„Unsere Käsetheke sieht ein bisschen aus wie eine Eistheke“, beschreibt Nanni Brinker die Frischkäseabteilung der Kornblume Brinker in Lingen. Sie hat unterschiedliche Sorten auf schwarze Platten gehäuft, die stufenweise aufgebaut sind. Täglich präsentiert sie dort acht verschiedene Frischkäse, eine davon immer aus Schafs- oder Ziegenmilch. Die Auslage in Lingen ist eine Attraktion.
Wie die Statistik von Marktforscher bioVista zeigt, lässt sich mit Schafs- und Ziegenfrischkäse gut Umsatz machen: Allein im SB-Bereich, in dem bioVista Zahlen erfasst, stieg er von September 2023 bis August 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 11,4 Prozent. Durchschnittlich wurden damit 8.000 Euro pro Laden und Jahr erzielt. Besonders erfreulich: Die Zuwächse sind nicht rein preisgetrieben, sondern werden Fabian Ganz zufolge auch von einem starken Absatzplus getragen. „Eine absolute Trendkategorie“, so der bioVista-Vertriebsleiter.
Saisonales und Regionales als Sortimentsbereicherung
Auch optisch ist das Sortiment eine Bereicherung: Farbe kommt mit Blütenblättern in die Auslage. „Eine richtige Augenweide“, schwärmt Gabriele Fichtl, Inhaberin des Schilcher Bio-Käse-Großhandels. Saisonal lassen sich Akzente setzen, egal ob mit selbst angerührten Cremes oder mit denen aus der Molkerei: Feige und Nüsse im Herbst, Bärlauch im Frühjahr. In der Kornblume gibt‘s im Oktober schon mal Ziegen-Obatzda, passend zum Oktoberfest. „Wir haben auch schon Trüffel-Frischkäse gemacht“, berichtet Nanni Brinker. „Mit dem Trüffelglück-Gewürz von Herbaria und Trüffelöl von Bio Planète.“ Gewürzdose und Ölflasche wurden daneben gestellt – eine erfolgreiche Cross-Selling-Aktion.
„Bei uns kaufen Kunden gerne Produkte aus der Region.“
Eine weitere Erfahrung der Kornblume-Seniorchefin: „Bei uns kaufen Kunden gerne Produkte aus der Region.“ Damit lässt sich argumentieren. Ein guter Grund, extra darauf hinzuweisen, wenn ein Käse, gerade aus den kleinen handwerklichen Molkereien, in nicht allzu großer Entfernung hergestellt wurde.
Rechts und links von der Bedientheke sind in der Kornblume Selbstbedienungs-Cabrio-Theken aufgebaut. Dort findet die Kundschaft den selbstgemachten Frischkäse in Gläschen abgefüllt, aber auch den vorgefertigten von den Jakobsberger Milchhandwerkern, ebenfalls in Gläschen.
Verkostungen und Rezepte wecken Lust
Verkostungen seien gerade bei Schafs- und Ziegenkäse immer noch besonders wichtig, betont Cécile Schaller, die für die französischen Schafs- und Ziegenkäse-Spezialisten von Bergerie in Deutschland das Marketing betreibt. Sie beobachtet bei diesem Sortiment in Deutschland immer noch Vorbehalte. „Kunden sind insbesondere bei Schafsfrischkäse überrascht, wie mild er schmeckt.“ Dazu passt, was Schilcher-Inhaberin Gabriele Fichtl sagt: „Frischkäse eignet sich besonders gut für Einsteiger im Bereich Ziege/Schaf.“
Rezepte sind ebenfalls ein bewährter Weg, die Lust auf Ziegen- und Schafsfrischkäse zu wecken. Bei Bergerie finden sich Anregungen auf der Innenseite der Banderolen. Bergerie, Andechser und ÖMA bereichern ihre Websites mit passenden Koch- und Back-Anleitungen. Für den Sommer empfiehlt Margit Gomm, zuständig fürs Marketing bei ÖMA, ein Rezept für gegrillten Ziegen-Frischkäse auf Honig.
