Kurz kam Bewegung ins Segment: Infolge des Corona-Ausbruchs und des damit verbundenen Lockdowns stiegen die Umsätze mit Putz- und Reinigungsmitteln im Naturkost-Fachhandel im März 2020 um 140 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Hersteller wie Sonett, Sodasan und Almawin reagierten schnell, stellten Desinfektionsmittel her, Lieferengpässe ließen sich dennoch nicht vermeiden.
Umsatz mit ökologischen Putz- und Reinigungsmitteln
Die Pandemie ist noch nicht vorbei, doch Zahlen vom Branchenanalyst BioVista zeigen, dass sich die Umsätze im Segment wieder eingependelt haben. Auch Andrea Siegl, Pressesprecherin von Almawin, stellt fest: „Wir sind mittlerweile wieder auf dem Stand von vor Corona angekommen, die Umsätze haben sich normalisiert.“ Normalerweise führen Putz- und Reinigungsmittel eher ein Aschenbrödeldasein im Naturkostmarkt; BioVista berechnete 0,14 Prozent Umsatzanteil. Und doch benötigt sie jeder Haushalt – und zwar mehr denn je: Die Marktforscher von Mafowerk verglichen die Putzgewohnheiten der Deutschen in den Jahren 2019 und 2021 und stellten fest: Seit Corona wird mehr geputzt. Laut Umfrage investierten die Durchschnittsdeutschen dafür statt 4,7 Stunden pro Woche 5,9 Stunden.
Nebenbei stieg auch der Gebrauch von Desinfektionsmitteln eklatant: Jeder Vierte gab an, diese erst seit Beginn der Pandemie zu verwenden. Vergleichsweise hochpreisige Desinfektionsmittel seien wesentliche Umsatztreiber gewesen, sagt Fabian Ganz von BioVista.
Reinigungs- und Putzmittel besser anbieten
Noch etwas spricht für die Sauber-Warengruppe im Naturkostladen: Nachhaltigkeit gilt in diesem Segment derzeit als eines der wichtigen Kundenbedürfnisse. Das hat die Gesellschaft für Konsumforschung in einer Umfrage festgestellt. Abzulesen ist das auch an dem Aufpoppen diverser Start-ups, die Putztabs entwickelt haben, um den Verbrauch von Plastikflaschen und Emissionen zu senken, die über Transporte entstehen. Sie halten sich allerdings nicht unbedingt oder in allem an die Sortimentsrichtlinien von Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und Naturkost Süd. Und manch einer entdeckt ein Nachhaltigkeitsprinzip, das die Ökobranche schon lange praktiziert: Konzentrate vermindern den Kunststoffverbrauch und auch den CO2-Ausstoß, den Transporte verursachen. Vielleicht ein Anlass für die Branche, das selbst noch besser herauszustellen.
Fest steht: Egal ob Tabs oder Konzentrate, sie treffen den Zeitgeist. Marktforscher haben herausgefunden, dass Kunden gerade mal 30 Sekunden investieren, bis sie entscheiden, welches Wasch-, Putz- oder Reinigungsmittel sie kaufen. Das spricht dafür, den Kunden entgegenzukommen und für eine klare Ordnung und gute Übersicht in den Regalen zu sorgen. Schwämme, Spültücher und Bürsten gehörten auch dazu, so Claudia Silber von Memo. Starterpakete, wie etwa von Auro oder Biobaula verbrauchen zwar mehr Platz, ziehen aber andererseits die Blicke auf sich und damit auf die gesamte Warengruppe.
Raum für Displays
Die Inhaber von Biokuma in Babenhausen schaffen Raum für eine Zweitplatzierung, ein Holzdisplay von Sonett: „Für Kunden, die sonst die Kosmetik- und Putzabteilung eher auslassen“. Auch andere Hersteller stellen extra Displays zur Verfügung. Sodasan etwa hat ein Boden- und ein Thekendisplay entwickelt. Letzteres eigne sich auch für Thementische. Eventuell wäre das etwas für eine Frühjahrsaktion. Denn die Umsatzkurven von BioVista belegen: Im März und April haben Putz- und Reinigungsmittel Saison. Offensichtlich werden die Tage, in denen Sonnenstrahlen vermehrt die tanzenden Staubflocken sichtbar machen, gerne als Motivation genommen, um Putzbürste und -lappen in die Hand zu nehmen. Das kann ein Laden ja nur unterstützen.
