Herr Wätjen, die Preise steigen – auch bei Bio-Produkten, die in der Regel ohnehin teurer sind als konventionelle Produkte. Erwarten sie, dass sich viele Bio-Kunden davon abschrecken lassen?
Viele Kunden leiden unter steigenden Verbraucherpreisen, das Konsumklima trübt sich. Allerdings sind es vor allem die Medien, die die Menschen für die Preisunterschiede sensibilisieren. Die Kunden selbst kennen sich deutlich weniger mit Preisen aus, als wir häufig vermuten. Insbesondere im Bio-Fachhandel ist das absolute Preisniveau nicht in erster Linie ausschlaggebend für eine Kaufentscheidung. Viele Bio-Kunden sind Gewohnheitskäufer, die mit der Auswahlentscheidung keine Zeit verlieren möchten, oder haben hohe Qualitätsansprüche, für die sie bereit sind, zu zahlen. Bei den meisten Fachhandels-Kunden ist und bleibt jedoch vor allem die Überzeugung, dass sie selbst sowie Landwirte und Hersteller fair behandelt werden, ein zentrales Kaufkriterium.
Der Bio-Fachhandel hat seit jeher einen hohen Beratungsanspruch. Ist das nun noch zeitgemäß?
Womöglich ist es jetzt sogar noch wichtiger, die Stärken des Bio-Fachhandels wie Service, Regionalität und Fairness hervorzuheben. Der Fachhandel hat die Möglichkeit, auf die Anliegen und Sorgen der Kunden einzugehen und ihnen zum Beispiel Alternativprodukte zu empfehlen, wenn sie sich bestimmte Artikel nicht mehr leisten können. Auch mit Informationsveranstaltungen in den Märkten, etwa rund um das Thema Lebensmittelverschwendung, kann der Fachhandel seinen Konsumenten jetzt direkt helfen und zugleich seinem Beratungs- und Nachhaltigkeitsanspruch treu bleiben.
Manuel Wätjen
ist Mitglied der Geschäftsleitung der Vocatus AG in München und Experte für Preis-, Produkt- und Portfoliostrategien.
Wie sollten Fachhändler auf verunsicherte Kunden reagieren?
Ich rate nicht dazu, das Preisthema jetzt noch stärker in den Vordergrund zu rücken und damit womöglich schlafende Hunde zu wecken. Allerdings ist es sinnvoll, Mitarbeitern, die direkten Kundenkontakt haben, Argumentationshilfen an die Hand zu geben, damit sie angemessen reagieren können, wenn sie im Laden auf die steigenden Preise angesprochen werden. Zumindest bei einigen Referenzprodukten sollten sie darüber informieren können, um wieviel Prozent die Preise für Rohstoffe und Verpackungen gestiegen sind und wie sehr die höheren Transport- und Energiekosten ins Gewicht fallen. Das sorgt für Vertrauen, Verständnis und Glaubwürdigkeit.
Gilt es nun vor allem, Bestandskunden zu halten, statt Neukunden zu gewinnen?
Viele Bio-Kunden haben hohe Ansprüche, für die sie auch zu zahlen
bereit sind. Es spricht nichts dagegen, sich auch weiterhin zu bemühen,
Neukunden zu gewinnen – zum Beispiel indem man von außen gut sichtbar
vor allem solche Produkte platziert, die Neugier wecken. Das können etwa
Produkte aus der unmittelbaren Region sein, besonders gesunde Produkte
oder aber ungewöhnliche, exotische Artikel, die es im LEH nicht gibt.
Nur durch vermeintlich günstige Preise hingegen wird der Fachhandel auch
weiterhin keine Neukunden anwerben können. Das Schlachtfeld „Preis“
gehört den Discountern – der Fachhandel hat andere Stärken.
Wie die Bio-Branche auf die Krise reagiert und was die Politik jetzt tun sollte
Rohstoffknappheit, teure Transporte, Logistikengpässe, hohe Energiepreise: Die Nachwehen der Corona-Krise gekoppelt mit den Konsequenzen des Ukraine-Kriegs treffen auch die Bio-Branche. Wie reagieren Hersteller und Händler? Und was muss die Politik tun, damit Bio gerade jetzt gestärkt wird?
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