Und noch eine Anmerkung von Nanni Brinker: „Uns allen hilft geschultes Verkaufspersonal, das Freude am Tun hat.“ Schulungen organisieren die (Käse-) Großhändler, aber auch manche Produzenten. Bei Anderlbauer lassen sich Käsekurse belegen. Hofführungen samt Verkostung bietet auch der Reutebachhof an.
Manchmal reicht es auch schon, einen Film oder eine gut gemachte Website anzuschauen, um im Verkauf eine nette Geschichte zu Käse erzählen zu können: Auf Youtube oder in der ARD Mediathek lassen sich Reportagen etwa über Monte Ziego und Jakobsberger finden. Und von der Vallée-Verte-Website stammt ein Tipp, der auf einem Food-Trend aus Asien basiert: „Probieren Sie Pfefferminztee aus marokkanischer Minze mit einem Ziegenfrischkäse-Topping.“
Tipps von der Kollegin

Nanni Brinker: Gründerin Kornblume Lingen, 350 Käsesorten (560 Quadratmeter)
- In unserer Bedientheke bieten wir acht bis zehn Ziegen- und Schafsfrischkäsevarianten an, dazu kommen vier bis fünf Sorten im SB-Bereich. Insgesamt wird mehr Ziege als Schaf gekauft.
- Die SB-Theke füllen wir großzügig – das sieht schöner aus. Und außerdem gilt die klassische Verkaufsweisheit: Je mehr drin ist, desto mehr wird mitgenommen.
- Besondere Spezialitäten präsentieren wir in der Bedientheke auf einer Etagère, damit sie in dem großen Tresen gut zur Geltung kommen.
- Bei uns gibt es einen „Monatskäse“. Der wird besonders beworben, bekommt einen guten Preis und schöne Dekoration. Den Monatskäse kennt das gesamte Team und jeder kann dazu eine Geschichte erzählen und weiß, wie er schmeckt.
Basiswissen Ziegen- und Schafsfrischkäse
Sehr rein und mild, vollmundig mit zarter Textur, fein und leicht fluffig, süß mit säuerlicher Note, leichtes Mandelaroma – so schmeckt Frischkäse von Schaf und Ziege und ist damit der beste Einstieg für Zauderer, die sich an Produkte dieser kleinen Wiederkäuer nicht so recht rantrauen.
Frischkäse ist direkt nach der Herstellung verzehrfertig, er muss in der Regel nicht mehr reifen. Dass er leicht und frisch schmeckt, liegt zum einem an seinem Wassergehalt – mindestens 73 Prozent legt die Käseverordnung für diese Käsegruppe fest. Und zum anderen kommt das von der feinen Säure, die den vollmundig süßen Milchgeschmack ergänzt. Diese ist bei der Herstellung entstanden und wurde noch nicht durch Reifearomen verdrängt.
Frischkäse entsteht, wenn pasteurisierte Milch mit Milchsäurebakterien vorsichtig erwärmt wird. Dabei trennen sich die festen von den flüssigen Stoffen, also die Käsemasse von der Molke. Eventuell verstärkt Lab den Prozess: Das Enzym bringt das Milcheiweiß zum Gerinnen, ohne dass die Milch dabei sauer wird. Soll der Käse cremig bleiben, wird er verrührt, abgeschmeckt und in Becher gefüllt. Eine bestimmte Form bekommt er, wenn er in entsprechende perforierte Abtropfbehälter geschöpft wird. So entstehen Rollen, Türmchen, Törtchen, abgeschnittene Pyramiden, flache Laibchen oder Herzchen.