Kevin Beutekamp von Biokuma berichtet darüber hinaus von einem Nachfüllpass, den Ladner für die Abfüll-Produkte von Sonett ausgeben können. „Für jede Abfüllung gibt’s einen Stempel und wenn das Kärtchen voll ist, schenken wir Kunden eine Füllung gratis“, berichtet er. Und, last but not least, sollte mensch wohl die Wirkkraft von Zeitschriften-Werbung nicht unterschätzen. „Wenn in Schrot&Korn für etwas geworben wird, merken wir das im Absatz“, berichtet der junge Ladner.
Tipps vom Kollegen
Kevin Beutekamp, Mitinhaber Biokuma Babenhausen, (280 m²)
Unsere Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel bringen wir auf einem Regalmeter unter. Dazu kommen zwei weitere Regalmeter für unsere Abfüllstation. Ich glaube, dass unser Unverpackt-Angebot einen vergleichsweise höheren Umsatzanteil in diesem Segment bringt. Eingeordnet haben wir’s nach Marken. Das gibt ein einheitliches Bild und mit vier Marken ist das Sortiment so überschaubar, dass Kunden schnell finden, was sie suchen.
- Gelegentlich fragen Kunden, ob wir nicht weitere WPR-Produkte unverpackt anbieten können. Vereinzelt interessieren sie sich wegen Unverträglichkeiten für Inhaltsstoffe, wollen etwa wissen, ob Zitronensäure im Produkt ist.
- Leute mögen gerne ausprobieren. Wenn etwa jemand von Sonett an einem Stand im Laden Produktproben anbietet, Fragen beantwortet und
Empfehlungen gibt, kommt das gut an.
Basiswissen über Putz- und Reinigungsmittel
Anders als bei Lebensmitteln gibt es bei Wasch- Putz- und Reinigungsmitteln (WPR) keine rechtlichen Vorgaben dazu, was sich „bio“ nennen darf. Deshalb haben der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und Naturkost Süd entsprechende Sortimentsrichtlinien zusammengestellt. Reinigungs- und Putzmittel, die sie erfüllen und entsprechend zertifiziert sind, enthalten weder Mikroplastik noch schwer abbaubare Phosphonate oder Chlor und auch nichts, was mit Hilfe von Gentechnik hergestellt wurde. Wo möglich, sollen Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen und alle organischen Substanzen leicht biologisch abbaubar sein.
Volldeklaration
Darüber hinaus können Bio-Kunden auf einen Blick und in vollem Umfang sehen, was in den Flaschen steckt, denn alle Inhaltsstoffe werden auf den Etiketten angegeben, manchmal auch mit den deutschen Übersetzungen. Die Etiketten herkömmlicher Putzmittel verraten hingegen gerade so viel, wie gesetzlich vorgeschrieben ist. Wer Küche, Bad und WC, Fenster, Armaturen, Flächen und Böden mit Öko-Putzprodukten aus dem Bioladen säubert, verwendet keine Tenside auf Grundlage von Erdöl, sondern pflanzliche oder pflanzlich-mineralische Schmutzlöser. Beispielsweise sind das Tenside, die auf Zucker, Stärke und Kokosfett basieren oder Kokosfettalkoholsulfat, hergestellt aus Kokosfett und Schwefeloxiden. Memo verwendet Seifenkrautextrakt. Die Tenside stammen so weit wie möglich aus nachwachsenden Rohstoffen und lassen sich umweltschonend leicht wieder abbauen. Kalk und Urinstein wird nicht mit scharfen und ätzenden chlorhaltigen Säuren, sondern mit Zitronen-, Essig- oder Milchsäure zu Leibe gerückt. Diese können theoretisch sogar lebensmitteltauglich sein.
Auch ohne Duft
Synthetische Duftstoffe, wie sie häufig in konventionellen Produkten stecken, sind schwer abbaubar, können Allergien auslösen, wie Hormone wirken oder die Gesundheit auf andere Weise beeinträchtigen. Für Öko-Putzmittel werden natürliche ätherische Öle eingesetzt. Oder sie kommen ganz ohne Duftstoffe aus, was Menschen mit Allergien oder mit Neurodermitis schätzen (Klar, Sodasan, Sonett, Memo). Ätherische Öle, Zitronen- und Essigsäure haben einen günstigen Nebeneffekt: Sie helfen, die Reinigungsmittel zu konservieren. Das ist weitaus schonender als Konservierungsmittel wie etwa Isothiazolinane, die manchen konventionellen Reinigern zugesetzt werden. Hautärzte bescheinigen letzteren ein hohes Allergiepotenzial.
