Biohandel

Erfolgreich mit Bio handeln.

1. BioHandel LEH-Marktplatz

„Es geht um das Überleben“: LEH ist für Bio-Herstellermarken ein Muss

Weshalb gehen Bio-Marken in den LEH? Und sind sie bald auch im Discount zu finden? Diese und weitere spannende Fragen wurden auf dem ersten BioHandel LEH-Marktplatz diskutiert. 

Rapunzel tut es, Followfood schon lange – viele Bio-Fachhandelsfirmen stehen in den Regalen von Edeka, Rewe und Co., andere machen sich auf den Weg.

Über die Gründe, Potenziale und Notwendigkeiten sprachen Hersteller sowie Branchenexpertinnen und -experten beim ersten „BioHandel LEH-Marktplatz“ auf der Anuga. „Um dem Ziel der nationalen Strategie 30 Prozent Bio bis 2030 näher zu kommen, braucht es neue Wege und kein Weiter so wie vor zehn Jahren“, so die Überzeugung von Ulrike Fiedler, Geschäftsleiterin BioHandel, die die Veranstaltung moderierte. 

Lebhaft diskutiert wurden die unterschiedlichen Strategien von Seraphine Wilhelm und Julius Palm – beide in der Geschäftsführung von Bio-Pionierunternehmen, die den Weg in den LEH bereits gegangen sind. Mit auf dem Podium saßen zudem Handelsexperte Professor Dr. Stefan Rüschen von der dualen Hochschule Baden-Württemberg und Markus Ihmann, Gründer der Agentur Plan Bio, die Fachhandelsmarken in den LEH begleitet. 

Schritt in den LEH ist ein Muss

Ob Bio-Fachhandelsfirmen in den klassischen LEH gehen sollen, diese Frage stellt sich für Stephan Rüschen nicht. Für ihn ist dieser Schritt vielmehr ein Muss. Mehr als zwei Drittel aller Bio-Produkte gehen inzwischen im LEH über den Ladentisch. „Das ist eine Dimension, bei der man als Fachhandelsmarke schauen muss, dass man genug Distribution hat, um Umsatz zu machen“, erklärt der Handelsexperte. 

Für die Markenhersteller verschärfend komme hinzu, dass der Anteil der Handelsmarken bei Bio dramatisch gestiegen sei. Derzeit liegt er bei 67 Prozent. „In der Summe bedeutet das, wenn man es ganz drastisch sieht, dass es auch um das Überleben der Bio-Hersteller-Marken geht“, so Rüschen.

Verantwortung für die Marke

Den Vertrieb auszuweiten, um neue und mehr Kunden zu erreichen, ist für ihn deshalb ein wichtiger und logischer Schritt. Bio-Pionier Rapunzel ging ihn 2023. Als Gründe nennt Seraphine Wilhelm, Mitglied in der Geschäftsführung, unter anderem den Strukturwandel im Fachhandel – Stichwort fehlende Nachfolge und Ladenschließungen – sowie Umsatzrückgänge nach Corona. 

„Wir haben über 30.000 Bauern hinter uns, 550 Mitarbeiter und ganz viele Kunden – und die Verantwortung, die Marke in die Zukunft zu tragen“, so Wilhelm, die bei Rapunzel zuständig ist für Marketing, Produktmanagement, Qualitätssicherung, sowie den Biomarkt in Legau. Ziel von Rapunzel sei es immer gewesen, den Bioanbau voranzubringen. „Und je mehr Kunden Bio kaufen, desto besser für die Natur und für den Menschen“, ist Seraphine Wilhelm überzeugt.

Doppelstrategie funktioniert

Den umgekehrten Weg, nämlich vom LEH in den Bio-Fachhandel, ging Followfood. „Wir hätten es uns anders gewünscht, aber der LEH hat zuerst zugegriffen, als wir die erste nachhaltige Fischmarke vorgestellt haben“, erzählt Julius Palm, bei Followfood stellvertretender Geschäftsführer und Leiter für Markt und Strategie. Nach dem Erfolg im LEH habe auch der Fachhandel die Türen geöffnet und so fahre man schon seit rund 20 Jahren eine Doppelstrategie. 

