Praktisch, dieser Friesenwall. Die flache bepflanzte Natursteinmauer begrenzt nicht nur dekorativ die Ladenterrasse, sondern schützt auch vor dem Wind. Der weht heute, an einem Freitag im Mai, im kleinen Silberstedt in Schleswig-Holstein ganz ordentlich.
Bei Rhabarberkuchen und Cappuccino plaudere ich mit Marktleiterin Petra Wiehle und Bianca Spenner, Teamleitung Marketing, über Dat Bio Huus. So nennt sich der Zwergenwiese-Bioladen, der im November 2023 gleich neben dem Werk des Bioherstellers Eröffnung feierte.
Gekühltes kommt hier aus dem „Köhlschapp“
Zwischen zwei großen Schaufenstern auf der rechten Seite und einem fast ebenso großen Foto-Banner links, lädt eine Schiebetür in den roten Backsteinbau ein. Im Eingangsbereich liegt die Obst- und Gemüseabteilung. Äpfel, Melonen, Rhabarber, Radieschen, Spargel und andere, überwiegend saisonale Produkte, liegen unverpackt in grünen Eurokisten. Zur Selbstbedienung liegen Papierbeutel bereit; Kunststofftüten gibt es nicht.
Der Obst- und Gemüsebereich ist flach gehalten, was einen Blick in den ganzen Laden möglich macht. Zur schnellen Orientierung informieren Hinweisschilder, wo es zu welcher Warengruppe geht. Mehrere Reihen mit Regalen sind mit Trockenprodukten aller Art befüllt, von Mehl und Müsli bis zu Feinkost, Speiseölen und jeder Menge Brotaufstrichen. Durch den großzügigen Abstand der Regale passen hier locker zwei Einkaufs- oder Kinderwagen nebeneinander.
Den Abschluss an der hinteren Wand bildet ein Regalbereich für Getränke – inklusive Weine und sogar Spirituosen. Außerdem befindet sich hier eine Kühlzone für Molkereiprodukte und Vegetarisches. „Köhlschapp“ – sprich: Kühlschrank – verkündet der Schriftzug über den Glastüren und greift, wie schon der Ladenname, den einheimischen Dialekt auf.
Ein Blickfang erwartet die Kunden auch auf der linken Seite: Dort gibt es neben der Bedientheke für frische Backwaren samt Kaffeeautomat auch Käse und Fleisch. Direkt daneben, Richtung Eingang, ist die Kasse. Ideal platziert also, um spontan noch ein Stückchen Kuchen oder ein belegtes Brötchen oben auf die Einkaufstasche zu legen.
Zahlen, Daten, Fakten
Firmenstandort: Silberstedt
Markt-Eröffnung: November 2023
Fläche: 190 Quadratmeter
Sortiment: 3.000 Produkte (Naturkost-Vollsortiment)
Mitarbeiter: 6 Ganztags-, 2 Halbtagskräfte (Zwergenwiese: 150)
Geschäftsführung: Jochen Walz, Josef Wilhelm
Service: Lieferdienst (im Umkreis ab 25 Euro Bestellwert gratis, 2x/Woche)
Ein Flagshipstore mit Vollsortiment
Wie groß denn das Sortiment sei, und wie groß der Laden, frage ich. Rund 3.000 Artikel biete man auf der Ladenfläche von knapp 200 Quadratmetern an, sagt Marktleiterin Petra Wiehle. Ein Vollsortiment, wobei der Schwerpunkt des Flagshipstore auf den eigenen Produkten und solchen von Rapunzel liegt – seit 2017 gehört Zwergenwiese zur Rapunzel-Gruppe.
Ich bin beeindruckt. Aber lohnt sich das in dieser Gegend? Schließlich hat das Örtchen Silberstedt gerade mal 2.500 Einwohner. Tatsächlich ist die Bioladen-Dichte in Norddeutschland mager. „Der nächste Bioladen war im 15 Kilometer entfernten Schleswig, der musste im letzten Jahr aber schließen“, erzählt Bianca Spenner. Jetzt gebe es im Umkreis noch den Hofladen von Bunte Wischen.
