Biohandel

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Backwaren

Glutenfrei: Zwischen Trend und Nische

Kunden, die kein Gluten vertragen, finden im Bio-Laden für ihr Frühstück ein passendes Angebot von Brotbackmischungen bis zu Aufbackbrötchen und Croissants. Das Gebäck ist ein Randprodukt – aber es bedient einen Trend und ist für manche Kundengruppen unentbehrlich.

Ohne Brot in den Tag starten – wer will das schon? Menschen, die kein Gluten vertragen, sind umso dankbarer, wenn sie in den Regalen ihres Biomarkts Laugenbrötchen, Körnerstangen, Croissants, Krusten-, Hafer- oder Schwarzbrotmischungen finden, die keine Bauchschmerzen verursachen. Die Convenienceprodukte sind immer zur Hand und schnell einfach mal gebacken oder aufgebacken.

Vom Image eines etwas angestaubten, gewöhnungsbedürftigen Ersatzprodukts haben sie sich längst weit entfernt. Einerseits, weil Hersteller sich ins Zeug legen, und bei der Produktweiterentwicklung Qualität und Geschmack in den Vordergrund rücken. Und andererseits, weil manche Neuentwicklungen unversehens zu Trendprodukten aufgestiegen sind. Allen voran das Wunderbröd des Marktführers Bauckhof und solche, die von dessen Erfolg inspiriert wurden.

Diese Brotbackmischungen, aber auch solche für Eiweiß- und Paleobrot von Erdschwalbe und die mit Superfood verglichenen Maroni-Brotbackmischungen von Mymakery stellen andere Qualitäten des Gebäcks in den Mittelpunkt – viel Eiweiß, viele Ballaststoffe, wenig Kohlenhydrate – und öffnen damit die Range für weitere Kundengruppen: die Ernährungs-, Fitness- und Gesundheitsbewussten.

Der Umsatz mit glutenfreien Lebensmitteln ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Die aktuellen bioVista-Zahlen zeichnen fürs Aufback- und Backmischungssortiment aktuell ein anderes Bild: Sie zeigen einen deutlichen Rückgang von 19 Prozent beim Vergleich der Monate September 2021 bis August 2022 mit dem Vorjahres-Vergleichszeitraum.

Zumindest ein Teil dieser Entwicklung ist sicherlich dem Corona-Boom und der anschließenden Gegenwelle zuzuschreiben. Möglicherweise hat es auch etwas mit dem Preis zu tun. Glutenfreie Lebensmittel sind vergleichsweise teuer – ihre Herstellung ist allerdings auch entsprechend aufwendig.

Die richtige Produktplatzierung

In der Regel geht’s in diesem Segment saisonal ab Herbst aber wieder bergauf. Wer einen Absatzaufschwung weiter antreiben will, findet bei mehreren Herstellern Displays für die Zweitplatzierung: Bei Werz speziell für Brot und Brötchen, bei Bauckhof für Wunderbröd und bei Schnitzer für Topseller – „auch für den Markteinstieg“, schreibt Andrea Schweiger aus dem Marketing. Noch einfacher: Arjen von Ravensteijn von Nur Puur schlägt vor, glutenfreies Gebäck in einem Korb direkt bei der Brot-Frischetheke zu präsentieren. Für die Standardplatzierung empfiehlt Frederieke Ageby von Biovegan die Einordnung im Markenblock, gemeinsam mit anderen Brotbackmischungen.

Bauckhof initiiert gelegentlich ein Gewinnspiel, Rezepttipps finden Kunden bei fast jedem Anbieter im Internet, auf Instagram oder auch in direkt greifbaren Rezeptkärtchen. (Brot-)Backmischungen sind ja gerade prädestiniert für Variationen. Principessas hat auf der Website ein Rezept für Brezeln parat, Hammermühle schlägt vor, Karottenbrot zu backen, Mymakery würde Brotchips herstellen. Knäckebrot, Pancake, Waffeln, Früchtebrot, Müslistangen – die Ideen sprudeln. Bauckhof stellt eine bebilderte Rezeptbroschüre zum Download bereit.

Tipps von der Kollegin

Anja Hadamek Geschäftsführerin Bio Gwölb, Oberhaching (300m2)

  • Frisches glutenfreies Brot bekommen wir vom Bäcker. Als Ergänzung bieten wir Aufbackware, Backmischungen und Spezialmehle an. Momentan ist unser Glutenfrei-Sortiment noch in einem extra Regal eingeordnet, aber das wollen wir ändern: Mehl zu Mehl, Brot zu Brot, dazu Glutenfrei-Etiketten. Dann sind die Produkte vielleicht sogar einfacher zu finden. Und gerade das Wunderbröd schmeckt ja auch Nicht-Allergikern.
  • Alle paar Tage fragen Kunden nach glutenfreien Produkten. Oft sind sie sehr verunsichert und brauchen gute Beratung. Ich finde es wichtig, bei einem der nächsten Einkäufe nachzufragen, ob das Brot oder die empfohlene Backmischung auch geschmeckt hat. Denn wir können ja nicht alles selbst probieren und außerdem ist es gut, wenn die Kundin merkt, dass sie wahrgenommen wird.“