„Für uns funktioniert das sehr gut“, sagt Palm. 2024 konnte das Unternehmen entgegen dem allgemeinen Branchentrend sogar zweistellig zulegen. Im Hinblick auf die zukünftige Existenzsicherung ist es für Followfood auf jeden Fall „unternehmerisch sinnvoll, im LEH stattzufinden“, so Palm.

Wann folgt der Schritt in den Discount?

 „Wenn es unser Ziel ist, Bio für alle verfügbar zu machen, ist der Discount, der 40 Prozent des LEHs ausmacht, auf jeden Fall zumindest potenziell ein Kanal“, so die Einschätzung von Handelsexperte Rüschen. Vorausgesetzt, der Discount und seine Kunden seien bereit dafür, würden auch die Fachhandelsmarken den Schritt in diese Richtung gehen, so die Prognose des Handelsexperte. Die Frage sei nicht ob, sondern lediglich wann. 

Für Bio-Pionier Rapunzel, der vor zwei Jahren erst den Weg in den LEH gegangen ist, steht das Thema erst einmal nicht an. Die Marke sei auch jetzt noch nicht überall verfügbar, so Seraphine Wilhelm. „Kern von Rapunzel ist ja, dass wir langjährige Partnerschaften eingehen und organisch wachsen.“ Alles andere wäre nicht gesund und viel zu risikoreich. „Von daher: organisches Wachstum und alle mitnehmen“, fasst Seraphine Wilhelm die Expansionsstrategie des Unternehmens zusammen.

Followfood: Aktionsgeschäfte bei Aldi

Dem stimmt Julius Plam zu: „Wir hätten gar nicht die Mengen, um jetzt in den Discount zu gehen. Deswegen muss das langsam entstehen“, so der stellvertretende Follofood-Geschäftsführer.

Erste Schritte in diese Richtung ist man mit Aktionsgeschäften bei Aldi allerdings bereits gegangen. Dieser Entscheidung seien viele Gespräche vorausgegangen. „Auf gar keinen Fall. Das entspricht nicht unseren Werten. Das wollen wir nicht“, habe es zunächst geheißen. 

Letztlich stelle sich aber die Frage, ob man auf fast 50 Prozent der Verbraucher verzichten könne und wolle. „Ob man also ein elitäres Projekt bleiben, oder es schaffen will, Angebote hinzubekommen, mit denen wir bei unseren Werten, unserer Vision bleiben“, so Palm. 

Der stellvertretende Followfood-Geschäftsführer verweist auf die positiven Erfahrungen, die etwa Bioland im Discount gemacht habe. Zudem müsse man die Nachhaltigkeitsbemühungen zum Beispiel von Lidl anerkennen und ernstnehmen. „Es ist nicht nur die Frage, entscheiden wir uns da irgendwann um, sondern beobachten wir gerade etwas, bei dem wir aufpassen müssen, dass uns da nicht jemand in Rang abläuft“, mahnt Palm. Seiner Einschätzung nach befindet sich die ganze Nachhaltigkeitsszene gerade im Wandel. 

Zieht das Thema Nachhaltigkeit noch?

