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Ladenportrait

Abakus: Bio aus tiefster Überzeugung

Der Mitgliederladen Abakus in Bremen ist das beste Naturkostfachgeschäft 2020 in Deutschland. Der Grund dafür liegt in der besonderen Symbiose von Ladner und Kundschaft.

Schon bevor man den Laden Abakus in Bremen betritt, ist die gesellschaftspolitische Einstellung des Ladens – und die seines Besitzers – klar: Eine große Attac-Fahne hängt im Schaufenster, rechts neben der Käsetheke sind Bilder von Che Guevara, Simón Bolívar und Hugo Chavez zu sehen. Dieser Laden ist ein Überzeugungsladen, der Besitzer Lothar Zumfelde ein Überzeugungstäter.

Mitglieder zahlen weniger

Bremen-Ostertor, ein Stadtteil, geprägt von alternativem Lebensstil, alten Wohnhäusern, oft mit hohen Stuckdecken, manche schick hergerichtet. Die Menschen, die hier wohnen, arbeiten oft an Schulen, der Universität oder in Behörden – und geben ihr Geld gern „vernünftig“ aus. Das kommt Abakus entgegen.

Der Laden ist ein Mitgliedsladen; das heißt: Wer hier normal einkauft, zahlt den empfohlenen Verkaufspreis der Bio-Hersteller. Wer aber Mitglied bei Abakus ist, also eine monatliche Gebühr zwischen 16 und 19 Euro bezahlt, je nachdem, wie viel Geld zur Verfügung steht, bekommt die Waren im Laden zum Einkaufspreis plus zehn Prozent. „Das lohnt sich“, sagt Ober- „Abakus“ Lothar Zumfelde, „vor allem bei den teureren Waren wie Wein oder Kosmetik kann man richtig viel Geld sparen!“. Aber das „Geldsparen“ ist oft nicht der eigentliche Grund für die Kunden, bei Abakus Mitglied zu werden.

Es ist die politische Überzeugung, die bei Besitzer und Kundschaft ähnlich ist: gesunde Lebensmittel zu fairen Preisen, der rein kapitalistischen Wirtschaft die Stirn bieten, Ideale haben und vertreten. Beispiel gefällig? Bitte schön: Den Laden Abakus gab es schon weit über zwölf Jahre, als eine Ecke weiter ein großer Alnatura-Bio-Supermarkt aufgemacht hat. „Das hat mich schon nachdenklich gemacht“, gibt Lothar Zumfelde heute zu. Aber viele seiner Kunden kamen zu ihm und sagten: „Jetzt erst recht!“. Die Zahl der Mitglieder stieg – und steigt weiter. Jetzt sind es schon fast 1.300.

Ladner Zumfelde ist ein „Weltbürger“

Lothar Zumfelde, verheiratet, eine Tochter, ist 67 Jahre alt und hat eine bewegte Vergangenheit: Er wurde in Caracas in Venezuela geboren und ist dort dreisprachig aufgewachsen – zu Hause deutsch, in der Schule englisch, auf der Straße spanisch. Deshalb bezeichnet er sich auch als „Weltbürger“. 1972 kam Lothar nach Deutschland und machte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann in Wuppertal. Später schulte er in Schwelm zum Zimmermann um.

Weil ihn der Demeter-Anbau reizte, bildete er sich in Baden-Württemberg zum bio-dynamischen Landwirt weiter und bewirtschaftete in Ostfriesland einen Hof. Aber „das lief nicht“, erzählt Lothar, auch, weil zu wenig Land zur Verfügung stand. Es folgte eine weitere Umschulung zum Maschinenbauer. Anschließend baute er für ein Unternehmen zehn Jahre lang Windkraftanlagen und war dort auch Betriebsrat. Mit einer hohen Abfindung schied er aus der Firma aus, zahlte mit dem Geld seine Eigentumswohnung ab und eröffnete 1998 Abakus, zunächst auf 65 Quadratmetern.

Lothar hatte die Erfahrung als biodynamischer Landwirt und wollte etwas Vernünftiges machen, das ihn ernährt. Die Idee einer „Food-Koop“ genannten Einkaufsgemeinschaft kannte er aus seiner Zeit als Biohof-Betreiber. Den Namen für seinen Bioladen hat Lothar letztlich im „Grünen Branchenbuch“ gesucht und gefunden. Dort sah er „abaco“. Das spanische Wort steht für „Abakus“, einen früher genutzten, mechanischen Rechner, der aus Stäben und Holz- oder Glasperlen besteht.

Auch der „Untertitel“ für den Laden war schnell gefunden: „Naturkost, die sich rechnet“. Abakus war von Anfang an ein Mitgliederladen: 30 Mitglieder zur Eröffnung, heute sind es 40 Mal so viele. Auch deshalb hat sich der Laden 2005 auf jetzt 168 Quadratmeter vergrößert.

