Biohandel

Erfolgreich mit Bio handeln.

Anuga Organic

„Don't call it nachhaltig“: Warum man Käufer nicht für die gute Sache gewinnt – sondern für gute Produkte

„Sind Konsumenten nachhaltigkeitsmüde?“, fragte der BioHandel bei einer Podiumsdiskussion auf der Fachmesse Anuga Organic. Die einhellige Antwort der Expertin und Experten lautete: Absolut. Nachhaltigkeit hat ein Imageproblem. Wie man Bio dennoch erfolgreich verkauft, lesen Sie hier.

„Sind Konsumentinnen und Konsumenten heute wirklich nachhaltigkeitsmüde? Und wenn ja, wie kann man sie für mehr Bio und Nachhaltigkeit beim täglichen Einkauf motivieren?“ Vorab die schlechte Nachricht, die Marktforscher Frank Quiring vom Rheingold Institut, Nachhaltigkeitsberaterin Kerrin Löhe von der Agentur BAM! Bock auf Morgen und Jannis Meseke, Marketingleiter beim Bio-Safthersteller Voelkel auf einer von mehreren Podiumsdiskussionen der BioHandel Akademie auf der Fachmesse Anuga Organic hatten: 

Nachhaltigkeit hat ein Imageproblem und die Konsumenten sind in Endzeitstimmung. Die gute Botschaft ist aber: Bio-Produkte lassen sich durchaus erfolgreich verkaufen – wenn man den Mut hat, auf das Verkaufsargument der „Nachhaltigkeit“ zu verzichten. 

Locken statt fordern, das ist die Maxime

Frank Quiring diagnostizierte eine „diffuse Endzeitstimmung“: Viele Menschen hätten den Eindruck, „Deutschland ist im Stillstand, marode und bürokratisch gelähmt.“ Globale Probleme würden verdrängt, das Geld zusammengehalten. Krisen würden wahrgenommen und für relevant befunden – Menschen wollten sie aber nicht selber lösen. Quiring beobachtet einen Rückzug der Konsumenten in die „innere Welt“, hin zu Freunden, Familien, ins eigene Viertel. 

„Nachhaltigkeit ist ein Reizwort“, sagte Quiring. Die Ansprüche an nachhaltigen Konsum würden als Belastung empfunden. Die vorherrschende Meinung sei: „Wenn es mir nutzt ist es gut, wenn es der globalen Nachhaltigkeit nutzt, wird es an globale Player delegiert, etwa an Unternehmen oder die Politik.“

„Nachhaltigkeit hat ein Imageproblem – und den Charme einer Steuererklärung.“

Kerrin Löhe, Agentur BAM! Bock auf Morgen

Die Generation Z, die sich Werten wie Diversity und Nachhaltigkeit verbunden fühlten, stünden unter Druck und „empfinden wenig Unterstützung“, sagte Quiring. Fridays for Future sei unter die Räder gekommen.

Jenen, die nachhaltige Produkte verkaufen wollen, empfiehlt Quiring, die Shopper zu locken statt zu fordern. Das Verpackungsdesign müsse beispielsweise intuitiv nachhaltig wirken. Studien hätten gezeigt, dass matte Verpackung nachhaltiger wirken als glänzende. „Das ist mehr wert als eine Deklaration“, betonte Quiring. 

Aus Kerrin Löhes Präsentation: „Wenn Du schwer verkaufen willst, schreibe nachhaltig. Wenn Du gar nicht verkaufen willst, schreibe vegan.“

In der Beratung von Firmen setzt Kerrin Löhe, Mitgründerin der Agentur BAM! Bock auf Morgen, auf das 60-Prozent-Konzept: 20 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten sind demnach überzeugte Ökos. 20 Prozent lehnen Bio kategorisch ab. „60 Prozent haben eine grüne Einstellung, zeigen aber kein grünes Verhalten“, so Löhe. 

Diese große Gruppe gelte es zu gewinnen. Ein erster Schritt sei der „Mut zum Weglassen“ des Nachhaltigkeitsversprechens. Löhes Appell: „Don’t call it nachhaltig“ – denn das sei kein Trend. „Nachhaltigkeit hat ein Imageproblem. Sie steht für Verzicht und Vernunft und hat den Charme einer Steuererklärung“. 

