Sie sind im ganzen Laden verteilt. Mal kleben sie neben dem Preisschild, mal vorne an der Käse-Theke, im Kühlregal vor dem Leinöl oder am Weißwein-Kasten. Kleine, gelb-orangene Hinweis-Schilder mit der neuen Mitgliedskarte der Erzeuger- Verbrauchergenossenschaft Landwege und dem Hinweis auf 12 Prozent Rabatt für jeden Einkauf.
„Wir testen auch gerade extra Aufsteller und Plakate, auf denen wir spezielle Produkte rausheben und die 12-Prozent-Preisdifferenz direkt abbilden. Mit dem normalen und dem rabattierten Preis“, erzählt Landwege-Geschäftsführer Klaus Lorenzen. Zusammen mit dem gesamten Team hat er Ende Februar, passend zum Schalttag 29. Februar, das neue Modell ausgerollt.
Der Deal: alle Genossenschaftsmitglieder können für zusätzlich 19 Euro im Monat bei jedem Einkauf 12 Prozent sparen. Um Mitglied zu werden, müssen vorher Anteile von mindestens 50 Euro an der Genossenschaft gekauft werden. Dieses „Mitglied Plus“-Modell lohnt sich laut Landwege schon ab einem Wochen-Einkauf von 37 Euro.
Die Krise war der Auslöser für das neue Modell
Am Anfang dieser Idee stand die Krise. „Wir haben in den letzten zwei Jahren nicht wenige Kunden verloren“, sagt Klaus Lorenzen. Die Inflation war für viele deutlich spürbar, das Geld wurde stärker zusammengehalten, beim Einkaufen gespart – dieser Trend ließ den Umsatz sinken. In der gesamten Biobranche.
„Dann haben wir im August letztes Jahr einen Probemonat gestartet, in dem alle Mitglieder mit Rabatt einkaufen konnten. Vorher ging das immer nur an einem Mitglieds-Tag im Monat“, so Klaus Lorenzen. Das schlug voll ein: 200 neue Mitglieder kamen dazu. Für den EVG-Geschäftsführer stand danach fest: das wollen wir dauerhaft. „Aber mit einer Gegenleistung!“
Klaus Lorenzen informierte sich über verschiedene Modelle, die es schon gab, und entschied sich für das 19-Euro-Modell. „Wir wollten etwas haben, was an der Kasse einfach zu erklären ist.“ Nach einem halben Jahr Vorbereitung ging das „Mitglied Plus“-Modell an den Start.
Erste Bilanz fällt sehr positiv aus
Die ersten Zahlen sind vielversprechend. In den ersten 100 Tagen wurden insgesamt 600 Karten beantragt, 250 neue Genossenschaftsmitglieder sind dazugekommen. „Das stößt von Anfang an auf große Resonanz. Das ist sehr, sehr positiv für uns“, erzählt Klaus Lorenzen.
Denn die neuen Mitglieder bringen zusätzliche, wirtschaftliche Stabilität. Durch die regelmäßigen Beiträge kann Landwege langfristiger planen. Und das neue Modell verstärkt die Kundenbindung. „Diese engere Verbindung trifft offenbar einen Nerv, in diesen unsicheren Zeiten“, glaubt Lorenzen.
Viele jüngere Kunden – mehr Umsatz
Für das neue Angebot hatte EVG Landwege auf Social Media, über direkte Ansprache an der Kasse und Infos in den fünf Filialen geworben. „Und es wird natürlich auch viel durch Mund-zu-Mund-Propaganda weiterzählt“, sagt Lorenzen. Positiv für die Altersstruktur der Genossenschaft: Viele jüngere Menschen sind neu dazugekommen.