Insofern erstaunt es nicht, dass das Einzugsgebiet vom Bio Huus zirka 30 Kilometer umfasst. Ihr Ziel sei es, den Menschen auch in dieser ländlichen Region ein hochwertiges Biosortiment anzubieten und sie für Bio zu öffnen. Mit einem Geschäft, in dem alles Bio ist und nicht – wie beim Nahversorger – als Auswahl neben konventionellen Produkten angeboten wird.
Petra Wiehle, die seit August letzten Jahres bei Zwergenwiese arbeitet, bestätigt, dass das Dat Bio Huus schon jetzt gut angenommen wird. Dazu beitragen dürfte, dass der Name Zwergenwiese positiv besetzt sei. „Zu unseren Kunden gehören viele Kunden aus dem früheren, jetzt eingestellten Werksverkauf. Oft wird direkt gefragt, ob das hier jetzt der Werksverkauf ist“, ergänzt sie.
Standort ist auch als Urlaubsregion beliebt
Diese Frage könnte in den kommenden warmen Monaten noch häufiger gestellt werden: Einerseits liegt der Bioladen günstig an der Durchgangsstraße Schleswig-Husum und ist sowohl für den Berufsverkehr als auch für durchreisende Urlauber gut sichtbar. Andererseits wird die Gegend selbst als Urlaubsregion geschätzt, wovon unter anderem ein Campingplatz vor Ort zeugt.
Petra Wiehle gehört zu den acht festangestellten Mitarbeitern im Laden, wovon zwei halbtags arbeiten. Sie kann noch mehr zur typischen Kundschaft sagen: „Natürlich kaufen auch die Mitarbeiter von Zwergenwiese oft bei uns ein oder holen sich etwas für die Pause. Ansonsten gehören zu unseren Kunden viele, die so zwischen 50 und 70 Jahre alt sein dürften, und auch junge Familien.“ Mittlerweile hätte ihr Team sogar ein typisches „Männergedeck“ ausgemacht: Brot und Zwiebelschmelz, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Wie der Ladenrundgang zeigt, liegt bei den firmenfremden Produkten
der Schwerpunkt auf Pioniermarken des Fachhandels. Dabei gilt, dass es
je Warengruppe meist nur eine oder zwei Marken gibt – stattdessen lieber
mehr Auswahl an unterschiedlichen Sorten. Zugleich setzt Zwergenwiese
auf Regionalität. Bei der eigenen Produktion verarbeite Zwergenwiese
ebenfalls gern regionale oder sonst deutsche Rohstoffe und habe die
Kontakte zu den Anbauern, betont Bianca Spenner.
Im Bio Huus kommen zum Beispiel Milch und Molkereiprodukte vorwiegend von der Hamfelder Molkerei, Käse zum großen Teil vom Bioland-Betrieb Backensholzer Hof. Die Eier haben mit Hof Wittensee ebenfalls nur einen kurzen Weg, genauso wie das Brot und die süßen Backwaren von der Bioland-Bäckerei Joldelunder.
Selbst bei den haltbaren Produkten greift Zwergenwiese gern auf solche aus der Region zurück, etwa bei Sauerkraut und Kimchis vom Kohlosseum aus Dithmarschen, Bier von Urstrom oder Spirituosen von der Dolleruper Destille. „Beim Sortiment schauen wir aber auch noch viel, was geht gut und was nicht“, sagt Petra Wiehle. Wenn Kunden im Trockensortiment bestimmte Sorten fehlten, würde das oft bei der nächsten Bestellung berücksichtigt. Ähnlich bei den frischen Fleischprodukten – das habe man im Mai erst mal ausprobiert. Jetzt, passend zur Grillsaison, gehört es fest zum Angebot.
Weiling unterstützte bei der Planung
Abgesehen vom regionalen Angebot, das das Team in der Regel direkt bezieht, wird Dat Bio Huus vom Biogroßhändler Weiling beliefert. Auch bei der Planung und der Konzeption des Bioladens hat Zwergenwiese den angebotenen Service für die Neugründung eines Ladens oder eines Lieferdienstes von Weiling genutzt. Das umfasst eine professionelle Markt- und Standortanalyse, Untersuchung der Zukunftsfähigkeit, die Erstellung eines Unternehmenskonzeptes und andere wichtige Grundlagen.