Vielmehr müssten Hersteller den Ich-Nutzen in den Vordergrund stellen und „Benefit-orientiert kommunizieren“. Das bedeute beispielsweise, mit Genuss und Geschmack zu werben – nicht mit dem Insektenhotel auf dem Firmengrundstück, erklärte Löhe. 

Die Botschaft der Nachhaltigkeit sei immer ein Teil der Kommunikation – sie fahre auf dem Tandem aber hinten mit, nicht vorne. 

Wie Voelkel das „60-Prozent-Konzept“ anwendet

Wie das 60-Prozent-Konzept in der praktischen Anwendung funktioniert, berichtete Jannis Meseke, Marketingleiter bei Voelkel:

  • Der Sitzplatzwechsel auf dem Tandem sei eine große Herausforderung gewesen – und bei einem 90 Jahre alten Unternehmen nur schrittweise möglich.
  • Die Nachhaltigkeit auf dem hinteren Tandem-Sitz zu platzieren, habe Mut erfordert – und in der Konsequenz den Eintritt in den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ermöglicht.
  • Ziel des Unternehmens sei es nach wie vor, die ökologische Landwirtschaft zu fördern. Das verfolge Voelkel jetzt aber auf anderen Wegen – beispielsweise über Handball-Sponsoring. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die 60 Prozent der für Bio „offenen“ Konsumenten unter solchen Sportfans zu finden sind.
  • Den überaus erfolgreichen Ingwershot bezeichnete Meseke als „Eintrittstor für die 60 Prozent“. Die Botschaft laute: „Trink das! Die Arbeit für die Nachhaltigkeit machen wir.“
  • Auch was den Nutzen betrifft, folgt Voelkel der Empfehlung der Agentur BAM!: In der Social-Media-Strategie habe man zu Beginn vor sechs Jahren mit Bio-Influencern zusammengearbeitet. Jetzt erschließe man „neue Bubbles“ für den Me-Nutzen, etwa über die Themen Yoga, Gesundheit und Wohlbefinden. 

Ich-Nutzen und Hedonismus-Faktor – klingt nicht nach den wertebasierten Zielen der traditionellen Bio-Hersteller. Die Vorträge von Frank Quirin, Kerrin Löhe und Jannis Meseke zeigten aber eindrücklich: Wer Gutes verkauft, kann Gutes bewirken. Auch, wenn er nicht (gleich) darüber spricht. 

Kommentare

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Jonas Hübner

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist – und war womöglich schon immer – substanzlos. Er fungiert längst als schwammiges Schlagwort ohne echten Kern. Unternehmen wie Voelkel illustrieren diese inhaltsleere Beliebigkeit exemplarisch: Statt auf authentische ökologische Konsequenz und echte Werte zu setzen, wie es die traditionelle – leider längst durch konventionell denkende, an Wachstum interessierte Manager verdrängte – Ökoszene einst tat, wurde der „Nachhaltigkeit“ bis heute als Marketinginstrument missversanden, um möglichst breite Konsumentengruppen – etwa die „60 Prozent“ – zu erreichen.

Dabei werden ununterbrochen neue Produkte auf den Markt geworfen, die sich in den wenigsten Fällen rechnen – geschweige denn gebraucht würden. Handelspartnern werden dabei fortlaufend neue Pfand- und Flaschensysteme aufgedrängt. Das sorgt bei Großhändlern und Bioladen-Mitarbeitern für zunehmenden Unmut, weil niemand mehr den Überblick behält. Der Laden, in dem ich einkaufe, hat deshalb bereits auf einen Mitbewerber aus dem Süden umgestellt.

Während andere – wie Neumarkter – mit einem einheitlichen Kastensystem arbeiten, produziert Voelkel durch sein Phrasen-Marketing so hohe Kosten, dass selbst die altbewährten Produkte kaum noch tragfähig erscheinen – und nun stattdessen in kleineren Einheiten angeboten werden. Das ist wirklich nachhaltig: nachhaltig sinnentleert.
Ob es richtig und nachhaltig ist, sich hochbezahlte Marketingabteilungen zu leisten, wird sich jeder Unternehmer sehr bald fragen müssen. Bislang entstehen künstliche Feedbackschleifen, die eine vermeintliche Abhängigkeit von Marketingmitarbeitern suggerieren, die aber täuscht. Das eigentlich notwendige, konsequente ökologische Denken wird dadurch jedenfalls immer mehr belächelt oder verdrängt – oder schlimmer noch: gar nicht mehr zugelassen, weil es schlicht nicht mehr beherrscht wird.