„Die Bons bei Mitgliedern sind im Schnitt doppelt so hoch wie beim Rest der Kundschaft.“
Ein weiterer Effekt: Viele Kunden greifen wieder zu teureren Produkten, die sie in der Krisenphase gemieden haben. Also Kosmetik, Öle oder Wein. „Die Bons bei Mitgliedern sind im Schnitt doppelt so hoch wie beim Rest der Kundschaft.“
Das macht sich beim Umsatz bemerkbar, der zum Teil deutlich gewachsen ist, seitdem das neue Modell eingeführt wurde. „Ob das jetzt nur daran liegt, oder sich der Markt generell auch wieder erholt, ist schwer zu sagen“, sagt Lorenzen. „Aber wir wollten ja auch eine langfristige Perspektive schaffen. Keinen kurzfristigen Trend. Die Roherträge haben sich noch nicht so stark erhöht, aber da erwarten wir auf länger Sicht einen deutlich höheren Effekt.“
Auch deshalb hat Landwege eine dreimonatige Kündigungsfrist eingebaut, um besser planen zu können. Die zusätzlichen Genossenschaftseinlagen haben die Liquidität erhöht. Die neuen Daten der Rabatt-Karten liefern Landwege außerdem wichtige Einblicke in das Kaufverhalten der Kundschaft. In welchen Filialen wird wann und wie oft gekauft?
Der Organisationsaufwand ist hoch
Aber nicht alles lief direkt rund. Herausfordernd war für Lorenzen vor allem die Organisation und Buchhaltung rundherum. Die Rabatt-Karte wurde anfangs per Post ausgeliefert, nach einigen Zustell-Problemen wird sie jetzt aber in den Filialen hinterlegt und von den Mitarbeitenden persönlich übergeben.
„Der organisatorische Aufwand ist schon nicht zu unterschätzen. Wir haben das bisher ohne neue Stelle lösen können, aber es kostet schon Zeit. Weil man teilweise nochmal anrufen muss, weil Daten fehlen oder die IBAN nicht stimmt“, erklärt Klaus Lorenzen.
Der Antrag für die „Plus“-Mitgliedschaft kann entweder online oder per Hand ausgefüllt werden und dann per Mail oder Post zugeschickt werden. Das Formular ist umfangreich, soll perspektivisch aber noch entschlackt werden. Ein zeitweises Pausieren der Mitgliedschaft während eines längeren Urlaubs ist nicht vorgesehen.
Ziel: 1.000 „Plus“-Mitgliedschaften bis Jahresende
Bis Ende des Jahres wollen Klaus Lorenzen und das Landwege-Team mindestens 1.000 Karten ausstellen, mit den bisher 600 haben sie schon mehr als die Hälfte geschafft. „Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel erreichen“, sagt der Geschäftsführer.
Übergreifendes Ziel sei es immer gewesen, sich selbst treu zu bleiben, das regionale Modell mit den Partnerhöfen weiterzuführen und noch mehr Menschen im Raum Lübeck für Landwege zu gewinnen oder ehemalige Kunden zurückzuholen.
Dafür will Landwege auch mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten, die in der Region nachhaltig wirtschaften. Auch ein Kunden-werben-Kunden-Modell ist denkbar. Schon jetzt gibt es eine Partnerkarte für drei Euro im Monat dazu. Günstigere Eintritte bei eigenen Aktionen sind ein weiterer Benefit der Karte.
Tipps für andere Bioläden
Klaus Lorenzens Ratschlag an andere Bioläden, die solch ein Mitglieds-Modell aufbauen wollen? „Überlegen: Welchen Aufwand habe ich? Habe ich genug personelle Ressourcen? Welche Folgen erwarte ich für die Wirtschaftlichkeit? Und vor allem: wie einfach ist das Modell zu erklären? Der Grundgedanke, also monatlich feste Zahlungen zu bekommen, ist für viele interessant denke ich.“
Dazu kommt: der direkte Kontakt zur Kundschaft motiviert das Team. Viele melden am Telefon zurück, wie toll sie den neuen Vorstoß finden und dass sie sofort dabei sein wollten. „Sowas fehlte ja in den letzten Jahren ein bisschen“, so Lorenzen.
Und der Zuspruch hält weiter an. „Erst heute Morgen habe ich 13 neue Anträge unterschrieben“, sagt Lorenzen. Und von vielen habe er gehört, dass sie bereits einen Antrag zu Hause hätten, es aber noch nicht geschafft hätten, diesen auszufüllen.
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