Gemeinsam werden Ziele und Strategien dann definiert, unter anderem mit Blick auf Marktchancen und -risiken, Personal und Marketing. Auf Wunsch kann man außerdem die Logistik, Realisierung und die Warengruppenbelegung mit einbeziehen.
Energieversorgung wird nachhaltig gedacht
Sehr profitiert hätten sie auch von den unterschiedlichen Fortbildungen für das Personal, sagt Petra Wiehle. Nicht nur, dass der Verkauf in einem Bioladen etwas ganz anderes als etwa produktions- oder vertriebstechnische Aufgaben umfasse. Es seien ja auch Mitarbeiter, so wie sie selbst, von außen neu eingestiegen.
Umgesetzt und geschmackvoll gestaltet wurde dann alles von Zwergenwiese selber – von der lindgrünen Wandfarbe auf biologischer Tonbasis und dem hellbraunen Fliesenboden bis zum Logo. Petra Wiehle verweist ergänzend auf die automatische Lichtdämmung: Wenn draußen die Sonne scheint, reduziert sich die Leistung der Deckenlampen. Generell wird bei der Energieversorgung nachhaltig gedacht: Der Strom stammt aus Windkraft des Bürgerparks Silberstedt und aus der Biogasanlage vom Backensholzer Hof.
Ein weiteres Ziel ist es, mit dem Bio Huus einen Ort für Begegnungen zu schaffen. Sind es vor der Ladentür bei gutem Wetter die Tische und Stühle, eignet sich dafür innen links neben dem Eingang das sogenannte „Klön Snack“. Als Mini-Bistro soll die Sitzecke nicht nur dazu einladen, sich bei einer Kleinigkeit zu stärken. Vielmehr sollen Menschen ins Gespräch miteinander oder mit dem Verkaufspersonal kommen können.
Ein gemütlicher Ort zum „Runterkommen“
Tatsächlich bekommt das Team öfter gutes Kundenfeedback, etwa: „Gemütlich hier!“, oder: „Man kann richtig runterkommen“. Das erzählt Verkäuferin Maren Flüh, die bis zum letzten Herbst 18 Jahre lang bei Zwergenwiese gearbeitet hat – unter anderem im Vertrieb. Mit dem Verkauf im Bio Huus hat sie eine neue Aufgabe gefunden.
Aufmerksam und kompetent bedient sie mittlerweile die Kundschaft, zum Beispiel bei der Entscheidung, welcher Brotaufstrich denn bei jungen Leuten gut ankommen könnte. Oder wenn Kunden eine Frage zu den regelmäßig angebotenen stillen Verkostungen haben sollten.
Apropos verkosten: Für Abwechslung mit Erlebnischarakter sorgen gelegentliche Events. Beispielsweise ein kleiner Weihnachtsmarkt im Dezember, wo vor dem Bioladen ein paar geschmückte Buden zum Verweilen einluden. Oder als besonderes Special der Genießerabend im Mai: Rund 70 Gäste konnten sich anmelden und dann im großen Partyzelt Bio-Antipasti, Weine und Käse von Rapunzel verkosten. Professionell unterstützt wurde das Ladenteam dabei von Weiling-Mitarbeitern. Und der Laden selbst war bei dieser Gelegenheit selbstverständlich auch geöffnet.
Drei Fragen an Jochen Walz
Herr Walz, was waren die größten Hindernisse bei der Realisierung vom Bio Huus?
Die eigene Courage. Einen Biomarkt in einem kleinen Ortzu bauen, ist mutig. Doch der Wunsch nach einem eigenen Markt, in dem man andere von Bio überzeugen kann, war ein ausschlaggebender Funke.
Für das Geschäft mussten Sie viel Geld in die Hand nehmen. Hat es sich amortisiert?
Der Hintergedanke des Marktes ist nicht die Realisierung eines straffen „Return of Invest“, also die Rentabilität der Investition (Anm. d. Red.), sondern die Positionierung der Zwergenwiese. Wir wollten eine Plattform haben, um Dinge auszuprobieren, die Kunden im Fachhandel zu begeistern.
Wo wollen Sie im November, ein Jahr nach der Eröffnung, stehen?
Da wo wir jetzt schon stehen! Mit motivierten Mitarbeitenden unseren Teil zu einer gesunden Welt beizutragen und Bio einer breiten Käuferschicht anzubieten.
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