Geschmacklich vielseitig
Mal wird er in bunten Blüten, Pflanzenasche oder Senfsaat gerollt, mit gewürztem Raps- oder Olivenöl übergossen, oder bekommt ein Topping aus rosa Pfeffer oder Senfsaat. Mal badet er in Öl mit Zitrone, mal in Chilimarinade oder er thront auf Tomaten-Oliven-Pesto. Gelegentlich umschließt die feine weiße Masse auch eine Fruchtzubereitung aus Zitrone, Brombeere oder eine Maronencreme. Maulbeeren, Zedernuss, Minze, Zitrone, Honig, Cashewnüsse oder Cranberrys, Datteln und Curry setzen Kontrapunkte, Kräuter bringen Grün, Rote Bete die Farbe Rosa ins Spiel.
Schafs- und Ziegenkäse schmeckt anfangs etwas süßer als Kuhmilch, später wird er würziger. Ziegenmilch ist sehr empfindlich und nimmt leicht Geruch an. Deswegen wird sie besonders schnell und sorgsam verarbeitet. Stallgeruch an Ziegenkäse ist daher längst kein Thema mehr. Aber die Vorbehalte halten sich vor allem bei weniger geübten Käsekunden hartnäckig. Monte Ziego gibt daher für seinen Ziegenfrischkäse sogar eine Anti-Böckel-Garantie.
Fein, mild und cremig
Cremiger Frischkäse: Zur Herstellung reichen wenige Zutaten: Milch oder Sahne, Milchsäurekulturen, etwas Lab und eine Prise Salz. Ohne weitere Zutaten perfekt für Gemüsefüllungen, Nudelauflauf oder als Flammkuchenbelag. Oder einfach als Brotaufstrich.
Quark: Um ihn zu gewinnen, wird entrahmte Milch mit Milchsäurekulturen beimpft, später kommt etwas Lab dazu. Durch Zugabe von Sahne lässt sich der Fettgehalt einstellen. Quark passt genauso gut zu Erdbeeren wie zu Lachs.
Manouri: Der griechische Molkeneiweißkäse hat eine sahnig-milde Textur und wird aus Molke hergestellt, die beim Erhitzen mit Schafs- oder Ziegensahne angereichert wird. Schmeckt pur, gegrillt oder gebraten.
Ricotta: Der italienische Klassiker rutscht cremig über die Zunge und schmeckt mild-süßlich mit zarter Tendenz ins Säuerliche. Ricotta entsteht aus Schafsmolke und ist ein mittelfetter Frischkäse. Gut als Zucchini- oder Pastafüllung oder im Dessert.
Ziegenrolle: Der feste fein-aromatische Frischkäse ist zylinderförmig gerollt, eventuell in Blüten, Kräutern, Senfsaat, Gewürzen oder Pflanzenasche. Schmeckt frisch, darf aber auch mit Hefe- oder Schimmelmantel zu Weichkäse reifen. Pur oder mit Honig überbacken ein Genuss.
Schafs- und Ziegenfrischkäse haben eine besonders zarte Konsistenz. Dabei kann Schafsfrischkäse cremiger sein, denn die Milch der wolligen Tiere enthält mehr Fett und mehr Eiweiß als Kuh- oder Ziegenmilch. Sie ist insgesamt gehaltvoller, liefert beispielsweise mehr Jod und ist sehr reich an Mineralien. An Vitamin A übertreffen beide, Schafs- und Ziegenmilch, die der Kuh. Und ihr Milchfett formt kleinere Kügelchen – das macht Milch und Käse leichter verdaulich.
Großteil aus ökologischer Produktion
Ein Großteil der Schafs- und Ziegenmilch in Deutschland wird ökologisch produziert. „Bei uns haben die schwarzen Schafe ein schönes Leben“ – verkünden die Jakobsberger Milchhandwerker auf ihrer Website. Der kesse Spruch soll natürlich auch für die Mehrheit der weißen Lacaune-Schafe gelten, die in Jakobsberg leben.
In den wärmeren Jahreszeiten weiden sie auf Wiesen in der Nähe des Hofs. „Zum Melken holen wir sie rein“, berichtet Anja Wolff, die den Hof zusammen mit ihrem Partner Frank Böhner gegründet hat. Und: „Wenn’s im Sommer richtig heiß ist, verbringen sie die Tage im schattigen und luftigen Stall und dürfen über Nacht raus.“ Die Lämmer wachsen bei ihren Müttern auf, gemolken wird dann das, was die Kleinen übriglassen.
