Alles fing an mit einer bedrohten Kiez-Bäckerei in Berlin-Kreuzberg. Zusammen mit der Nachbarschaft konnten Stefan Klein und seine Mitstreiter damals das Filou retten. Seitdem hilft der Jurist mit der KIGE Kiezgewerbe kleinen Läden, die durch Mieterhöhungen oder plötzliche Kündigungen vor dem Aus stehen. So wie der Bio-Laden Ährensache in Schöneberg.
Herr Klein, wie ist die Situation für Gewerbemietende in Städten wie Berlin?
Der Druck hat sich unheimlich verstärkt. Im Gewerbemietrecht ist die Miethöhe überhaupt nicht beschränkt. Und durch die Spekulationswelle wird die Miete oft um das Doppelte oder Dreifache erhöht – wir hatten sogar schon Fälle, wo das Vierfache verlangt wurde. Das kann kein Laden stemmen. Also verschwinden immer mehr kleine Geschäfte.
Und das dürfen Vermietende einfach so machen?
Es gibt oft zwei Arten von Verträgen. Unbefristete, die die Vermieter-Seite jederzeit kündigen kann, ohne Gründe – mit einer kurzen Frist von sechs Monaten. Hier hat man als Gewerbetreibender bei einer angekündigten Mieterhöhung nur die Wahl zwischen „Ja, ich stimme zu“ oder eben der Kündigung. Befristete Miet-Verträge laufen oft nach fünf Jahren aus und werden dann neu verhandelt oder „marktüblich“ angepasst. Was das genau bedeutet – darüber gibt es dann Streit.
Den sie versuchen zu schlichten. Wer kommt zu Ihnen und wie helfen Sie?
Allein in den ersten sechs Wochen dieses Jahres haben sich 15 Läden bei uns gemeldet. Das reicht von der Kita übers Café bis zu Ateliers. Bioläden und Lebensmittelgeschäfte sind bisher weniger dabei.
Wir machen dann erstmal eine Analyse und schauen, ob es doch rechtliche Möglichkeiten gibt. Dann raten wir dazu, die Kundschaft zu informieren und Unterschriften zu sammeln. Um auch Solidarität zu erfahren und zu zeigen „Der Kiez findet uns wichtig“.
Mit diesem Feedback wenden wir uns an die Vermietenden. Manche melden sich, andere gar nicht oder lehnen direkt pauschal ab. Und dann üben wir Druck aus, schreiben nochmal neu, organisieren Kundgebungen. Alles, um den Vermietenden zu zeigen „Du hast eine Verantwortung für das Geschäft und den Kiez“.
Hilft das?
Erfahrungsgemäß sind ungefähr 50 Prozent der Vermietenden verhandlungsbereit und davon können wir nochmal die Hälfte positiv abschließen. In anderen Fällen klappt es auch, alternative Lösungen zu finden, also eine andere Immobilie.
Man merkt, sobald die Vermietenden aus anderen Städten oder dem Ausland kommen, wird’s schwierig, weil denen der gute Ruf im Kiez egal ist. Und mit privaten Einzel-Vermietenden ist es deutlich einfacher ins Gespräch zu kommen als mit großen Holdings. Die lassen manche Läden auch lieber jahrelang leer stehen als eine günstigere Miete zu nehmen.
Klingt paradox.
Ja. Das liegt aber am Finanzierungs-Modell. Im Kredit-Plan für die Bank ist eine Miete eingetragen, die vom Vermieter erwartet wird. Darauf baut sich der Kredit auf. Wenn er die Miete nicht rein bekommt, weil das Café oder der Eckladen leer stehen, dann ist das immer noch eine potentielle Miete. Würde er jetzt einen Laden zu günstigeren Konditionen reinlassen, bewertet die Bank die Finanzierung neu und würde Teile des Darlehens zurückverlangen.
Was kann und sollte die Politik gegen diese Entwicklung machen?
Das Gewerbemietrecht muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen und die Spekulationswelle auffangen. Unsere Idee ist, dass Kommunen Gebiete mit erhöhtem Gewerbemieter-Bedarf ausrufen. In diesen Gebieten greifen dann bestimmte Regeln. Zum Beispiel, dass die Vermieter:innen einen Grund brauchen, um zu kündigen, weil beispielsweise die Miete nicht gezahlt wurde. Mehr Geld mit einem anderen Geschäft zu verdienen ist kein Grund. Diese Regel greift aber nur bis zu einer bestimmten Laden-Größe, damit größere Ketten nicht profitieren.
Außerdem schlagen wir vor, bei befristeten Mietverhältnissen ein automatisches Recht zu verankern, den Vertrag um zehn Jahre zu verlängern. Damit die Gewerbetreibenden auch eine Basis haben, mit der sie kalkulieren können. Da muss die neue Regierung ran. Denn sonst veröden die Kieze immer weiter…
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