Moral ist im Abakus ganz wichtig

Lothar ist wichtig, dass es „moralisch und fair abgehen“ müsse. Sachlich, aber doch ein bisschen aufgewühlt erzählt Lothar die Geschichte, als es in seinem Laden in seinen Augen mal nicht moralisch und fair zuging: Ein regionaler Milchlieferant wollte von ihm als Einkaufspreis 98 Cent für einen Liter Milch haben. „Und dann habe ich dieselbe Milch, vom selben Hersteller, vom selben Lieferanten bei Realkauf für 89 Cent im Regal stehen sehen! Das ist doch eine Unverschämtheit!“, ereifert sich Lothar.

Für ihn ist es „unmoralisch, Produkte unter Einkaufspreis zu verkaufen“, sagt er. Der Milchlieferant hatte ihm den günstigen Preis beim Supermarkt so erklärt: Er habe bei Realkauf „einen Fuß in die Tür bekommen“ wollen. Diese Argumentation ließ Lothar nicht gelten. Er beendete die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten sofort. Seitdem bekommt er seine Milch von der Upländer Molkerei.

Lothar Zumfelde arbeitet gern, will sich aber nicht selbst ausbeuten. Deshalb ist er jede Woche etwa 40 Stunden im Laden.

Abakus-Mitarbeiter kommen aus der ganzen Welt

Außerdem gibt es noch drei 30-Stunden-Kräfte, vier Halbtags-Kräfte, drei Aushilfen auf 450-Euro-Basis, drei Azubis und einen sogenannten Einstiegsqualifizierer aus Afghanistan. Der junge Mann ist also ein Aspirant auf eine Ausbildung. Lothar arbeitet gerne mit Menschen mit Migrationshintergrund – auch deshalb, weil er selbst einen „Weltbürgerpass“ hat, wie er sagt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus Kasachstan, Guinea, Russland, Armenien, der Türkei, sind russisch-stämmig oder Deutsche.

Gemessen an der Größe bietet Abakus sehr viele Waren an, insgesamt etwa 4.800 verschiedene. Auffallend ist zum Beispiel die große Weinauswahl mit mehr als 130 Sorten. Der Laden bietet seinen Kunden ein Vollsortiment mit einem kleinen Fleisch- und Wurstangebot; Fisch gibt es nur gefroren. Auf Bestellung ist aber alles zu bekommen.

Gut gehen im Abakus vor allem hochpreisige Waren wie Kosmetik von Weleda oder Martina Gebhardt sowie Wein und Nussmuse, weil hier aufgrund des Mitgliederrabatts der Preisunterschied verglichen mit anderen Läden besonders groß ist.

Partnerschaft mit Kaffeebauern in Kamerun und Uganda

Ein weiterer Grund, bei Abakus einzukaufen, so Lothar Zumfelde: „Wir haben die beste Musik im Laden!“ In der Regel läuft Funkhaus Europa mit Weltmusik – im Büro des Ladens steht noch ein großes Regal mit CDs: auch darin fast nur Weltmusik. „Früher haben wir die Musik selbst aufgelegt“, sagt Lothar ein bisschen wehmütig. Dafür sei aber jetzt keine Zeit mehr.

Wichtig für jeden Laden, auch für Abakus, ist es, „Kundenwünsche zu erfüllen“, sagt Lothar. „Das Sortiment lebt von Kundenwünschen.“ Und er setzt noch einen drauf: „Ich sag‘ den Kunden immer: Ihr bestimmt das Sortiment!
Wir können alles besorgen!“ Freundlichkeit sei auch ganz wichtig, sagt Lothar, alle Kunden werden hier geduzt.

Der Laden ist auch so beliebt, weil Lothar seine Überzeugungen authentisch lebt. Die Kunden finden es gut, dass Abakus eine Partnerschaft mit Kaffeebauern in Kamerun und Uganda eingegangen ist, die den Menschen in Afrika gerechte Preise garantiert. Dafür zahlen sie für 250 Gramm Bio-Kaffee bis zu gut fünf Euro.

Ab und zu organisiert Abakus auch Reisen zu Herstellern. Zum Beispiel zu einem Kaffee-Projekt: Vor mehr als 20 Jahren haben der Kameruner Morin Kamga Fobissie, der in Bremen lebt, und der Deutsche Stephan Frost Utamtsi gegründet. Das ist ein Projekt, das Kaffee aus Kamerun nach Deutschland exportiert. Begonnen hat das mit einer Tonne fairem Bio-Kaffee, der in Norddeutschland verkauft wurde. Heute sind es 120 Tonnen pro Jahr.

Die erste Reise kam gut an, in diesem Jahr kommt die fünfte; dieses Mal auch nach Uganda, wohin das Projekt zum Teil umgezogen ist wegen stabilerer politischer Verhältnisse. Auch ist hier wegen der besseren klimatischen Verhältnisse eine zweite Ernte möglich. Solche Reisen schweißen zusammen, obwohl zwischen Lothar und seine Kunden sowieso kein Blatt Papier passt.

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