Gute Beratung bindet Kunden

Ein gut sortiertes glutenfreies Sortiment kann Kundschaft anlocken. Das sind dann auch Kunden, die Beratungsbedarf haben und öfters mal nachfragen, was wiederum die Chance erhöht, sie besser an den Laden zu binden. Anja Hadamek, Geschäftsführerin des Naturkostladens Bio Gwölb in Oberhaching, berichtet von einer Kundin, die ziemlich verunsichert wirkte. Das Personal in einem anderen Laden hatte ihr erklärt, sie dürfe nur Lebensmittel essen, die als glutenfrei ausgelobt sind. Das gelte für alles, auch für Marmelade, Käse, Erbsen aus dem Glas. „Sie hat geglaubt, sie darf jetzt fast gar nichts mehr essen.“

Unabdingbar für erfolgreichen Verkauf im Glutenfrei-Segment ist eine Belegschaft, die gewisse Grundfragen beantworten kann. Die aber auch ihre Grenzen kennt. Eine Verkäuferin muss keine Ernährungsberatung leisten. Kür wäre hier schon, für weitergehende Fragen einen Tipp geben zu können, wo Kunden Beratung finden. Anlaufstellen im Internet sind etwa die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft oder die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die darüber informiert, wo qualifizierte Ernährungsberatung gefunden werden kann.

Basiswissen über glutenfreies Gebäck

Gluten ist Klebereiweiß, das in Weizen und mit ihm verwandtem Getreide vorkommt: in Dinkel, Grünkern, Roggen, Emmer, Einkorn, Khorasan-Weizen und Gerste. Es bindet Wasser und macht (Brot-)Teig dehnbar. Die Brotkrume wird locker, das Brot bleibt in Form und feucht und bekommt eine schöne braune Kruste. Manche Menschen vertragen kein Gluten. Wenn sie unter Zöliakie leiden, verursachen schon kleinste Mengen vom Klebereiweiß Entzündungen im Dünndarm, was ihn auf Dauer schädigt. Der Körper kann dann nicht mehr ausreichend Nährstoffe aufnehmen. Zöliakiekranke müssen sich ihr Leben lang streng glutenfrei ernähren. Mindestens ein Prozent der Bevölkerung sei betroffen, informiert die Deutsche Zöliakiegesellschaft.

Reichhaltiges Aromenspektrum

Die gute Nachricht: Auch wenn die Bio-Bäckerei vor Ort noch kein spezielles Angebot für Zöliakiekranke präsentiert – im Bio-Laden finden Kunden fürs Frühstück ein reichhaltiges Sortiment an glutenfreien Aufbackbrötchen und Brot-Backmischungen. Dazu gehören klassische helle Kaiserbrötchen, Laugengebäck, dunkles Krustenbrot, Croissants, Ciabatta, Focaccia, Brötchenkonfekt und Körnerstangen, Eiweiß- und Paleobrot; auch Backmischungen für Pfannkuchen und Waffeln sind dabei.

Auf Weizen zu verzichten muss kein Nachteil sein. Tatsächlich ist die Auswahl und damit das Aromenspektrum der glutenfreien Mehle viel reichhaltiger: nussiger glutenfreier Hafer, Buchweizen mit zarter Bitternote, milder Reis, gelber Mais, Quinoa, Buchweizen, Hirse, Teff, Kokos-, Soja- oder Maronimehl, das eine süßliche Note und viel Feuchtigkeit mit sich bringt. Weitere Abwechslung bringen Saaten wie Sesam, Lein, Chia, Kürbis- und Sonnenblumenkerne oder Mohn. Besonders guten Biss haben die Spezialbrote nach Vorbild des Bauckhof’schen Wunderbröd: mit Haferflocken, reichlich Saaten und ganz ohne Mehl und Backtriebmittel.

Was Kunden wissen wollen

Was bedeutet „glutenfrei“?

Als glutenfrei gekennzeichnete Lebensmittel dürfen höchstens 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm enthalten. Diese Menge gilt für die meisten an Zöliakie erkrankten Menschen als sicher. Glutenfreie Produkte sind an der Auszeichnung „glutenfrei“ oder an der durchgestrichenen Ähre zu erkennen.

Was muss gekennzeichnet werden?

Gluten gehört zu den 14 kennzeichnungspflichtigen Allergenen. Eine Zutat, die dieses Weizeneiweiß enthält, muss auf der Verpackung entsprechend gekennzeichnet werden. „Kann Spuren von Gluten enthalten“ ist eine freiwillige Angabe von Herstellern, die meist im selben Betrieb auch glutenhaltige Produkte verarbeiten. Über den genauen Glutengehalt sagt das nichts aus.