Das zeigt sich auch im Kaufverhalten. So hat man bei Followfood die Erfahrung gemacht, dass Nachhaltigkeitsthemen bei der LEH-Kundschaft derzeit nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Entsprechend setzt das Unternehmen in der Kommunikation eher auf Genuss, persönliche Gesundheit und Nährwert. Im Fachhandel ziehe das Thema Nachhaltigkeit zwar noch. „Wir sehen aber selbst da, dass Anzeigen besser funktionieren, in denen eher der Spaß und Genuss im Vordergrund stehen und nicht die Schwere.“ 

Bei Rapunzel hat man ähnliche Erfahrungen gemacht. „Der erhobene Zeigefinger funktioniert nicht“, sagt Seraphine Wilhelm. „Statt: Du musst heute noch die Welt retten, komme die Botschaft, du kannst langsam mit uns die Welt besser machen, deutlich besser an.“

Bei der derzeitigen komplexen weltpolitischen Lage verständlich, finden Palm und Wilhelm. Die Menschen wünschten sich, dass jemand die Verantwortung übernimmt. Und dafür gebe es ja Marken wie Rapunzel und Followfood, die sagen, „Hey, wir übernehmen die Verantwortung, ihr habt den Genuss“, fasst es Julius Palm zusammen.

Wichtig sei es, dass man die Differenzierung und den Mehrwert von Bio aufrechterhalte, auch in neuen Distributionskanälen.

Was tun bei Warenengpässen?

„Und wen würdet ihr zuerst beliefert, wenn es zu Engpässen kommt, den Naturkostfachhandel, den LEH oder die Discounter?“, lautete eine an Julius Palm gerichtete Frage aus dem Publikum. Man habe diese Situation selten, aber es gebe sie. In so einem Fall würde man intensive Gespräche führen und schauen, wem man wann, zuerst was, wie viel, bis wann zugesagt habe. „Und dann ist das eine relativ einfache Rechnung.“ Mal werde dann der Naturkostfachhandel zuerst beliefert, mal der LEH.

LEH offen für Biomarken

Doch vor der Belieferung steht die Listung. Und die ist, selbst für im Fachhandel bekannte Firmen, kein Selbstläufer. „Für Händler im konventionellen LEH ist Bio ein extrem spannendes Terrain, um sich zu profilieren, zu differenzieren, aber natürlich auch, um mehr Umsatz zu generieren und kaufkräftige Menschen in ihren Laden zu holen“, weiß Vertriebsexperte Markus Ihmann. 

Seiner Erfahrung nach sind die Händler extrem offen für Biomarken. Aber die Initiative müsse von den Firmen kommen. „Es ist nicht so, dass wir anklopfen und die Biomarke wird reingenommen und der Händler macht Promotions und pusht das.“ Extrem wichtig sei es, zu wissen, was das Produkt brauche, um bei dem Händler zu performen. Das schließe das Design der Verpackung ein, aber auch die Frage der Logistik. Sein Rat an die Firmen: „Erst einmal die Hausaufgaben machen und sich darüber klar werden, was muss ich eigentlich liefern, um in den LEH-Regalen und schließlich im Einkaufswagen der Kunden zu landen.“

Drehzahlen im LEH: Honeymoon ist vorbei

Laut Julius Palm trifft Ähnliches auf den Fachhandel zu: „Ein Produkt ins Regal zu stellen und auf Partnerschaften, auf die Historie zu vertrauen, das ist glaube ich vorbei“, so der stellvertretende Followfood-Geschäftsführer. Drehzahlen seien im Fachhandel genauso wichtig wie im LEH. „Die Honeymoon-Zeit ist allgemein vorbei.“ 

Zwar hätten Bio- Marken etwas mehr Schonfrist, weil man den Händlern ein Alleinstellungsmerkmal liefere. „Aber auch da musst du nach einem halben Jahr sagen, okay, was lieferst du, dass die Drehzahl hier noch ein paar Punkte hochgeht?“, so die Erfahrung von Palm. Dieses Spiel müsse man mitspielen, ohne den Impact zu verlieren - ein Balanceakt, den man immer wieder austarieren müsse. 

Auch für Seraphine Wilhelm ist wirtschaftliches Handeln die Basis. „Nur so können wir die Welt grüner und besser machen. Sonst funktioniert das nicht. Sonst scheitert die Mission einer grüne Erde.“

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