Ziegen, deren Milch zu Monte Ziego-Käse verarbeitet wird, dürfen im Frühjahr raus, sobald das Gras wieder zu wachsen beginnt. Manche werden im mobilen Ziegenmelkstand gemolken. Bei Regen und Kälte ziehen sie aber den Stall vor. Ziegen und Schafe brauchen möglichst viel Weidegang – die Richtlinien der Öko-Verbände schreiben großzügigen Zugang zu Weideland vor. Das passt also. Die Milch von Wiederkäuern, die viel frisches Gras und Heu zu fressen bekommen, enthält mehr Omega-3-Fettsäuren, denen eine herzschützende Wirkung nachgesagt wird.
Was Kunden wissen wollen
- Wie viel Fett?
Wie viel Fett ein Käse tatsächlich auf die Waage bringt, lässt sich schwer einschätzen, weil hier der Fettgehalt in der Trockenmasse angegeben werden muss, also nach Abzug der enthaltenen Flüssigkeit. Gerade bei Frischkäse liegt der tatsächliche, absolute Fettgehalt deutlich niedriger. 40 Prozent Fett i.Tr. bedeutet weniger als 20 Prozent Fett absolut. Bei abgepacktem Käse aus der SB-Theke ist der absolute Fettgehalt bei den Nährwert-Angaben abzulesen. Da steht dann etwa 18 Gramm Fett pro 100 Gramm Frischkäse. - Laktosefrei?
Auch wenn oft anders vermutet: Weder Ziegen- noch Schafsmilch sind laktosefrei. Denn Laktose ist ein wichtiger Nahrungsbestandteil für Neugeborene. Es gibt auch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Menschen mit Laktoseunverträglichkeit oder Kuheiweißallergie Ziegen- oder Schafsmilch besser vertragen. Allerdings berichten manche Kunden, dass sie mit Ziegen- oder Schafsmilchprodukten besser zurechtkommen. - Was ist Frischkäsezubereitung?
Wird ein weiteres Milchprodukt der Frischkäserezeptur hinzugefügt, ändert sich die Bezeichnung: Aus Frischkäse wird Frischkäsecreme oder -zubereitung. Oder Fetacreme oder Estragon-Töpfchen oder Herzerlkäs Dill-Pfeffer.
Wenige große Öko-Schafs- und Ziegenmilchverarbeiter
In Deutschland existieren nur wenige große Käsereien, die Schafs- oder Ziegenmilch verarbeiten. Im Öko-Bereich sind das die Andechser Molkerei Scheitz, die von gut 100 Ziegenmilchbauern beliefert wird und Monte Ziego bei Freiburg, die nach eigenen Angaben die größte Demeter-Bio-Ziegen-Käserei ist, mit 16 Ziegenmilch-Lieferanten. Es sind überwiegend kleine handwerkliche Biobetriebe, die Schafs- und Ziegenmilch verarbeiten.
In der Jakobsberger Hofkäserei, die nach biologisch-dynamischen Regeln arbeitet, wird bewusst auf Behandlung von Rohmilch wie Mikrofiltration oder Homogenisierung verzichtet. Sie nutzt, wo es möglich ist, Edelstahlrohre mit natürlichem Gefälle für den Milchtransport. „Damit vermeiden wir unnötiges Pumpen, das die Fett- und Eiweißkügelchen der Schafsmilch zerstören würde“, erklärt Anja Wolff.
Üblicherweise werden die Frischkäse-Kostbarkeiten von Schaf und Ziege in Kunststoff verpackt. Vorteil im Vergleich zu Glas: weniger Gewicht und Bruchsicherheit. Die Jakobsberger Milchhandwerker haben sich mit ihrer Käseabfüllung in Gläschen ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet.
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