Am besten ohne Plastik
Umwelt und die Gesundheit der Menschen sollen geschont werden – die Bestrebungen der Ökoputz-Branche gehen schon immer in diese Richtung. Und in der Bevölkerung wächst das Bewusstsein dafür. "Die KundInnen wollen Plastik sparen", stellt Claudia Tiede fest, die sich bei Sodasan ums Marketing kümmert. Deswegen haben die Ökopioniere aus Ostfriesland jüngst ein Spülmittel in Pulverform auf den Markt gebracht und tüfteln nun an der Rezeptur für ein Allzweckreinigerpulver. Das lässt sich in Pappbehälter verpacken und spart im Vergleich zum Flüssigreiniger darüber hinaus Transportgewicht und -volumen.
Ähnlich agiert das Start-up Biobaula: mit Allzweck-, Boden-, Glas-, Bad- und Küchenreiniger in Tablettenform, ebenfalls plastikfrei verpackt. Konzentrate sind ein Ansatz, den die Branche schon immer verfolgt. Sodasan und Auro weisen besonders darauf hin, indem sie zum Flüssigkonzentrat wiederverwendbare Sprühspender anbieten, die außerdem das Verdünnen erleichtern.
Ein weiteres Rädchen, an dem sich drehen lässt, ist die Verpackung. Almawin packt Entkalkerpulver in Graskarton und bietet Nachfüllbeutel für Reiniger-Konzentrate in der Sprühflasche an. Fast alle Anbieter verwenden Behälter aus Recyclingkunststoff. Sonett, Almawin, Klar und Ulrich Natürlich füllen Reinigungsflüssigkeit auch in Kanister für die Unverpacktstation, Sodasan ersetzt sie durch das System Bag-in-Box: dünne Plastikbeutel, denen Karton den nötigen Stand verleiht.
Sonett nimmt Kanister wieder zurück, um sie neu zu befüllen und seit neuestem auch Flaschen als Recyclinggrundlage für neue Behälter. Für die Flaschen hat das Pionierunternehmen eigens Rücknahmebehälter entwickelt, die die Läden anfordern können. "Jetzt müssen nur noch mehr Großhändler und Läden mitziehen", hofft Rebecca Kramer, die bei Sonett fürs Marketing zuständig ist und außerdem zur erweiterten Geschäftsführung gehört.
Klimaschutz
Mit dem großen Ziel Nachhaltigkeit lassen sich auch größere Räder bewegen. Beispielsweise, indem die Abläufe im Unternehmen im Hinblick auf ihren Klimaeinfluss abgeklopft werden. Jedes engagierte Ökounternehmen bearbeitet da eine Vielzahl größerer und kleinerer Baustellen, was oft gar nicht bis in die Öffentlichkeit vordringt. Almawin und Sodasan lassen etwa den CO2-Fußabdruck ihrer Unternehmen berechnen und überwachen. Beide sind als klimaneutral zertifiziert. Memo erstellt seit 2003 einen Nachhaltigkeitsbericht, der alle zwei Jahre Ziele formuliert und evaluiert. Sonett wurde für sein gesamtes Engagement in Sachen Nachhaltigkeit jüngst mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.
Was Kunden über Putz- und Reinigungsmittel wissen wollen
Steckt Mikroplastik drin?
977 Tonnen Mikroplastik aus Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln und Kosmetikprodukten gelangen laut NABU jährlich in deutsche Abwässer. Die Sortimentsregeln des Bundesverbands Naturkost Naturwaren und Naturkost Süd akzeptieren kein Mikroplastik in Putz- und Reinigungsmitteln.
Benötige ich ein Desinfektionsmittel?
Desinfektionsmittel seien nur in Ausnahmefällen nötig, informiert die Verbraucherzentrale Hamburg: wenn jemand erkrankt oder ernsthaft immungeschwächt ist. Coronaviren reagieren empfindlich auf fettlösende Substanzen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt deshalb tensidhaltige Wasch- und Reinigungsmittel.
Was ist mit Palmöl?
Palmöl ist effizient und schwer zu ersetzen. Hersteller wie Sonett und Sodasan setzen Zuckertensid und Fettalkoholsulfat ein, die Palmöl enthalten. Beide Substanzen können sie nicht selbst herstellen und müssen sie zukaufen. Palmölfrei sind der Universalreiniger von Memo, der mit Seifenkraut arbeitet und Produkte von Auro, bei denen selbst produzierte Kokos- oder Leinölseifen den Schmutz lösen.
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