Biohandel

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Click&Collect-Projekt

Terra Naturkost beliefert kleine Bioläden mit vorbestelltem Fleisch

Der Bio-Großhändler Terra Naturkost und die Bio-Fleischmanufaktur Gut Kerkow testen seit November ein neues Bestellkonzept in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Kunden ordern das Fleisch im Online-Shop und können es im nahegelegenen Bioladen kostenlos abholen. Was gut läuft, wo es hapert und wie das Projekt weitergehen könnte.

Dass er mitmachen würde, war für Dirk Ludwig relativ schnell klar. „Mich hat einfach die Qualität von Gut Kerkow überzeugt, auch die Weideschuss-Methode. Und das Urteil meines Sohns: denn wenn er Fleisch isst, dann von Gut Kerkow. Seit fast 25 Jahren führt Ludwig den Bioladen „Bio Grande Naturkost“ in Berlin-Friedenau. Eine eigene Fleischtheke hat er nicht, deshalb ist das Projekt von Terra Naturkost und Gut Kerkow für ihn eine ideale Ergänzung – ohne großes Risiko. „Einen neuen Kühlschrank habe ich angeschafft, der sollte aber eh kommen. Und ansonsten habe ich ja keinen Nachteil, sondern kann eher noch neue Kunden gewinnen“, so Ludwig. 

Er erhält von Terra Naturkost im Laufe der Woche den Lieferschein mit Kundennamen und Waren, die Fleisch-Lieferung kommt dann am Freitag oder Samstag. Abholtag ist der Samstag. „Eine Handvoll Leute waren schon hier zum Abholen. Wenn man bedenkt, dass wir nur mit Flyern geworben haben und mit direkter Ansprache ist das ganz gut!“ 

Fleisch, so Ludwig, sei im Bio-Bereich „das schwierigste Produkt“. Nicht lange haltbar, ein hoher Kilopreis und es brauche geschultes Fachpersonal – eine Frischetheke sei daher für kleine Läden oft nicht wirtschaftlich.

27 Bioläden sind dabei

Genau in diese Lücke will das Projekt stoßen. „Es geht darum, in der Bio-Kundengruppe die Fleisch-Liebhaber anzusprechen“, so Elke Röder, die bei Terra Naturkost das Projekt vorangetrieben hat. Im „Märkischen Wirtschaftsverbund“ – einem Zusammenschluss von Berliner und Brandenburger Bio-Unternehmen – entstand die Idee, gemeinsam mit der „Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ wurde das Projekt dann gestartet. 

Zur Auswahl stehen im Online-Shop von Gut Kerkow sowohl Frischfleisch-Produkte wie Bio-Gulasch, Kotelett, Bratwürste oder Minutensteaks, aber auch Aufschnitt wie Rinderschinken, Bierschinken oder Leberwurst. Beim Frischfleisch ist die Mindestmenge in der Regel auf ca. 500 Gramm voreingestellt, beim Aufschnitt sind es zwischen 150 und 300 Gramm je nach Produkt. Der Mindestbestellwert liegt bei 30 Euro für eine kostenlose Lieferung in die Bioläden. Bis Mittwoch muss bestellt werden, damit die Lieferung rechtzeitig zum Wochenende kommt. 

Die Läden – dreizehn in Berlin, dreizehn in Brandenburg, einer in Neustrelitz/MV – hat Röder direkt, per Telefon akquiriert. „Ich habe viele Gespräche geführt und dann geschaut, dass es gut regional verteilt ist.“

Gutes Feedback der Kunden

Das übergeordnete Ziel laut Röder: eine funktionierende, nachhaltige Wertschöpfungskette aufzubauen. Das ist im Bio-Bereich für Produzierende oft eine große Herausforderung. „Das Projekt ist eine Dienstleistung für die Läden und die Bauern“, erklärt Röder. Für den Service bekommen Terra Naturkost und die Läden eine kleine Provision. Der Ablauf ist für den Großhändler simpel: da der Hofladen vom Gut Kerkow (rund 85 km nördlich von Berlin nahe Angermünde) sowieso beliefert wird, können die bestellten Fleischpakete auf der Tour eingeladen und mit zurückgenommen und schließlich in die teilnehmenden Läden geliefert werden. 

