Der Mensch gewöhnt sich an alles: Wenn bei Bio-Landwirt Axel Heinze und seiner Familie die Butter ausgeht, fängt die Diskussion an: Wer geht Nachschub holen? Das war schon so, als sich eine oder ein Heinze dafür noch ins Auto setzen musste, um zur nächsten Tankstelle zu fahren. Und es ist auch heute nicht anders, obwohl die Heinzes für frische Butter nur noch den gepflasterten Innenhof zwischen ihrem Wohnhaus in Oschatz-Thalheim und dem Nebengebäude überqueren müssen. Dort betreibt Axel Heinze seit 2015 einen Hofladen, der in diesem Jahr von den Leserinnen und Lesern des Kundenmagazins Schrot&Korn zum Besten seiner Art gewählt worden ist.
Oschatz-Thalheim liegt ziemlich genau auf halbem Weg von Dresden nach Leipzig inmitten von Äckern. In der Ferne drehen sich gemächlich die Rotorblätter von Windkrafträdern. Den Hof um seinen Laden übernahm Axel Heinze gemeinsam mit seiner Frau vor 21 Jahren von den Schwiegereltern und baute diesen zu einem traditionellen Dreiseitenhof um. Das Gebäude, in dem Heinze und seine drei Mitarbeiterinnen heute Bio-Lebensmittel verkaufen, stand viele Jahre leer, der Gedanke an einen Hofladen aber war immer da, „mal so, mal so, je nach Stimmung“, sagt Axel Heinze.
Gegen alle Ratschläge
Dass es seinen Naturkosthandel letztlich seit sieben Jahren gibt, liegt auch an Heinzes hartnäckigem Pioniergeist. Als er seine Idee mit dem Hofladen vor mehreren Beratern ausbreitete, winkten die meisten nur ab. „Für Bio im ostdeutschen Niemandsland sahen die keine Chance“, sagt Heinze. Doch die Familie entschied: „Wenn alle sagen, es geht nicht, genau dann muss man es machen“. Sie legten sich ins Zeug und bauten „mit viel Liebe, Herzblut und Detailverliebtheit“, wie Heinze mit Nachdruck erzählt. Am Ende standen sie in einem warm und gleichzeitig kreativ eingerichteten Hofladen.
Eigenes Bio-Fleisch
Die Innenausstattung ist das Ergebnis von Axel Heinzes zahlreichen Reisen: Die Holzdecke hat er sich in einem Bergdorf in Südfrankreich abgeschaut und in Oschatz nachgebaut, das Hoftor steht so auch irgendwo in England. Passend für einen Hofladen hat Heinze außerdem Einzelteile einer Dreschmaschine aufbereitet und als „Schmuckstücke“ in den Laden integriert. Selbst die Holzregale mit den nach hinten geschwungenen Seitenteilen sind Maßanfertigungen.
In dem knapp 100 Quadratmeter großen Laden fällt nicht nur
die Einrichtung auf. Neue Kunden höre er oft sagen, wie gut es hier rieche –
„nach Brot, Geräuchertem oder nach Gewürzen“, sagt Heinze. „Die entdecken bei
uns ihre Sinne wieder.“ Und sie finden hier neben den für einen Bioladen
typischen Produkten auch Lebensmittel, die es nur im Herbst-Hof gibt:
Sechs Mal pro Jahr bringt Axel Heinze eines seiner Hereford-Rinder persönlich
zum Schlachter und legt mit Hand an, wenn das Tier zerlegt wird. Per Newsletter
informiert er seine Kunden, die dann bestellen. „Wenn jemand 24 Rouladen will,
bekommt er 24 Rouladen“, sagt Axel Heinze.
Das Getreide, dass auf seinen Feldern wächst, lässt er zu Mehl und Backwaren verarbeiten, die er ebenfalls im Laden anbietet. Regionale Hersteller liefern außerdem Ziegenkäse, Obst und Gemüse, Nusscreme oder Bier. Aus seinem Raps, den Sonnenblumen und dem Leindotter presst Bio Planète im 25 Kilometer entfernten Lommatzsch Speiseöle. Der Rest kommt von Großhändler Naturkost Erfurt.
Auch beim Service setzt der Herbst-Hof auf Ausgefallenes: Käse bestellen die Kunden nicht in Gramm, sondern in Minuten: „Wenn jemand drei Minuten Käse bestellt, weiß ich ungefähr, wie viel ich abschneiden muss“, erklärt Heinze. „Man muss ein wenig herumspielen, sich Ideen einfallen lassen.“ Der Ladner und sein Team wollen die Kunden nicht nur unterhalten, sondern mit 1A-Lebensmitteln versorgen. Wo das mal nicht klappt, werde reklamierte Ware anstandslos ersetzt, sagt Heinze. „Wenn man die Königsklasse der Lebensmittel verkauft, dann muss man kompromissbereit sein.“
„Wenn man die Königsklasse der Lebensmittel verkauft, dann muss man kompromissbereit sein.“
Bio-Pionier und -Erklärer
Heinze hat zu DDR-Zeiten das konventionelle Landwirtschaften gelernt, sich aber immer schon für alternative Landbaumethoden interessiert. Auf seinen vielen Reisen als Projektbegleiter für das Sächsische Landwirtschaftsministerium hat er sich verschiedene Landbaukonzepte angeschaut. Als er vor 21 Jahren auf dem Herbst-Hof mit ökologischem Landbau begann, tat er das inmitten konventioneller Betriebe, die um ein zigfaches größer sind. Zu Beginn wurde er dort belächelt und verspottet, erinnert sich Heinze. Inzwischen bekomme er manchmal Anrufe von konventionellen Kollegen, die wissen wollen, wie er das mit der Bio-Landwirtschaft hinbekomme.
Wie Bio funktioniert, muss Heinze hin und wieder auch aus reinem Eigeninteresse erklären. Quasi über Nacht beendete ein Bio-Bäcker, der aus Heinzes Getreide Backwaren macht, die Zusammenarbeit. Man wolle sich verstärkt auf die Nachfrage in und um Leipzig konzentrieren, hieß es dort. Heinze steckte den Kopf nicht in den Sand, sondern seine Fühler aus: Er fand einen Bäcker in der Nähe, der bereit war, auf Bio umzustellen und brachte der Belegschaft persönlich das dafür nötige Wissen bei. So entstand vor kurzem der erste Bio-Bäcker im Umkreis von 35 Kilometern rund um Oschatz. Das Getreide von Axel Heinze wird seitdem dort verbacken.
Der Mensch gewöhnt sich an alles? Axel Heinze ist kein Missionar, aber er tut als engagierter Bio-Landwirt und Bio-Ladner das Seinige dafür, dass in seiner Region Bio zum Gewöhnlichen wird. „Wir müssen zu unseren Kunden freundlich sein, herzlich sein, zuhören können und mit guten Argumenten falsche Befürchtungen und Vorbehalte richtigstellen.“
Zahlen – Daten – Fakten
Inhaber: Axel Heinze
Adresse: Kreischaer Str. 6, 04758 Oschatz
Öffnungszeiten: Do & Fr: 14 - 19 Uhr, Sa: 8 - 12 Uhr
Eröffnung: 2015
Produkte: 2.200
Verkaufsfläche: 98 qm
Anzahl Mitarbeiterinnen: 3 (Minijobs)
Großhändler: Naturkost Erfurt
Webseite: www.herbst-hof.de/hofladen
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