Ironischerweise wird in manchen Bereichen ausgerechnet die künstliche Intelligenz zeitnah für Abhilfe sorgen. Schon jetzt zeigt sich in vielen Unternehmen, dass große Teile der Marketingabteilungen überflüssig werden – und durch die günstige KI ersetzt werden können. Wenn Geschäftsführungen diesen Wandel erkennen und klug nutzen, lassen sich die Kosten deutlich senken. Ein einziger wirklich versierter Mitarbeiter kann mit KI-Unterstützung (z. B. via omneky oder mindverse)[1] heute bereits mehrere Rollen im Marketingbereich abdecken – vom Texter über den Designer bis zum Kampagnenplaner.

In wenigen Jahren wird KI durch einfache Spracheingabe und gespeichertes Wissen über Unternehmenswerte, Markenidentität und Zielgruppen ganze Marketingprozesse selbstständig abwickeln können – vom Entwurf bis zur fertigen Kampagne. Dann braucht es nur noch zwischenzeitliche menschliche Kontrolle und Freigabe. Wer heute noch im Marketingbereich arbeitet, ohne sich in der Nutzung von KI weiterzubilden, wird sich bald auf dem freien Arbeitsmarkt wiederfinden – sofern die Geschäftsleitungen diesen Wandel nicht weiter verschlafen. Die Ökobranche ist ja bekannt dafür, bei der Implementierung neuer Technologien immer etwas langsamer zu sein... Erst wenn die Masse sie bereits nutzt, wird eingelenkt... Das kennt jeder Brancheninsider nur zu gut.

Liebe Firmen: Denken Sie darüber nach. Es lohnt sich – Effizienz steht bei Ihnen doch ohnehin über allem. Das Soziale ist ja bekanntlich nicht so entscheidend… ^^

Derartige Oberflächlichkeit ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Verschiebung, in der Hedonismus und kurzfristiger Nutzen über tiefere, langfristige Werte gestellt werden. Früher stand bei Bio-Herstellern die konsequente Förderung ökologischer u n d sozialer Prinzipien im Vordergrund. Heute geht es primär um Gewinnsteigerung durch Massenansprache und Effizienz – was sich ironischerweise bei einigen Öko-Firmen im genauen Gegenteil niederschlägt. Doch viele verschließen davor bewusst die Augen.

Die Welt wird nicht besser, nur weil jetzt auch Sportler Voelkel-Saft trinken – während sie weiterhin konventionelles Fleisch und Milchprodukte konsumieren, Produkte, die massenweise seltene Erden benötigen kaufen, billige Kleidung aus Plastik für ihren Sport benötigen usw…


[1] zur Veranschaulichung: wo man beispielsweise bei Omneky heute noch einige Prompts, mehrere Feedbackrunden und so einiges manuelles Nachjustieren betreiben muss für Anzeigen, wird es in absehbarer Zeit (ca. 2–5 Jahren) so sein, dass eine Spracheingabe wie „Kampagne für neue Herbstlinie, Fokus Nachhaltigkeit + Demeter + U25, Insta & TikTok“ → 10 fertige Vorschläge in Sekunden erzeugt. Die KI merkt sich dauerhaft den Markenstil, Werte, Designvorgaben, Voice-of-Brand usw. und auch stilistische Details wie z. B. „Wir sagen nie 'Kunde', sondern immer 'Konsument'“ werden konsequent eingehalten. Die KI wird auch Echtzeit-Analysen laufen lassen und feststellen, welche Varianten am besten laufen – und justiert auf Wunsch andauernd nach. Sie wird die Budgetallokation, Performance-Auswertung, Zielgruppenverhalten integrieren und so viele Ansprüche in einem Tool abdecken. Es wird wenig über GUI laufen, sondern mehr über Spracheingaben. Wo heute 3 Mitarbeiter 135.000 € oder mehr p. a. kosten, wird die KI mit einem Mitarbeiter zwischen 45.000 € und 60.000 € pro Jahr kosten. Vielleicht kann man sich dann einmal innehaltend fragen, für was man eigentlich angetreten ist.

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