Röder ist mit dem Bestell-Aufkommen sehr zufrieden. „Wir liegen bei 239 Bestellungen in 31 Abholstationen, zu denen Bioläden und Kerkow-Filialen zählen. Mit einem Umsatz von 15.420,56 Euro und 64,52 Euro als durchschnittlichen Bestellwert.“ Für sie eine gute Bilanz, vor allem, weil unklar war, ob das Angebot überhaupt angenommen wird. Neben einer kleinen Anzeige in der „taz“ und auf Social Media-Plattformen wurden nur die Flyer in den Bioläden verteilt und auf direkte Ansprache gesetzt. Das hat offenbar gut funktioniert.

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Mehrwert für Bioläden

„Das größte Hindernis war für uns, überhaupt die Entscheidung zu treffen, es wirklich zu machen“, verrät Manuel Pundt, Geschäftsführer vom Gut Kerkow. Man habe sich den Markt angeschaut und gesehen, dass es einen Bedarf gebe im Bio-Bereich: Läden, die keine Fleischtheke haben und unter den Kunden „Überzeugungstäter“, die bereit sind, für gutes Fleisch mehr zu zahlen. 

„Wir bieten einen Mehrwert für die Läden, den sie sonst nicht hätten und gewinnen neue Kunden hinzu“, so Pundt. Herausfordernd an dem Geschäftsmodell von Gut Kerkow ist die Frische und, im Vergleich zu den Großen der Branche, die Menge: „Wir schlachten im Jahr so viel, wie andere an einem halben Tag. Alles ist Handarbeit. Dazu kommt das Haltbarkeits-Thema.“ Auch Pundt ist zufrieden mit der Resonanz. „Das Angebot wird angenommen. Im Schnitt werden 30 Pakete pro Woche bestellt. Langfristig kann das eine gute Kombination sein für uns – das Online- und Offline-Geschäft zusammen.“ 

Vier Metzgerei-Läden betreibt Gut Kerkow in Berlin, dazu kommt der Hofladen. Über den Online-Shop können Kunden auch direkt nach Hause bestellen. „Wir bevorzugen aber Click+Collect“, so Pundt, der noch an den internen Bestell-Abläufen feilen will und sich zukünftig vorstellen kann, dass Kunden ihr Fleisch regelmäßig vorab fürs Wochenende in die Bioläden bestellen und das mit anderen Einkäufen kombinieren. „Möglichweise erweitern wir das Sortiment auch noch auf andere Produkte.“

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Bewussteres Einkaufen von Fleisch

Zusammen mit der Hochschule Eberswalde wird bis Ostern evaluiert. Manuela Haack leitet dort das Projekt und begleitet den Prozess von Anfang an. Mit rund 385.000 Euro wird das Projekt vom Bund gefördert. „Wichtig beim Thema Fleisch ist, dass das Risiko in der Wertschöpfungskette gut verteilt ist, weil es ein hochpreisiges Produkt ist. Dadurch, dass Gut Kerkow frisch produziert, also erst, wenn bestellt wurde, ist da schon mal viel gewonnen.“ Ohnehin werde durch das bewusste Bestellen, Planen und Abholen die Wertigkeit von Bio-Fleisch für die Konsumenten greifbarer, so die Hoffnung von Haack. 

Kann das Projekt ein Vorbild sein für andere Regionen? „Auf jeden Fall! Es braucht den Logistiker, dann ist es ein guter Vermarktungsweg, auch für andere Produkte. Und Bioläden können so neue Kunden gewinnen, die sonst nicht gekommen wären“, glaubt Haack. 

Auch Terra Naturkost und Gut Kerkow wollen an dem Projekt festhalten – vorbehaltlich der genaueren Evaluation. Elke Röder träumt schon von einem Netzwerk aus 100 Click+Collect-Läden und kann sich auch eine zweite Manufaktur in Berlins Süden vorstellen – wohlwissend das die Hauptstadtregion besonders online-affin ist. Sie sieht im Bestellablauf, in der Kunden-Journey und bei der Dokumentation des MHDs noch Potential. Für Bioladen-Besitzer Dirk Ludwig in Berlin-Friedenau hat sich das Projekt zwar noch nicht unbedingt in zusätzlichen Verkäufen ausgezahlt, aber er hofft, dass die Abhol-Kunden bei ihm im Laden dann längerfristig zum Beispiel auch auf sein Mitgliedsmodell aufmerksam werden und wiederkommen. „Außerdem finde ich es einfach gut, durch das Projekt hochwertige Produkte anbieten zu können, die ich sonst nicht im Sortiment habe.“

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