Schweine im Aussiedlerhof nicht mehr viel übrig bleibe. 

Viermal im Jahr wird der Obst-und-Gemüse-Bereich im Laden leergeräumt, um Platz für eine Band zu schaffen. „Zu den Bistro-Partys mit Bar und Lagerfeuer kommen um die 500 Leute, bunt gemischt. Da wird auch getanzt“, berichtet der Initiator. Ruhiger geht’s bei den Genussabenden zu: mit Winzer und Fine-Dining-Koch. „Die sind immer ausgebucht.“ 

Nebeneffekt: Im Dorf ist ein belebter Treffpunkt entstanden

Es kann auch Naturkosmetik sein, um die sich bei einer Abendveranstaltung alles dreht, oder um Themen wie Fasten, Demeter oder Naturschutz. Bruder Max führt interessierte Gruppen über seinen Hof. Für Hochzeiten und andere Feste kann man das Bistro mieten – allerdings nur inklusive Full Service. „Sonst macht das keinen Sinn für uns“, sagt der Geschäftsmann. 

Gastronomie und Erlebnisse bringen ein neues, größeres Klientel nach Ummendorf. „Mit Fachhandelspublikum allein hätten wir das nicht geschafft“, da ist sich Fabian Steigmiller sicher. Die Kundschaft kommt aus 25 Kilometern Umkreis, manche nehmen noch weitere Wege auf sich. Die Kaufkraft der Region ist nicht zu unterschätzen: Top-Arbeitgeber wie das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim oder Liebherr, Hersteller von Baumaschinen und Kränen, ziehen zahlungskräftiges Publikum an. 

Ein Nebeneffekt: Im Dorf ist ein belebter Treffpunkt entstanden. Zur Eröffnung des Supermarkts 2019 sprachen der Bürgermeister und der Landrat. Denn die Familie ist gut vernetzt: Mutter Monika und Bruder Max räumten jüngst bei den Gemeinderats- und Kreistagswahlen mächtig Stimmen ab; Fabian Steigmiller engagiert sich im Handels- und Gewerbeverein. 

Gut vernetzt in der Region

Kontakte zu regionalen Zulieferern mussten nicht aufgebaut werden, sie waren schlicht schon da. Bauer Heini vom Hochstetterhof liefert nicht nur frischen grünen Salat an, sondern bestellt bei Steigmillers auch den PizzaFoodtruck für sein Hoffest. 

Eine Biberacher Stammkundin, Designerin Katja Fouad Vollmer, bringt zum Einkauf ihre Kamera mit. Sie hat die Website entwickelt und vergrößert regelmäßig den Fundus an werbeträchtigen Fotos von Hof und Hofladen. 

Gemeinsam mit ihr hat Fabian Steigmiller die Innenausstattung des neuen HofladenSupermarkts geplant: ein Mix aus rustikal und modern. Alte Balken, die nach dem Rückbau der Scheune nicht mehr nötig waren, zersägten die Sanierer zu Brettern, die in den Regalen wiederverwendet wurden. Aus geretteten Ziegeln baute ein Onkel, der Schreiner und Innenarchitekt ist, ein Weinregal. 

Derselbe Onkel hat den Ausbau des Pizza-Foodtrucks geplant und realisiert und eine Abfüllstation für Flüssig-Reinigungsmittel konstruiert: mit GetränkeZapfhähnen und eingebauten Auffangschalen.

Ein Laden ohne Lager

Gleich vorne in der Obst- und-Gemüse-Abteilung präsentiert sich ein Teil des familiären Sortiments: Neben der Kartoffelschütte kann die Kundschaft Max Steigmillers Getreide in Tüten schaufeln und mahlen. 900 Hühner leben in den Mobilställen des Landwirts ein paar Kilometer weiter. Eier, die im Format zu klein oder zu groß geraten sind, packt er in Ein-Kilo-Kartons zusammen. Die verkaufen sich richtig gut, berichtet sein Bruder. 

Was die Kundschaft von weither nach Ummendorf bringt, ist die große Theke mit Demeter-Fleisch: 100 Prozent des verkauften und in Bistro und Truck verarbeiteten Fleischs stammt von den 200 Rindern, 60 Schweinen und den Hühnern des Aussiedlerhofs. 

Eine Besonderheit des Bio-Supermarkt-Hofladens ist, dass es praktisch kein Lager gibt. Trockenware kommt einmal pro Woche und wird sofort in die Regale einsortiert. Da stehen dann schon mal sieben Exemplare desselben Haferdrinks vorne in einer Reihe. Das ist effizient und spart Arbeitszeit. 

Apropos Arbeitszeit: „Früher waren für mich bis zu 70 Stunden pro Woche normal, heute schaffe ich das mit 45 Stunden“, berichtet der Ladner. Wie das funktioniert – mit Laden, Gastronomie, Foodtruck, Events? Fabian Steigmiller sagt, er habe gelernt, Verantwortung abzugeben: „Wer mitgestaltet, ist zufriedener“, davon ist er überzeugt. Er sieht sich weniger als klassischen Ladner, eher als Projektmanager. „Ich stoße Projekte an und muss sehen, dass alles läuft.“ 

Mitarbeiterin Astrid Delfino organisiert die Arbeitseinsätze der 40-köpfigen Belegschaft. Steigmillers Lebenspartnerin Leni Blaich richtet die Events aus und kümmert sich um die Social-Media-Auftritte. Auch Mutter Monika arbeitet nach wie vor mit. Der jüngste Bruder Moritz, Koch und Ernährungswissenschaftler, entschied sich nach dem Tod des Vaters vor zwei Jahren dazu, ebenfalls einzusteigen – zunächst in die Landwirtschaft, inzwischen auch in die Bistroküche. 

Zahlen – Daten – Fakten

Geschäftsführer: Fabian Steigmiller

Adresse: Biberacher Straße 32, 88444 Ummendorf

Öffnungszeiten: Mo – Fr: 8.30 – 18.30 Uhr; Sa: 8.30 – 15 Uhr

Eröffnung: 1995

Ladenfläche: 500 m2 + Bistro 100 m2 + Biergarten (Frühstücksgarten)

Produktzahl: 8.000

Großhändler: Weiling, Alnatura, Bodan, Rapunzel, Ökoring

Website: www.steigmiller.bio/bio-hofladen

Pizza-Foodtruck hat Rückgang nach Corona abgefedert

Umsatzeinbrüche seit dem Ukrainekrieg machen sich laut Fabian Steigmiller vor allem bei der Nachfrage an Fleisch bemerkbar. Um dies zu kompensieren, sei die Idee der Bistro-Partys entstanden. Und: „Der Pizza-Foodtruck hat nach Corona abgefedert.“ 

Hauptbestandteil des Unternehmens sind diese Projekte aber nicht, sagt Fabian Steigmiller. „Geld verdiene ich im Laden. Gastro und Events sind die perfekte Ergänzung.“ Momentan laufen übrigens Planungen für eine besondere Festivität: 2025 feiert der Steigmiller’s Bio-Hofladen sein 30-jähriges Bestehen.

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