Zitronig duftend wächst die Melisse in vielen Gärten. Oft eher zufällig, denn sie breitet sich gern selbst aus. Mit ihren kleinen, gelblich-weißen Blüten und den sattgrünen herzförmigen Blättern sieht die Pflanze aus der Familie der Lippenblütler eher unscheinbar aus. Bei Bienen jedoch ist sie ein Renner. Das trägt sie sogar im Namen, der sich vom griechischen Wort für Honigbiene herleitet.
Die früheren Imker wussten um Anziehungs- und Heilkraft der Melisse, weswegen sie auch Bienenkraut oder Honigsaug genannt wurde. Um die Bienenstöcke zu reinigen und gegen Parasiten zu schützen, rieben sie sie mit Melissenöl aus. Weitere Namen wie Zitronenmelisse, Herztrost und Frauenwohl weisen auf ihren Duft und auf ihre beruhigende, teils auch belebende Wirkung hin.
Gerbstoffe gegen Viren
Die Heilkraft der Melisse ist seit 2000 Jahren bekannt. Von Karl dem Großen weiß man, dass er anordnete, sie müsse in jedem Klostergarten stehen, so unentbehrlich sei sie für die Volksgesundheit. Hildegard von Bingen empfahl in ihren Schriften Melisse zur „Stärkung und Erfreuung des Herzens“ sowie für tiefen Schlaf.
Heute nutzt man ihr ätherisches Öl und den wässrigen Auszug zur Aromatherapie und in der Naturkosmetik zum Beispiel für Parfüms, Cremes und Shampoos. Studien aus den letzten 20 Jahren haben altbekannte Wirkungen der Melisse bestätigt – und neue Anwendungsgebiete gefunden.
Zuletzt etwa eine Untersuchung des Uniklinikums Heidelberg: Die Forscher wiesen eine deutliche Wirkung gegen Herpes-Viren nach. Den antiviralen Effekt führten sie vor allem auf Säuren wie Rosmarinsäure zurück, die in den Gerbstoffen von Lippenblütlern enthalten sind. Damit hält die Melisse Fraßfeinde, Pilze und Bakterien in Schach – ebenso wie ihre Verwandten Minze, Oregano oder eben der Rosmarin.
Terpene für die Balance
Andere Studien bestätigten der Melisse auch antibakterielle und pilzhemmende Eigenschaften sowie eine beruhigende Wirkung. Das liegt an den sogenannten Sesquiterpenen. Terpene sind flüchtige Moleküle, die den Hauptbestandteil ätherischer Öle ausmachen.
Melissenöl verdankt ihnen nicht nur seine beruhigenden, sondern auch belebende Qualitäten. Naturkosmetik nutzt die Kräfte der Melisse, um Haut und Seele in Balance zu bringen. Julia Fiagbedzi von Farfalla etwa empfiehlt Melissenhydrolat – mit Bezug auf die in der Fachliteratur hervorgehobenen antiviralen Eigenschaften – bei Windpocken, Herpes oder Gürtelrose als einfache Anwendung: „Gekühltes Hydrolat pur aufsprühen, das lindert auch den Juckreiz.“
Da das Hydrolat sehr stabil sei, eigne es sich auch prima als beruhigendes Gesichtswasser bei irritierter Haut, schreibt Naturkosmetik-Expertin Heike Käser auf ihrer Website olionatura.de.
Beliebt für viele Produkte
Hersteller Benecos hat sogar eine ganze Melissen-Serie im Programm, von Shampoo über Spülung und Duschgel bis hin zu Körperlotion. Laura Krausmann, zuständig für Marketing und Kommunikation, erläutert: „Wir setzen die Melisse schon seit 2015 gern in unseren Produkten ein, da wir den charakteristischen Geruch sehr angenehm finden und die Wirkungen der Pflanze auf den Körper kennen. Sie ist eine Favoritin bei uns, die wir immer wieder aufs Neue entdecken.“
Da Melisse einen feinen zitronigen Duft hat und ausgleichend auf die Haut wirkt, wird sie oft in Anti-Fett-Shampoos eingesetzt. Beispiele sind das feste Shampoo von Hydrophil „Für fettiges Haar“, unverpackt und plastikfrei, sowie das Pflege-Shampoo „Bio-Melisse & Verbene“ von Schoenenberger. Es wird nach Art des Hauses mit Pflanzensaft hergestellt.
Andere Hersteller verwenden entweder das ätherische Öl der Melisse für ihre Produkte, den wässerigen Auszug oder das Hydrolat, das bei der Wasserdampf-Destillation entsteht. Das ätherische Öl selbst wird pur sowie 10- bis 30-prozentig angeboten – in einem Trägeröl wie Jojoba oder in Kombination mit Lavendelöl. Echte Melissen-Erzeugnisse werden in der Regel gut vertragen. Natürlich nicht pur – in dieser Form können viele ätherische Öle Hautreizungen verursachen.
Auf Bio-Qualität achten
Reines Melissenöl hat seinen Preis. Anusati Thumm von Primavera nennt die Gründe dafür: „Die Öldrüsen, in denen das ätherischen Öle gebildet wird, sitzen bei Melisse im Gegensatz zu anderen Pflanzen zum größten Teil auf der Blattoberseite. Dadurch verfliegen die Öle schnell, etwa bei Wind, Regen oder beim Transport. Trotz der Gewinnung in fahrbaren Destillen direkt am Feld, benötigen unsere Bauern 7000 bis 10 000 kg Pflanzenmaterial für ein Kilogramm ätherisches Öl.“
Konventionelle Anbieter würden daher oft tricksen, indem sie das Öl mit Citronellagrasöl verfälschen oder strecken. Das Produkt nenne sich dann „Indische Melisse“ oder „Melissa indicum“, erläutert sie und betont: „Das Öl des tropischen Grases hat aber andere Wirkungen, es enthält beispielsweise nicht die therapeutisch wertvollen Sesquiterpene der Melisse.“
Problematisch können solche Fakes vor allem für Allergiker sein. Wer reines Melissenöl will, sollte auf seriöse Bio-Hersteller setzen, dort steht auf jeden Fall „Melissa officinalis“, nicht „Melissa indicum“ in der Inhaltsliste.
Woher die Melisse kommt
Ursprünglich stammt die Heilpflanze aus Mesopotamien, der Wiege der Nutzpflanzenwelt. Das Gebiet liegt auf der Fläche der heutigen Staaten Iran und Irak sowie Pakistan. Mittlerweile findet man Zitronenmelisse überall auf der Welt...
Die Melisse gedeiht auch im Halbschatten. Je mehr Sonne sie bekommt, desto besser ist jedoch die Ölqualität. Der Gehalt an ätherischen Ölen schwankt je nach Herkunft, Anbau und Erntezeitpunkt sehr stark, so dass es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Marken und Chargen geben kann.
Naturkosmetik-Hersteller beziehen Melissenöl überwiegend aus Süd- und Südosteuropa – aus umweltschonendem Bio-Anbau. So bringt die Melisse „Stärkung und Erfreuung“ für alle, um es mit den Worten der Heilpflanzenkennerin Hildegard von Bingen zu sagen.
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