Ist Hafer glutenfrei?

Hafer ist von Natur aus glutenfrei, kommt aber oft bei Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Verarbeitung mit glutenhaltigem Getreide in Berührung. Hafer gilt daher nur dann als glutenfrei, wenn gewährleistet ist, dass er nicht kontaminiert wurde. Eine Glutenfrei-Kennzeichnung gibt eindeutige Auskunft.

Wie steht es mit Backpulver?

Auch Backpulver kann Weizenstärke als Komponente enthalten. Daher auch hier auf eine glutenfrei-Deklaration achten.

Wie bleibt glutenfreier Teig feucht?

Glutenfreier Teig benötigt viel Flüssigkeit. Ein Becher mit Wasser im Ofen verhindert Flüssigkeitsverlust.

Andererseits sind aber auch ganz schlichte Varianten gefragt: „Seit einiger Zeit berichten immer mehr unserer Stammkunden, dass sie auch Mais nicht mehr gut vertragen“, berichtet Luisa Lindel, Produktionsleiterin bei Werz. „Deswegen haben wir ein Brot auf reiner Reisbasis entwickelt. – Reis gilt als besonders verträglich.“

Ohne Klebereiweiß zu backen ist etwas komplizierter. Es braucht zusätzlich Bindemittel und Stärke, die die Eigenschaften des Glutens ersetzen. Chia, Leinsamen, Guarkern- und Johannisbrotkernmehl oder Flohsamenschalen saugen sich mit Feuchtigkeit voll und quellen auf. Gelegentlich kommt auch der Mehrfachzucker Xanthan zum Einsatz. Mais-, Reis-, Tapioka- oder Kartoffelstärke übernehmen im weizenkleberfreien Gebäck die klebenden und bindenden Eigenschaften.

Ein Vergleich der Bio-Brote und Backmischungen mit ähnlichen konventionellen zeigt: Bio-Hersteller verwenden neben dem Klassiker-Sortiment eine deutlich größere Auswahl an Getreide und Saaten. Darüber hinaus setzen sie traditionell auch auf Vollkornmehl, was im konventionellen Bereich sehr selten vorkommt. Auf künstliche Aromen und Backpulver mit Phosphat verzichten die Bios prinzipiell. Zu viel und vor allem künstlich zugesetztes Phosphat erhöht beispielsweise das Osteoporose-Risiko.

„Früher haben glutenfreie Produkte nicht so geschmeckt – heute sind sie wirklich lecker“, sagt Anja Hadamek vom Bio Gwölb Naturkostladen in Oberhaching. Dahinter steckt viel Arbeit.

In den Produkten steckt viel Handarbeit

Glutenfreie Produkte zu entwickeln sei eine Herausforderung, heißt es bei Bauckhof. Besonders bei Broten. Struktur, Biss, Optik, Geschmack – alles müsse stimmen. Aufwendig ist auch der Umgang mit glutenfreien Rohstoffen. Anbau, Lagerung, Transport, Verarbeitung – alles muss streng von glutenhaltigem Getreide getrennt ablaufen. Dazu kommen penible Analysen der Rohwaren und Produkte, um den Höchstgehalt von 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm garantieren zu können. All das hat seinen Preis.

Glutenfreier Teig ist klebriger und kapriziöser im Umgang. Deswegen wird noch viel von Hand erledigt. Wie bei Werz glutenfreies Brot gebacken wird, erklärt die Konditorin und Food Managerin Luisa Lindel. Am Vortag frisch gemahlenes Mehl werde zusammen mit den anderen Zutaten zu einem Brotteig angerührt. Von Hand wird er in Formen gefüllt, gewinnt im Gärraum an Volumen und wird dann gebacken. Auch das Verpacken geschieht in Handarbeit. Auf die anschließende Pasteurisierung folgt die Etikettierung – ebenfalls von Hand.

Werz-Gebäck wird mit Hitze konserviert, andere Hersteller wie Schnitzer oder Nur Puur setzen auf Schutzatmosphäre. Fertig oder fast fertig gebackene Brote und Brötchen bekommen ein Mindesthaltbarkeitsdatum von zweieinhalb Monaten, und Brotbackmischungen behalten ihre Qualität mindestens ein Jahr.

Das Angebot an glutenfreien Lebensmitteln wächst stetig. Zur BioFach plant etwa Bauckhof eine komplett neue Range mit sechs Brotback-mischungen. Und Luisa Lindel verrät, die Vollkorn-Großbäckerei Werz sei dabei, Brot und Brötchen zu entwickeln, die nicht nur ohne Gluten sondern auch ohne Hefe auskommen.

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